Wer ist schuld am heftigen Brand?
Nördlinger soll ein Feuer verursacht haben und erhielt Bewährungsstrafe. Nach Berufung droht nun Schlimmeres
Nördlingen Als in einer Mainacht des vergangenen Jahres eine Küche in der Nördlinger Polizeigasse in Brand geraten war, hätte es ein ganz harmloser Fall sein können. Ein Bewohner, der aus Versehen eine Herdplatte angelassen hatte zum Beispiel, durch die darauf befindliche Gegenstände Feuer fingen. Im Laufe der Ermittlungen der Polizei zeigte sich aber, dass hinter dem Brand mehr stecken könnte als ein Unfall.
In der Verhandlung vor dem Nördlinger Amtsgericht im April wurde deutlich, warum bei den Ermittlern Zweifel aufkamen, und warum die Staatsanwaltschaft Anklage wegen schwerer Brandstiftung gegen den 71-Jährigen erhoben hat, der in der Wohnung lebte. Zwei Feuerwehrleute hatten ausgesagt, dass alle vier Herdplatten auf höchster Stufe eingeschaltet waren, als sie die brennende Küche betraten. Zuvor habe der Bewohner noch ver- sucht, die Feuerwehrleute in die Irre zu führen, indem er ihnen an der Wohnungstür erzählt habe, er habe das Feuer bereits unter Kontrolle gebracht und den Herd ausgeschaltet. Der Nördlinger wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Doch er nahm das Urteil nicht an und legte Berufung ein.
Deshalb befasste sich am Freitag die 14. Strafkammer des Augsburger Landgerichts mit dem Fall. Wie schon in erster Instanz gab der Angeklagte an, das Feuer nicht absichtlich entfacht zu haben. Der Brand sei „die Folge eines tragischen Unfalls“. Sein Verteidiger Klaus Walter bemängelte, dass die Kriminalpolizei bei den Ermittlungen nicht hinzugezogen worden sei, und dass ein technischer Defekt ebenfalls die Brandursache sein könnte. Auch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein – weil ihr die Strafe als zu milde erschien. Die erheblichen Folgen, der Brand hätte haben können – in dem Haus befinden sich noch fünf weitere Wohnungen und eine Begegnungsstätte für Senioren – sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Dass der Angeklagte die Feuerwehr an der Wohnungstür hätte aufhalten wollen, rechtfertige ebenfalls eine höhere Strafe.
So war es am Angeklagten, erneut von der Brandnacht zu berichten. Der erzählte zunächst von seinem Alkoholkonsum. Bis zu acht Bier trinke er am Abend, in jener Nacht seien es aber nur drei oder vier gewesen. Den Herd in seiner Küche habe er seit vier Jahren nicht benutzt, und auch am Tag der Geschehnisse will er ihn keinesfalls bewusst angeschaltet haben. Die einzige Möglichkeit sei, dass er den Herd versehentlich aktiviert habe, als er vom Küchenboden aufstand. Dort habe er plötzlich gelegen, nachdem er im Nebenzimmer zur Toilette gegangen sei, an einen Sturz könne er sich allerdings nicht erinnern. „Ich bin nicht gestolpert und war nicht ohnmächtig, da bin ich mir sicher“, sagte der 71-Jährige. Dass er beim Aufstehen am Herd alle vier Schalter versehentlich auf die maximale Stufe gedreht hat, bezeichnete er selbst als „völlig unmöglich“. Wie dies sonst passiert sein soll, könne er nicht erklären.
Die Vorsitzende Richterin Maiko Hartmann legte die vorläufige Einschätzung der Strafkammer dar. Es gebe zwei eindeutige Aussagen der Feuerwehrleute. Dass die Einsatzkräfte in diesem Fall falsche Aussagen machen würden, sei sehr unwahrscheinlich. Dass der Angeklagte versucht habe, den Herd auszuschalten und dabei die Knöpfe versehentlich überdreht habe – eine Variante, die von der Verteidigung in erster Instanz in Betracht gezogen wurde –, sei technisch nicht möglich, was der Angeklagte am Freitag selbst bestätigte. „Es ist nicht ersichtlich, wer den Herd sonst angemacht haben soll“, sagte die Vorsitdie zende. Wenn sich bestätige, dass der Angeklagte die Feuerwehr bei der Arbeit behindert habe, bewege man sich bei der Strafe in „ganz anderen Dimensionen“. Es bestehe die Möglichkeit, dass der Angeklagte mit einer schwereren Strafe rechnen müsse, sogar damit, dass er dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werde. Die Berufung des Angeklagten habe nach vorläufiger Einschätzung keine Chance. Die Richterin legte beiden Parteien nahe, ihre Berufung zurückzunehmen.
Staatsanwalt Benjamin Junghans hätte dem zähneknirschend zugestimmt, doch der Angeklagte entschied sich dagegen. Es gebe noch viel zu klären, bevor ein unbescholtener 71-Jähriger zum Täter gemacht wird, teilte sein Anwalt mit. Das Gericht ordnete eine psychologische Begutachtung des Angeklagten durch einen Sachverständigen an. Wann die Verhandlung fortgesetzt wird, ist noch offen.