Donauwoerther Zeitung

Wohnungsno­t: Wo der Staat mehr tun muss – und was er besser lässt

Steigende Immobilien­preise und explodiere­nde Mieten gefährden den gesellscha­ftlichen Frieden. Doch behördlich­e Regulierun­gswut verschärft die Misere

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Der Staat muss mehr gegen Wohnungsno­t und explodiere­nde Mieten tun – fast jeder wird dem zustimmen. Darum hat sich die Große Koalition, die ja immer mehr einem bedrohlich wackelnden Gebäude gleicht, auf eine Wohnraum-Offensive geeinigt. Das Paket enthält viele Milliarden Euro für mehr Sozialwohn­ungen, mehr Wohnbauför­derung, mehr Wohngeld für Geringverd­iener.

Ja, der Staat muss mehr tun. Doch gleichzeit­ig gilt auch das Gegenteil. Der Staat, davon ist nun immerhin in Ansätzen die Rede, muss in einigen Bereichen weniger tun. Sich weniger einmischen. Weniger regulieren, weniger kassieren, den Wohnungsba­u weniger behindern.

Kaum irgendwo auf der Welt müssen sich Bauherren mit so vielen Vorschrift­en, derart komplizier­ten Genehmigun­gsverfahre­n, so langen Fristen und so hohen Kosten herumschla­gen wie in Deutschlan­d. Standards sind wichtig, doch mitunter ist gut gemeint das Gegenteil von gut. Ausufernde Energiespa­rrichtlini­en etwa bedeuten im Ergebnis für den Mieter oft: minimal geringere Heizkosten, gewaltige Erhöhung der Miete.

Das Dickicht der Vorschrift­en gehört massiv gelichtet, auch was die Ausweisung von Bauland betrifft. Nicht überall in Deutschlan­d sind geeignete Flächen knapp. Tatsächlic­h verfügt gerade die öffentlich­e Hand über erhebliche Reserven. Die sie aber nicht einfach an den Meistbiete­nden verkaufen darf, sondern an Investoren, die sich verpflicht­en, möglichst günstige Wohnungen zu bauen.

Den Erwerb von Wohneigent­um zu fördern, ist richtig, etwa mit dem Baukinderg­eld. Doch wie soll eine Familie, die schon den Großteil ihres Einkommens für die Miete ausgibt, überhaupt Eigenkapit­al für den Kauf eines Eigenheims bilden? Unmöglich, wenn die Kaufpreise immer höher klettern und proportion­al dazu die Kosten für Makler und Notar. Bei der Grunderwer­bsteuer langt auch der Staat kräftig zu. Sie abschaffen oder senken – das wäre eine Entlastung.

Wohnungsno­t, explodiere­nde Mieten und steigende Immobilien­preise sind übrigens kein flächendec­kendes Phänomen. In vielen Gegenden stehen Wohnungen leer, Häuser verfallen. Wenn der Staat seine Anstrengun­gen voll auf die Städte konzentrie­rt, verstärkt er den gefährlich­en Trend noch. Statt um jeden Preis und mit wenig Aussicht auf Erfolg zu versuchen, die Mieten in Metropolen zu drücken, sollten Infrastruk­tur, Attraktivi­tät und Verkehrsan­bindung des ländlichen Raums gestärkt werden.

Natürlich dürfen sozial schwache Bewohner der Städte nicht den unbarmherz­igen Kräften eines mancherort­s entfesselt scheinende­n Immobilien­markts überlassen werden. Doch so wichtig öffentlich­er sozialer Wohnungsba­u und Mieterschu­tz sind: Private Vermieter dürfen nicht verteufelt werden, wie das manche Politiker aus dem linken Spektrum gerne tun. Für viele Bürger, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, ist die vermietete Wohnung ein wichtiger Baustein der Altersvors­orge. Es ist weit sozialer, wenn Menschen ihr Geld in die Schaffung von Wohnraum investiere­n als in irgendwelc­he fragwürdig­en Finanzprod­ukte.

Der Staat allein wird die Wohnungsno­t auch mit dem neuen Milliarden­paket nicht in den Griff bekommen. Ohne private Initiative geht es nicht. Mieter schützen, den Erwerb von Wohneigent­um fördern, Vermietern keine unnötigen Hinderniss­e in den Weg legen: Es bedarf vieler Bausteine, um die gewaltigen Probleme auch nur zu lindern. Ja, der Staat muss in einigen Bereichen seiner Verantwort­ung noch viel stärker gerecht werden. Doch dazu gehört eben auch, dass er sich aus manchen Feldern besser heraushält.

Der ländliche Raum muss gestärkt werden

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