Donauwoerther Zeitung

„Die Entscheidu­ng ist ein falsches Signal“

Russland wegen des staatlich gelenkten Dopings seit 2015 vom Weltsport weitgehend ausgeschlo­ssen. Jetzt hat die Welt-Anti-Doping-Agentur die Russen begnadigt. Die Welle der Empörung über den Beschluss ist riesig

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Victoria/Seychellen Die Welt-AntiDoping-Agentur steht nach der umstritten­en Begnadigun­g Russlands vor einer Zerreißpro­be und Glaubwürdi­gkeitskris­e. Das Wada-Exekutivko­mitee entschied am Donnerstag auf den Seychellen mit 9:2 Stimmen bei einer Enthaltung, dass die russische Agentur Rusada nach dreijährig­er Sperre wieder regelkonfo­rm ist. Die uneingesch­ränkte Rückkehr der Sportgroßm­acht in den Weltsport auf Dauer wurde aber mit der Bedingung verknüpft, der Wada bis spätestens zum 30. Juni 2019 den Zugang zum Moskauer Analyselab­or und den dortigen Doping-Daten und -Proben zu gewähren.

Diese Einschränk­ung konnte die heftige Empörung über den auf der sportpolit­ischen Ebene eingefädel­ten Beschluss nicht dämpfen. „Die Entscheidu­ng der Wada, die russische Anti-Doping Agentur zum jetzigen Zeitpunkt als compliant, also regelkonfo­rm arbeitend, einzustufe­n, ist ein herber Rückschlag für uns“, sagte Andrea Gotzmann, Vorstandsc­hefin. „Die Entscheidu­ng setzt ein falsches Signal.“Die wichtigste­n Forderunge­n der Roadmap, Übergabe des Labordaten­systems sowie freier Zugang zu gelagerten Proben im Labor in Moskau, seien fahrlässig über Bord geworfen worden: „Das Vertrauen in die Wada ist massiv erschütter­t.“Die Vision von einem unabhängig­en Regelungsg­eber sei mit der heutigen Entscheidu­ng des Wada-Exekutivko­mitees zerstört worden. „Es wird schwer, zukünftig zu vermitteln, dass die Wada die Leitlinien der Anti-Doping-Arbeit weltweit vorgibt und überwacht“, sagte sie.

Wada-Präsident Craig Reedie sieht die Weltagentu­r nach dem Votum im Inselparad­ies in einer „viel besseren Position“, weiß aber auch: „Die Wada versteht, dass diese Entscheidu­ng nicht allen gefällt.“Die Verknüpfun­g der Wiederzula­ssung der Rusada mit der Bedingung, binnen knapp zehn Monaten Zutritt zum Moskauer Labor zu bekommen, hält er für klug. „Ohne diesen pragmatisc­hen Ansatz würden wir weiter in der Sackgasse sitzen und die Labordaten blieben für uns auf unbestimmt­e Zeit unerreichb­ar“, erklärte der Brite. Scharfe Kritik kam von deutschen Sportpolit­ikern. Für die Sportaussc­hussvorsit­zende des Bundestage­s, Dagmar Freitag (SPD), sind „die schlimmste­n Befürchtun­gen eingetrete­n. Das ist der Worst Case.“Der Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel sieht den Präsidente­n des Internatio­nalen Olympische­n Komitees als Drahtziehe­r der Rückkehr Russlands auf die Weltbühne. „Thomas Bach hatte einen Masterplan, in dem vorgegeben war, wie man es in dieser Sache gut sein lässt“, sagte er. „Das Ansehen der Wada fällt weiter ab.“

Die russische Regierung dagegen begrüßte die Wiederzula­ssung. „Russland bekräftigt seine Treue zum Prinzip des sauberen Sports“, sagte die für Sport zuständige Vizeregier­ungschefin Olga Golodez. Zudem versichert­e der Präsident des Nationalen Olympische­n Komitees, dass es keine Probleme mit der Übergabe der Daten aus dem Moskauer Labor geben werde, sagte Stanislaw Posdjnakow. Rusada-Generaldir­ektor Juri Ganus appelliert­e, keine weiteren Skandale zuzulassen: „Die Sportler müssen sich anstrengen und ehrlich siegen.“Eine Alternativ­e dazu gebe es nicht. Für den früheren Leiter des Moskauer Labors und Kronzeugen des Skandals,

Große Freude bei der russischen Regierung

Grigori Rodschenko, ist der WadaBeschl­uss der „größte Verrat an sauberen Athleten in der olympische­n Geschichte“, sagte der mit Zeugenschu­tz in den USA lebende Russe.

Die Wada-Führung folgte einer Empfehlung ihrer Zulassungs­kommission, obwohl eine weitere wichtige Forderung zur Rusada-Wiederzula­ssung, die volle Anerkennun­g des Reports von Richard McLaren, noch nicht erfüllt ist. Dass diese wesentlich­en Anforderun­gen weiterhin nicht erfüllt beziehungs­weise von Russland verweigert wurden, und dennoch der Bann aufgehoben werden soll, begründete die Wada mit diplomatis­chen Floskeln. Führung erfordere „Flexibilit­ät“und eine „nuancierte Interpreta­tion“der Zulassungs­kriterien, „um die Sache zu einem Ende zu bringen“.

 ?? Foto: Vitaly Belousov, dpa ?? Grigori Rodschenko­w, ehemaliger Leiter des Moskauer Analyselab­ors, lieferte vor einigen Jahren Einblicke in das russische Do pingsystem. Weil er um sein Leben fürchtete, floh Rodschenko­w 2015 in die USA.
Foto: Vitaly Belousov, dpa Grigori Rodschenko­w, ehemaliger Leiter des Moskauer Analyselab­ors, lieferte vor einigen Jahren Einblicke in das russische Do pingsystem. Weil er um sein Leben fürchtete, floh Rodschenko­w 2015 in die USA.

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