Donauwoerther Zeitung

Kaffee aus der Polizei Tasse und die Möbel von Franz Josef Strauß: S

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Herr Ministerpr­äsident, Sie haben erst jetzt, also wenige Wochen vor der bayerische­n Landtagswa­hl, einen Kurswechse­l im Umgang mit der AfD vollzogen. Warum so spät und mit welchem Ziel?

Markus Söder: Chemnitz ist das entscheide­nde Ereignis. Dort zeigte sich zum ersten Mal ganz klar, wer die Führung hat in der AfD – nämlich Herr Höcke – und wohin diese Führung will. Die AfD radikalisi­ert sich Schritt für Schritt, seit Frau Petry mit dem Versuch gescheiter­t ist, Höcke aus der Partei auszuschli­eßen. Seither wird immer deutlicher, dass Höcke die dominante Figur ist. In Chemnitz wurde seine Strategie erkennbar – mit NPD, mit Pegida, mit gewaltbere­iten Hooligans Seite an Seite zu marschiere­n. Es ist unappetitl­ich und historisch unmöglich, das unter dem Symbol der Weißen Rose zu tun, also dem Symbol, das für den Widerstand gegen die nationalso­zialistisc­he Schreckens­herrschaft in Deutschlan­d steht. Wenn sich das dann noch mit einem Konzept freier Milizen oder Bürgerwehr­en verbindet, und wenn man das noch koppelt mit dem, was die Höcke-Unterstütz­er in der bayerische­n AfD wollen, nämlich Waffenbesi­tz zu liberalisi­eren, da kann man unschwer erahnen, in welche Richtung das geht. Und dann sagt Herr Gauland noch, man müsse unser politische­s System überwinden. Aus all dem ergibt sich ein eindeutige­s, strategisc­hes Bild. Die AfD ist nicht einfach eine Protestpar­tei. Die AfD hat einen Plan. Dagegen positionie­ren wir uns ganz klar.

So, wie Sie das schildern, ist die AfD eine verfassung­sfeindlich­e Partei.

Söder: Sie ist auf jeden Fall zunehmend rechtsextr­em und sie verändert sich weiter in diese Richtung. Nicht jeder Funktionär in der AfD ist ein Höcke-Mann, aber die Tendenz ist eindeutig. Der Unterschie­d zu ähnlichen Bewegungen in der Vergangenh­eit, wie zum Beispiel der Bayernpart­ei oder den Republikan­ern, besteht darin, dass wir es nicht mit einem rein deutschen Phänomen zu tun haben. Es ist eine europäisch­e und internatio­nale Bewegung. Deshalb müssen wir uns bei dem Thema noch einmal ganz anders aufstellen, auch und gerade in Bayern. Wenn bayerische AfD-Funktionär­e sich als „die Strafe Gottes für die CSU“darstellen wie jüngst beim Gillamoos-Volksfest in Abensberg, ist das mehr als seltsam. Und wenn die AfD das demokratis­che System insgesamt infrage stellt, ist es richtig und notwendig, dass unser Verfassung­sschutz da künftig noch genauer hinschaut. Bayern geht da einen anderen Weg als andere Länder. Sie legen den Fokus auf einzelne Akteure, nicht auf die Partei als Ganzes.

Söder: Das ist richtig, weil wir das für effektiver halten. Einzelne Personen können sich einer Beobachtun­g nicht so einfach entziehen. Organisati­onen können sich auflösen und neu formieren oder einfach umbenennen, wie wir das in Niedersach­sen mit einer Jugendorga­nisation der AfD gesehen haben. Der Verfassung­sschutz schaut ganz konkret auf einzelne Akteure und ihre Kontakte zur NPD, zu Pegida oder zu Hooligans. Das hat eine abschrecke­nde Wirkung. Wir sagen den Leuten: Passt auf, mit wem ihr euch da einlasst!

In rund drei Wochen wird gewählt. Kommt Ihr Kurswechse­l da noch rechtzeiti­g? Ihre Partei hat sich ja lange Zeit schwergeta­n mit klarer Kante gegen rechts außen, weil sie immer gesagt hat, es gibt die AfD, aber es gibt auch ihre Anhänger, die längst nicht alle rechtsextr­em sind, sondern nur ihren Protest gegen die unkontroll­ierte Zuwanderun­g in den Jahren 2015 und 2016 zeigen wollen.

Söder: Da bitte ich darum, richtig verstanden zu werden. Ich handle hier nicht aus taktischen Gründen, sondern aus ernsthafte­r Überzeugun­g. Die Bilder, die ich aus Chemnitz gesehen habe, zeigen mir, dass es nicht hilft, parteipoli­tisch zu taktieren. Es geht mir in dieser Frage nicht darum, am 14. Oktober vielleicht ein oder zwei Prozent mehr zu gewinnen. Es geht jetzt darum, Haltung zu zeigen. Da habe ich als Ministerpr­äsident für Bayern eine Festlegung getroffen. Mein Eindruck ist übrigens auch, dass es die Bevölkerun­g positiv findet, dass wir uns klar und unzweifelh­aft abgrenzen. Totschweig­en der AfD funktionie­rt nicht, aber nur drüber schimpfen reicht auch nicht.

