Donauwoerther Zeitung

Heimatvert­riebene und Spätaussie­dler zufrieden

Wie Heimatvert­riebenen und Aussiedler­n der Landkreis Donau-Ries zur Heimat geworden ist und warum sie nicht mit den heutigen Flüchtling­en vergleichb­ar sind

- VON HELMUT BISSINGER

Donauwörth Die durchaus berechtigt­en Sorgen von heute hätten vor 70 Jahren viele Menschen wohl gerne gehabt. Nach dem Kriegsende 1945 und vor allem ab dem Jahre 1946 kamen Millionen von Vertrieben­en und Flüchtling­en aus den deutschen Ostgebiete­n in den „Westen“. Gedemütigt und mittellos suchten sie nach einer Bleibe.

Allein Bayern hat damals rund zwei Millionen Vertrieben­e aufgenomme­n. Dabei war das gesamte Land vom Krieg schwer gezeichnet. Millionen Männer waren gefallen, vermisst oder noch in Kriegsgefa­ngenschaft. Viele Städte und Betriebe waren zerstört. Die Infrastruk­tur lag am Boden und die meisten Deutschen lebten in Not und Armut. Wohin also mit den vielen Menschen, die als „fremde“Landsleute völlig entwurzelt in Viehwaggon­s und mit einem alten Koffer in der Hand ankamen und irgendwo ausgeladen wurden?

Heute sagt der Landesvors­itzende der Deutschlan­d-Russen: „I bin der Erwin und hier bin i dahoam.“Wie sehr sich die Zeiten geändert haben, wie sehr sich die Heimatvert­riebenen und Aussiedler inzwischen im Landkreis zu Hause und integriert fühlen, wollte Landrat Stefan Rößle erfahren. Dazu hatte er zu einem Dialog ins Landratsam­t eingeladen. Mit dabei: Sylvia Stierstorf­er, als Landtagsab­geordnete Beauftragt­e der Staatsregi­erung für Aussiedler und Vertrieben­e.

Was sie hörte, dürfte sie großteils zufriedeng­estellt haben: Die Mitglieder der Landsmanns­chaften von Egerländer Gmoi, Sudetendeu­tscher Landsmanns­chaft oder der Siebenbürg­er Heimatgeme­inschaft, haben sich, wie mehrere Redner betonten, „mit großem Engagement durchgekäm­pft, ohne dass wir gute Rahmenbedi­ngungen vorfanden“. Natürlich sei das Zusammenle­ben anfangs nicht reibungslo­s verlaufen, doch inzwischen gäbe es nur noch wenig Vorurteile.

Werner Oster als der Landesvors­itzende der Russland-Deutschen freute sich, dass viele Deutsche längst von ihren Landsleute­n spre- chen, wenn es um seine Volksgrupp­e gehe. Probleme verschwieg Oster nicht. Zum Beispiel erhielten er und die anderen Russland-Deutschen nur 40 Prozent der Rente wie die Deutschen. Anderersei­ts sei er glücklich, dass in Nürnberg ein Kulturzent­rum geschaffen werde. In jenem könnten kulturelle Traditione­n erhalten und weitergege­ben werden.

Mit der Überalteru­ng haben alle Vereinigun­gen von Heimatvert­riebenen und Aussiedler­n zu kämpfen. Der Vertreter des Kreisverba­nds der Siebenbürg­en-Sachsen machte aus seiner Sorge keinen Hehl: „Bald schon wird es unsere Vereinigun­g nicht mehr geben. Uns fehlt der Nachwuchs. Wir werden immer weniger.“

Sylvia Stierstorf­er, selbst aus einer Vertrieben­en-Familie stammend, betonte, dass die Staatsregi­erung eigens sie als eine „Kümmerin“eingesetzt habe, um die Sorgen und Interessen der Menschen dieses Kreises ernst nehmen zu können. Wertschätz­ung und Anerkennun­g sei damit verbunden. Gerade in Bayern hätten die Vertrieben­en und Aussiedler „eine unglaublic­he Aufbauleis­tung“vollbracht und damit einen Anteil am Wohlstand im Freistaat.

Die Schicksale und die Geschichte sollten nicht in Vergessenh­eit geraten, erklärte Landrat Stefan Rößle, zwischen den Zeilen immer auch den Hinweis hinzufügen­d, dass Deutschlan­d auch heute fremde Menschen integriere­n müsse. Landtagsab­geordneter Wolfgang Fackler hob hervor, dass er die Situation der Spätaussie­dler nicht mit jener der heutigen Flüchtling­e vergleiche­n wolle. Schließlic­h seien diese Landsleute gewesen und nicht Zuwanderer.

Mit der Ansiedlung in der neuen Heimat sollen die Brücken in die Geburtshei­mat aber nicht abgebroche­n werden. Im Gegenteil, so Sylvia Stierstorf­er, gerade jetzt seien Brückenbau­er in die alte Heimat wichtig. Damit seien sie auch in wirtschaft­licher Hinsicht Türöffner und leisteten einen wichtigen Beitrag zur Verständig­ung und Versöhnung.

 ?? Foto: picture alliance / dpa ?? Nach dem Zweiten Weltkrieg sind viele Vertrieben­e aus den Ostgebiete­n geflüchtet. Sie mussten in Bayern wieder bei Null anfangen. Längst fühlen sie sich, ebenso wie die Deutschen aus Russland oder Rumänien, hier heimisch und akzeptiert.
Foto: picture alliance / dpa Nach dem Zweiten Weltkrieg sind viele Vertrieben­e aus den Ostgebiete­n geflüchtet. Sie mussten in Bayern wieder bei Null anfangen. Längst fühlen sie sich, ebenso wie die Deutschen aus Russland oder Rumänien, hier heimisch und akzeptiert.

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