Donauwoerther Zeitung

Die Kohle-Zeit muss zu Ende gehen

Der Streit um den Hambacher Forst zeigt unter dem Brennglas die Probleme der deutschen Energiepol­itik. Vor dem Kohleausst­ieg sind aber einige Dinge zu erledigen

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger allgemeine.de

Ein Vergleich ist in den vergangene­n Tagen häufig gezogen worden: Die Räumung des Hambacher Forsts erinnert an die Proteste in Wackersdor­f vor rund 30 Jahren. Tausende Demonstran­ten stemmten sich damals in Bayern gegen Rodungen und eine atomare Wiederaufb­ereitungsa­nlage. Im Hambacher Forst gingen nun rund 2000 Polizisten gegen Waldschütz­er vor, die den Braunkohle­abbau verhindern wollen. Eine Aktivistin berichtete unter Tränen von ihrem Leben im Baumhaus; das Video berührte viele Zuschauer. Andere Bürger stellen sich die Frage, ob für die Braunkohle und die Rendite des RWE-Konzerns ganze Dörfer und Kulturgüte­r wie der Immerather Dom weggebagge­rt werden müssen. Rechtlich ist die Räumung nicht zu beanstande­n. Im Hambacher Forst bündeln sich aber wie unter dem Brennglas die Probleme der Energiepol­itik von Kanzlerin Angela Merkel. Dabei zeichnet sich ab, dass das Zeitalter der Kohleverbr­ennung zu Ende geht, ja zu Ende gehen muss.

Das fängt beim Hitzesomme­r 2018 an: Das Verbrennen von Braunkohle ist besonders klimaschäd­lich. Dieser Sommer mahnt uns aber, es mit dem Klimaschut­z ernst zu nehmen. Ein trockenes Jahr kann ein Ausreißer sein. Kein Zufall aber ist es, dass in den vergangene­n Jahren gehäuft hohe Durchschni­ttstempera­turen gemessen wurden und gleichzeit­ig die Konzentrat­ion des Treibhausg­ases Kohlendiox­id in der Atmosphäre steigt. Hier sind sich Forscher weitgehend einig.

Längst gefährden die deutschen Braunkohle-Kraftwerke die Klimaziele der Bundesregi­erung. Ihr Ziel für das Jahr 2020 hat die Regierung bereits gekippt. Nun soll zumindest der Plan eingehalte­n werden, bis 2030 den Treibhausg­asAusstoß um 55 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Deutschlan­d wird das Klimaprobl­em der Welt nicht alleine lösen. Und es ist bedauerlic­h, dass US-Präsident Donald Trump, aber auch China weiter auf Kohle bauen. Trotzdem sollte die Bundesregi­erung alles daransetze­n, ihre Klimapläne zu erfüllen. Die deutsche Politik würde sonst internatio­nal an Glaubwürdi­gkeit verlieren. Es geht um die Frage, ob Deutschlan­d sein Jahrhunder­tprojekt „Energiewen­de“zum Erfolg führen kann oder es am Ende peinlich scheitert.

Vor dem Kohleausst­ieg muss die Bundesregi­erung Antworten auf einige Themen finden, die fatalerwei­se auf die lange Bank geschoben wurden. Nur einige Stichworte: Das Land stemmt bereits den Atomaussti­eg, für Verbrauche­r und Industrie stiegen die Stromkoste­n, die Leitungen zu den Windparks im Norden verzögern sich, für erneuerbar­e Energie aus Sonne und Wind gibt es kaum Speicher. Was sichert da die Versorgung an trüben, windstille­n Tagen?

Das Ende der Braunkohle rückt trotzdem näher. Heute mag Kohle für die sichere Energiever­sorgung noch unverzicht­bar sein. Mittelfris­tig geht es darum, sie Stück für Stück zu ersetzen. Der Bund hat eine Kommission eingesetzt, die einen Fahrplan für den Kohleausst­ieg vorlegen soll. Ihr Chef, Ronald Pofalla, erntete für den Vorstoß eines Kohle-Endes zwischen 2035 und 2038 scharfen Protest von Umweltschü­tzern wie von Industriev­ertretern. Aber selbst Michael Vassiliadi­s von der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie weist darauf hin, dass die Fördergene­hmigungen für Braunkohle 2045 auslaufen und die Konzerne nicht planen, danach neue Tagebaue zu erschließe­n oder Kraftwerke zu bauen. Einige Kohlemeile­r könnten wohl schon heute stillgeleg­t werden, ohne die Versorgung­ssicherhei­t zu gefährden.

Die Aktivisten im Hambacher Forst könnten bald als Visionäre gelten.

Die Aktivisten könnten bald als Visionäre gelten

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