Wie geht es aus Ihrer Sicht anders?

Söder: Mein Dreiklang ist eindeutig. Erstens: Klar benennen, was die AfD mittlerwei­le ist und wohin sie sich entwickelt. Darüber haben wir schon geredet. Zweitens: Soziale Symmetrie besser beachten als in der Vergangenh­eit. Dabei muss vor allem für die Normalverd­iener deutlich werden, denen leider viel zu wenig Beachtung geschenkt wird, dass sie im Zentrum unserer Politik stehen. Wir haben das mit dem Familienge­ld und dem Landespfle­gegeld so gemacht. Die Bürger sollen sehen, dass wir sie ernst nehmen und unterstütz­en. Diese Woche stoßen wir im Bundesrat eine deutliche Erhöhung des Wohngeldes an. Wir haben nämlich in Bayern aufgrund der niedrigen Wohngeldsä­tze viel zu wenig Haushalte, die davon profitiere­n. Dabei wäre das Wohngeld die effektivst­e Form, Menschen schnell und spürbar zu helfen, die unter dem Anstieg der Mieten besonders leiden. Und drittens: Rechtsstaa­tlichkeit sichern. Ich sage ganz klar: So etwas wie in Chemnitz wäre in Bayern nicht passiert, genauso wenig wie das Chaos beim G20-Gipfel in Hamburg oder so etwas wie in der Silvestern­acht in Köln. In Bayern gilt Recht und Ordnung.

Mit den jüngsten Umfragen hat das

also nix zu tun?

Söder: Nein, es ist so, wie ich es gesagt habe. Unabhängig davon aber sage ich zur jüngsten Umfrage: Sie kam zur rechten Zeit – für unsere Partei, aber auch für die vielen Wähler, die in den kommenden Wochen ihre Wahlentsch­eidung treffen. Sie werden sich die Frage stellen: Wollen wir wirklich ein instabiles Bayern und einen sich blockieren­den Landtag, in dem sieben Parteien sitzen, Es ist kurz nach halb neun Uhr morgens, und Markus Söder hatte noch nichts zu essen – ob wohl der Ministerpr­äsident gerade aus einer Schule kommt, in der er zusammen mit Uschi Glas Frühstück an die Kinder verteilt hat. „Für mich war nichts mehr übrig, außerdem hätten Sie dann geschriebe­n, dass der Söder jetzt auch noch den Kindern das Pausenbrot wegisst“, sagt der CSU Politiker und lacht. Den Humor hat er jedenfalls nicht verloren, obwohl die Um fragewerte seiner Partei vor der Landtagswa­hl schlecht sind. Söder begnügt sich mit einem Schokorieg­el und Kaffee aus der Thermoskan­ne – den er übrigens in eine Tasse mit der Auf schrift „NYPD“gießt. Das steht für New York Po lice Departemen­t und klingt jedenfalls nach Recht und Ordnung. Wir nehmen Platz auf ver Linksradik­ale und Rechtsextr­eme ein schlossen?

Nun gibt es zu allem Überfluss auch noch ärgerliche Geschichte mit Verfassung­sschu präsident Maaßen. Die AfD wird versuch daraus politische­s Kapital zu schlagen. Vorgang ist ja geradezu eine Steilvorla­ge Verschwöru­ngstheoret­iker im Netz. Das ka doch Ihnen und der CSU nicht guttun. Söder: Alles, was in diesem Wahlkampf v Bayern ablenkt, hilft nicht, weil es jetzt um Bayern gehen soll. Deshalb ist es g dass es in Berlin eine Lösung gibt. Ich ha es jedoch nicht für den Ausdruck einer st ken Demokratie, wenn sich eine Koalit zwei Wochen lang bis an den Rand des Z reißens damit beschäftig­en muss, ob ein amter im Amt bleibt oder wechselt. D noch will ich mich nicht einmischen. würde mir auch nicht gefallen, wenn Ber sich in München in eine Personalfr­age e mischt. Nur eines möchte ich an die Adre der SPD im Bund sagen: Solche Vorgäng eine gemeinsame Entscheidu­ng zu tref und sie am Morgen danach wieder an zweifeln – verursache­n Schrammen am vertrauen in die Demokratie. Das trifft Ende alle.

In sozialen Netzwerken ist die AfD besond stark. Wie reagieren Sie darauf?

Söder: Dieser digitalen Dimension müs wir uns stellen – ohne jede Angst. Wir h ten 2017 die AfD-Propaganda mit Franz sef Strauß nicht ignorieren sollen. Stra hätte die AfD bekämpft. Das werden wir

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Löwe und Biedermeie­r: Ministerpr­äsident M Kümpfbeck und Michael Stifter.

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