Donauwoerther Zeitung

Merkel will Fall Maaßen neu verhandeln

SPD-Chefin Nahles schreibt Brief an Union: „Wir haben uns alle drei geirrt.“Auch Seehofer ist gesprächsb­ereit. Noch am Wochenende soll es eine Lösung geben

- VON BERNHARD JUNGINGER UND MICHAEL CZYGAN

München/Würzburg Überrasche­nde Volte im Fall Maaßen. Die Spitzen der Großen Koalition wollen ihre Entscheidu­ng über die Zukunft des umstritten­en Verfassung­sschutzprä­sidenten Hans-Georg Maaßen noch einmal überdenken. Man wolle die Sache „neu bewerten“und „im Laufe des Wochenende­s eine gemeinsame, tragfähige Lösung“finden, sagte Kanzlerin Angela Merkel am Freitagabe­nd in München. Der Anstoß dafür kam von Andrea Nahles. Die SPD-Chefin hatte einen Brief an die Vorsitzend­en der Unionspart­eien geschriebe­n und um neue Gespräche gebeten. „Wir haben uns alle drei geirrt“, sagte Nahles am Freitag in Würzburg. Die Entscheidu­ng von Merkel, CSUChef Horst Seehofer und ihr selbst, Maaßen aus dem Bundesamt für Verfassung­sschutz abzuberufe­n und ihn stattdesse­n als Staatssekr­etär in Seehofers Innenminis­terium zu befördern, sei in der Bevölkerun­g auf breites Unverständ­nis gestoßen. „Wir haben nicht Vertrauen ge- schaffen“, sagte Nahles, „wir haben Vertrauen verloren.“

Sie sei „der Auffassung, dass die Spitzen der Koalition noch einmal zusammenko­mmen sollten, um die gewichtige­n, aber sehr unterschie­dlichen Anliegen der Koalitions­partner zu beraten“, schrieb Nahles in ihrem Brief. Sie hatte zwar erfolgreic­h auf Maaßens Absetzung gedrungen, dessen Eignung im Kampf gegen Rechtsextr­emismus nicht nur von der SPD bezweifelt wurde. Seehofer dagegen, der anders als Merkel und Nahles Maaßen stützte, will auf Maaßens Expertise im Kampf gegen den Terrorismu­s nicht verzichten. Mit seiner Entscheidu­ng, ihn als Staatssekr­etär in sein Haus zu holen, brachte der CSU-Chef die SPD in schwere Turbulenze­n – es gab an der Basis sogar Forderunge­n, die Große Koalition zu beenden. Maaßen war wegen seiner Äußerungen zu den Vorgängen in Chemnitz in die Kritik geraten. Er hatte die Echtheit eines Videos mit Angriffen auf Ausländer in Zweifel gezogen und bestritten, dass es dort Hetzjagden gab.

Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion, Georg Nüßlein, warf Nahles vor, sie habe „ein Konjunktur­programm für die AfD“aufgelegt. „Der SPD ist anscheinen­d jedes Gespür dafür verloren gegangen, was die Menschen wirklich bewegt“, sagte der CSU-Abgeordnet­e. Nahles folge den Parolen ihres linken Parteiflüg­els und nehme für ihre „bizarre Politik“die ganze Koalition in Sippenhaft. CDU-Vize Thomas Strobl forderte ein Ende von „Machtspiel­en“und „Selbstbesc­häftigung“in der Großen Koalition. Parteichef­in Merkel erklärte sich allerdings zu Neuverhand­lungen bereit. „Die Bundeskanz­lerin findet es richtig und angebracht, die anstehende­n Fragen erneut zu bewerten und eine gemeinsame tragfähige Lösung zu finden“, teilte Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Freitag mit. Auch Seehofer zeigte sich offen für erneute Gespräche. Sie machten Sinn, wenn eine konsensual­e Lösung möglich sei. „Darüber wird jetzt nachgedach­t.“

Zuvor hatten Merkel, Seehofer und Nahles bereits miteinande­r telefonier­t. Vor dem Hintergrun­d der anstehende­n Sitzungen der Parteigrem­ien am Montag wüssten alle, worum es gehe, hieß es in der Koalition. Mit den Chaostagen in der Koalition beschäftig­t sich auch Rudi Wais im Kommentar. Unter welchem Druck Seehofer steht, erklärt Michael Pohl in der Politik.

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