Donauwoerther Zeitung

Und dann brauchen sie Pflege

Plätze für die Kurzzeitpf­lege sind selten. Oftmals telefonier­en Angehörige stundenlan­g, nur um Absagen zu erhalten. Ein Sohn erzählt die Geschichte seines Vaters

- VON JULIAN WÜRZER UND MANUEL WENZEL *Name geändert,

Landkreis Es vergeht keine Nacht, in der er nicht aus dem Schlaf gerissen wird. Das Gewissen plagt ihn, die Hilflosigk­eit lähmt ihn. Dennoch ist Benjamin* dankbar – dass sein Vater vorübergeh­end in einem Pflegeheim untergekom­men ist.

Bis vor wenigen Wochen lebte Benjamins Vater noch zu Hause im Landkreis. Der Sohn sah in dem 85-Jährigen immer einen starken Mann, einen der anpackte. Bis ins Frühjahr arbeitete der Vater noch und schleppte Kisten. Und plötzlich war alles anders. Schwere Herzproble­me setzten dem 85-Jährigen zu. Er wurde ins Krankenhau­s eingeliefe­rt. Die Behandlung im Hospital schlug zwar an und er wurde entlassen. Doch was jetzt?

„Er hält nicht einmal mehr sein Glas Wasser in der Hand“, sagt Benjamin. Als Pflegefall könne der Vater noch nicht nach Hause, da die Frau des 85-Jährigen selbst gesundheit­lich angeschlag­en und zu schwach ist, um sich um ihren Ehemann zu kümmern. Benjamin arbeitet nahezu rund um die Uhr. Die beste Lösung schien, seinen Vater zur Kurzzeitpf­lege in ein Pflegeheim zu geben – ein Schritt, der ihm emotional nicht leicht fiel. „Mein Vater hat es dann akzeptiert“, sagt Benjamin. Er erinnert sich an die Suche nach einem Platz in einer Pflegeeinr­ichtung: Etwa zwei Tage hatte er Zeit, um einen Platz für seinen Vater zu finden.

Die Plätze für die Kurzzeitpf­lege sind Mangelware, davon berichtet Jennifer Sax von der Pflegedien­stleitung am BRK-Pflegenzen­trum in der Jennisgass­e in Donauwörth. Dort gibt es keine vollstatio­nären Plätze, untergebra­cht werden nur noch Akutfälle. Fünf werden derzeit betreut, aktuell sind laut Sax zwei Plätze frei. Dieser Zustand dürfte erfahrungs­gemäß nicht lange anhalten. Sax: „Da kommen bald Anrufe aus dem Krankenhau­s oder privat von Angehörige­n, dann sind wir wieder voll belegt.“

Die Nachfrage nach Kurzzeitpf­lege steige. Gerade in der Urlaubszei­t ist dies in betroffene­n Familien ein Thema – und gegebenenf­alls auch ein großes Problem. „Wir haben viele Anfragen Wochen oder Monate im Voraus, wenn die Familie wegfährt und sich nicht um den Angehörige­n kümmern kann. Gesucht wird dann ein Platz genau für eine bestimmte Zeit. Bei uns kann man aber nicht reserviere­n“, berichtet Sax. In anderen Einrichtun­gen sei dies möglich, weiß sie.

einen Platz im BRK-Heim in der Jennisgass­e sucht, aber wegen voller Belegung zunächst eine Absage erhält, kann sich auf eine Warteliste setzen lassen. „Wir melden uns dann, sobald wieder ein Platz frei wird“, sagt Pflegedien­stleiterin Sax.

Zwei Plätze für die Kurzzeitpf­lege stehen im Bürgerheim in Nördlingen zur Verfügung. Beide Betten seien andauernd belegt. Laut Leiterin Elisabeth Oestringer hätte die Nachfrage seit Februar stark zugenommen. Nahezu täglich riefen Angehörige von Menschen an, die eine Zeit lang gepflegt werden müssten – einerseits Angehörige, die ihre Eltern zu Hause pflegen und eine Auszeit benötigen, anderersei­ts Angehörige, deren Verwandte aus dem Krankenhau­s kommen und sich nicht selbst versorgen können, ähnlich wie in Benjamins Fall. Den meisten Anrufern könne Oestringer nur absagen und ihnen anbieten, sie auf die Vormerklis­te zu setzen. Eine Priorisier­ung gebe es nicht.

Benjamin hatte nur zwei Tage Zeit, einen Platz für seinen Vater zu finden. Das erlebt Christiane West täglich. Sie arbeitet beim Sozialdien­st des Stiftungsk­rankenhaus­es in Nördlingen. Sie delegiere die Einrichtun­gen mit Plätzen für die Kurzzeitpf­lege an die Angehörige­n. Eine Liste von 30 bis 40 Pflegeheim­en im Umkreis, sogar bis nach Augsburg. Die Angehörige­n würden dann etliche Stunden am Telefon verbringen, bis sie einen Platz fänden – oftmals viele Kilometer entfernt. Doch was passiert mit den Menschen, die keinen Platz finden? „Das ist eine gute Frage. Von unserer Seite kann ich nur sagen: Niemand wird unversorgt entlassen“, sagt West. Wenn es also die medizinisc­he Sicht nicht zulasse, den PfleWer gebedürfti­gen nach Hause zu entlassen, dann müsse eine optimale Versorgung mit der Krankenkas­se abgeklärt werden.

Benjamin telefonier­te sich ebenfalls durch die gesamte Region. Letztlich fand er durch Zufall einen Platz für seinen Vater, da jemand absagte. Bis Anfang September kann sein Vater noch bleiben. Wie es weitergeht, weiß Benjamin nicht. Er hofft auf eine Verlängeru­ng des Aufenthalt­es in dem Pflegeheim.

Schon lange und gerade wieder aktuell ist das Thema Pflege auch in der Politik. Im Landkreis sei laut Heike Meyr vom Fachbereic­h besondere soziale Angelegenh­eiten ein Pflegestüt­zpunkt angedacht. In welcher Form dieser eingericht­et werde, sei noch offen. Dort soll sich Angehörige wie Benjamin in plötzliche­n Fällen informiere­n können.

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Foto: Oliver Berg/dpa Ältere Menschen sind nach einem Krankenhau­saufenthal­t gesundheit­lich oft nicht in der Lage, sich selbst zu Hause zu versorgen. Deshalb sind sie auf Kurzzeitpf­legeplätze angewiesen. Die sind jedoch rar.

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