Wiederholt sich die Geschichte?
Professor Herfried Münkler ist einer der bekanntesten Politikwissenschaftler Deutschlands. Für einen Vortrag kommt er nach Nördlingen. Welche Parallelen er zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und der Gegenwart zieht
Herr Professor Münkler, Sie haben über ein Jahr an Ihrem Buch „Der Dreißigjährige Krieg“geschrieben. Was fasziniert Sie so an diesem Konflikt, der 400 Jahre her ist?
Münkler: In dem einen Jahr habe ich nur geschrieben. Nimmt man die Recherchen dazu, das Sammeln und Zusammenstellen der Quellen, dann habe ich sicher zehn Jahre an dem Thema gearbeitet. Ausgangspunkt war mein Buch „Die neuen Kriege“von 2002, in dem ich mich in einem Kapitel auch mit dem Dreißigjährigen Krieg beschäftigt habe. Dabei ging es mir darum zu zeigen, dass dieser Krieg einige Ähnlichkeiten mit den Kriegen unserer Zeit hat. Man kann geradezu von einer Wiederkehr des Typus von Krieg sprechen, wie er in den Jahren 1618 bis 1648 geführt worden ist.
Was genau meinen Sie damit? Münkler: Man kann etwa Parallelen ziehen zum Nahen Osten. Auch dort gibt es jetzt Söldner, genauso wie im Dreißigjährigen Krieg. Manche kämpfen für Geld, andere dagegen für ihren Glauben, beispielsweise die Freiwilligen des IS oder die Hisbollah-Milizen. Es ist ein Krieg, in den Männer und Geld von außen einströmen, genauso war es auch 1618 bis 1648. Dem Dreißigjährigen Krieg lag ein Verfassungskonflikt zugrunde, nämlich der in Prag ausgetragene Streit zwischen Ständen und König um die Macht im Staate, Ausgangspunkt im Nahen Osten war der Arabische Frühling. Im Dreißigjährigen Krieg kämpften Katholiken gegen Protestanten, jetzt sind es Schiiten gegen Sunniten. Es gibt wieder Hegemonialmächte, die von außen eingreifen, aber keinen, der in der Region die hat. Und es wird drei bis vier Jahre dauern, bis ein solcher Krieg in Verhandlungen beendet ist. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges haben die Verhandlungspartner den Friedensvertrag auch nur unterzeichnet, weil sie durch den langen Krieg erschöpft waren. Das würde bedeuten, dass sich die Geschichte wiederholt.
Münkler: Es gibt Muster, in denen die Akteure gefangen sind, die bestehen für einige Zeit und verschwinden dann wieder. Im Westfälischen Frieden wurde nach Ende des Dreißigjährigen Krieges festgeVorherrschaft legt, dass entweder Frieden herrscht oder Krieg und es kein Drittes dazwischen gibt, einen Bürgerkrieg oder Krieg zwischen den Staaten, aber die Vermischung von beidem zu vermeiden ist. Was wir jetzt haben, ist eine Auflösung dieses Musters, es gibt transnationale Kriege, die gleichzeitig Staaten- und Bürgerkriege sind. Tendenziell finden mehr Zivilisten denn Soldaten den Tod, genau so wie im Dreißigjährigen Krieg.
Dann haben die Menschen nichts aus der Vergangenheit gelernt. Eine gruselige Feststellung.
Münkler: Krieg wurde nach 1648 als legitimes Mittel der Politik angesehen. Doch jetzt würde ein Großer Krieg infolge von Nuklearwaffen alles vernichten, dieses Instrument fällt für die Handelnden also weg. Dazu kommt, dass nach Nagasaki und Hiroshima in der UN-Charta festgelegt wurde, dass Krieg illegitim ist. Das Militär wurde damit weltweit zu einer Art globaler Polizei. Ganz so, wie das in mancher Hinsicht vor dem Westfälischen Frieden war. Da hat man schon gelernt. Aber man hat nicht die Fähigkeiten und den Willen, das weltweit durchzusetzen.
Wie passt das aber mit dem zusammen, was derzeit in Deutschland geschieht? Mit den Aufmärschen rechter Gruppen etwa in Chemnitz?
Münkler: Das sind Provokationen, wie es sie auch nach dem Augsburger Religionsfrieden gab. Übrigens gar nicht weit weg von Nördlingen, in Donauwörth. Diese Stadt war damals mehrheitlich protestantisch. Die Katholiken durften ihren Gepflogenheiten nachgehen, doch nur in Prozessionen aus der Stadt heraus, nicht in der Stadt. Doch das nahmen sie nicht hin, zogen mit ihrer Prozession durch Donauwörth – und der Konflikt eskalierte. An dem Fall Chemnitz sieht man übrigens auch, wie sich die Sichtweise auf den Glauben verändert hat.
Münkler: Mit dem Westfälischen Frieden wurde der Glaube zu einer Privatangelegenheit. Bis vor fünfzehn Jahren haben wir über Türken oder Libanesen gesprochen – jetzt reden wir aber über Muslime. Diese Politisierung des Religiösen fällt uns nun auf die Füße. Es bilden sich Gruppen, genau wie vor dem Dreißigjährigen Krieg: da die Muslime, da die anderen. Mobs entstehen, Menschen werden gejagt, es gibt ein Freund-Feind-Bild.
Was muss jetzt geschehen?
Münkler: Der Staat muss zeigen, dass er der Herr des Geschehens ist. Wir müssen den Prozess der Politisierung des Religiösen wieder umkehren. Den Menschen, die zu uns kommen, müssen wir klar machen, dass bei uns jeder nach seiner Fasson selig werden kann. Wir müssen das freilich auch den Zuwanderern zugestehen. Religion darf keine politischen Strukturen haben.
OTermin: Die Volkshochschule Nördlin gen bietet am Freitag, 14. September, einen Vortrag mit Professor Herfried Münkler an. Beginn in der Alten Schranne ist um 20 Uhr. Karten gibt bei der Tourist Info, Telefon 09081/84 116, bei der Buchhandlung Lehmann, Telefon 09081/211810, oder an der Abendkasse.