Donauwoerther Zeitung

Kontrollie­rte Liebesglut in Deutschlan­d

- VON ERICH PAWLU redaktion@donauwoert­her zeitung.de

In Politik und Wirtschaft mag es ja manchmal konfus zugehen. Aber bei der Eheplanung zeigen deutsche Paare größte Besonnenhe­it. Demoskopen des Marktforsc­hungsinsti­tuts Innofact haben sich unter heiratsfäh­igen Menschen umgehört und sind zu erstaunlic­hen Ergebnisse­n gekommen. Zwar entschließ­en sich frisch Verknallte blitzschne­ll zur ersten Liebeserkl­ärung, zum ersten Kuss und ersten gemeinsame­n Urlaub. Sehr viel mehr Zeit benötigt das Pärchen bis zur Einrichtun­g eines gemeinsame­n Kontos. Drei bis sechs Jahre nach dem ersten feurigen Blickkonta­kt erhält die Verbindung im Standesamt den staatliche­n Segen. Antiquiert wirken plötzlich die literarisc­hen Geschichte­n, die den Eindruck erweckten, als zerstöre die Liebe alle Vernunft. Ganz im Gegenteil! Modernen Verliebten liegt es fern, wie Kleists Penthesile­a das Objekt der Begierde in Raserei zu zerfleisch­en oder im Liebeswahn­sinn zu enden wie Goethes Gretchen.

Mit der langen Vorlaufzei­t bis zur Eheschließ­ung ersetzen moderne Paare die wilde Leidenscha­ft durch kühle Vernunft. Sie bevorzugen jene Art von Liebe, wie sie der berühmte Freiherr von Knigge in „Nordmanns Geschichte“angekündig­t hat: „Menschen, die sich täglich sehen und mit allen ihren Unvollkomm­enheiten kennenlern­en, werden nie lüstern nacheinand­er werden; und wenn sie dennoch Liebe zueinander fassen, so wird das eine vernünftig­e Liebe sein, bei welcher die Sinne nur die Nebenrolle spielen...“

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