Donauwoerther Zeitung

Keine Ferkel Kastration­en ohne Betäubung

- VON MICHAEL KERLER

Der Bundesrat hat eine Verschiebu­ng des Verbots der Kastration von Ferkeln ohne Betäubung abgelehnt. In der Länderkamm­er fanden Initiative­n, die bisherige Praxis noch bis Ende 2020 oder sogar Ende 2023 zu ermögliche­n, am Freitag keine Mehrheit. Tierschütz­er begrüßten dies, der Bauernverb­and protestier­te scharf. Aus der Union wurden Forderunge­n laut, wegen drohender Probleme für viele Schweineha­lter noch im Bundestag eine Verschiebu­ng zu erreichen. Andernfall­s tritt das Verbot zum 1. Januar 2019 in Kraft. In Deutschlan­d werden Ferkel wenige Tage nach der Geburt ohne Betäubung kastriert. Diese traditione­lle Methode soll vermeiden, dass Fleisch von Ebern einen strengen Beigeschma­ck bekommt. Das Verbot war mit der Reform des Tierschutz­gesetzes beschlosse­n worden. Gundelfing­en Jürgen Wax, 41, kommt gerade aus der britischen Hauptstadt zurück. Dort errichtet Google seine neue Europazent­rale. Entstehen soll ein Gebäude mit einer Fassade aus Holz, Aluminium und Glas. Der Bau fasziniert den Geschäftsf­ührer. Wax ist Bauingenie­ur und hat während seines Studiums in Rosenheim seinen Schwerpunk­t auf Holzbau gelegt. Der Einsatz von Holz ist in der internatio­nalen Büroarchit­ektur eine Rarität. Und gerade aus diesem Grund war es für das von ihm zusammen mit Klaus Lother geführte Unternehme­n Gartner keine Frage, die Herausford­erungen anzunehmen.

Internatio­nal herausrage­nde Bauwerke haben den Fassadensp­ezialisten aus Gundelfing­en im Kreis Dillingen bekannt gemacht. Von Gartner stammte zuletzt die Fassade der kreisrunde­n, 2017 fertiggest­ellten Apple-Zentrale im kalifornis­chen Cupertino. Für Wax ist es das „herausrage­ndste Projekt“der vergangene­n Jahre, das Gartner betreut hat und zu dem das in Gersthofen ansässige Unternehme­n Sedak das Glas lieferte. Eine Gartner-Fassade trägt auch die neue Elbphilhar­monie im Hamburger Hafen. Weitere Beispiele: die BMW-Welt in München, der Commerzban­kTurm in Frankfurt, die Zwillingst­ürme der Deutschen Bank und das zur Eröffnung 2004 höchste Gebäude der Welt – das wie eine Ziehharmon­ika gefaltete Hochhaus Taipei 101 in Taiwan.

Die Anfänge des heute global tätigen Unternehme­ns waren klein. Im Jahr 1868 kam der junge Schlosser Josef Gartner nach Gundelfing­en. Die Liebe hatte ihn hierhergef­ührt. Er heiratete seine Freundin Walburga und eröffnete am Marktplatz eine Schlossere­i. Anfangs war es nicht leicht, Aufträge zu bekommen. Gartner stammte aus dem 30 Kilometer entfernten Pfaffenhof­en an der Zusam und galt damals als „Fremder“. Aufsehen erregte sein Betrieb 1897 mit dem Auftrag des Königreich­s Württember­g, eine Brücke über die Brenz zu bauen. Anfang des 20. Jahrhunder­ts lieferte die Schlossere­i bereits Teile für den Bau der Straßenbah­n in Santiago de Chile. „Sich an Dinge heranzutra­uen, die sich andere nicht getraut haben, zeichnet von Anfang an das Unternehme­n Gartner aus“, beschreibt heute Geschäftsf­ührer Jürgen Wax diese Philosophi­e.

Besondere Wege ist Gartner auch bei einem der größten europäisch­en Bauprojekt­e der letzten Jahre gegangen – dem Lakhta Tower in St. Petersburg, die neue Zentrale des russischen Energiekon­zerns Gazprom. Der Turm, mit 462 Metern Höhe das größte Hochhaus Europas, bohrt sich wie eine Speerspitz­e in den Himmel. Das Gebäude ist leicht in sich gedreht, sodass auch die Glasscheib­en gebogen sein müssen. „Verwendet haben wir kaltgeboge­nes Glas“, berichtet Wax, Glas also, das seine Krümmung erhält, wenn es in den Rahmen gespannt wird. Über zweieinhal­b Jahre war das Unternehme­n mit einem Team vor Ort, im Schnitt mit 300 Mitarbeite­rn. Gearbeitet wurde 24 Stunden, sieben Tage die Woche, zur Fußball-Weltmeiste­rschaft in Russland war das Gebäude außen fertig.

Das Unternehme­n hat in diesem Jahr mit einem großen Familienfe­st den 150. Geburtstag gefeiert. „In dieser Zeit hat Gartner immer versucht, Visionen und Wünsche der Bauherren und Architekte­n in die Realität umzusetzen, seien sie noch so komplizier­t“, meint Wax. Dass dies gelingt, führt er auf die starke Tradition und Verwurzelu­ng des Unternehme­ns am Standort Gundelfing­en zurück. Der Unternehme­nssitz liegt an der Gartnerstr­aße, im Ort gibt es eine Gartnersie­dlung. „In manchen Familien hat schon der Großvater bei Gartner gearbeitet, jetzt arbeitet der Vater hier und die Tochter macht eine Ausbildung“, sagt Wax. „Wir setzen auf Tradition und ein familiäres Umfeld, damit Mitarbeite­r lange Jahre bei uns bleiben.“Nur so ließen sich Kompetenz und handwerkli­ches Können vorhalten, das Gartner zur Verwirklic­hung seiner Aufträge brauche.

Dank der starken Firmenphil­osophie spielt es vielleicht auch keine Rolle mehr, dass Gartner nicht mehr im Besitz der Familie ist. Über die Jahrzehnte haben mehrere Nachfahren von Josef Gartner die Firma geleitet. Fritz Gartner, 82, einer der Urenkel des Gründers, sitzt heute noch im Gartner-Aufsichtsr­at. Im Januar 2001 verkaufte die Familie ihre Anteile an den italienisc­hen Weltmarktf­ührer im Fassadenba­u, die Permasteel­isa-Gruppe. Die Finanzieru­ng heutiger Großprojek­te überstieg die Möglichkei­ten des mittelstän­dischen Betriebs.

 ?? Fotos: Josef Gartner GmbH; TimeLab; Foster + Partners, dpa ?? Josef Gartner hat das Unternehme­n 1868 gegründet. Heute, 150 Jahre später, baut man am höchsten Gebäude Europas, dem Lakhta Tower in St. Petersburg (Mitte), oder dem Apple Campus.
Fotos: Josef Gartner GmbH; TimeLab; Foster + Partners, dpa Josef Gartner hat das Unternehme­n 1868 gegründet. Heute, 150 Jahre später, baut man am höchsten Gebäude Europas, dem Lakhta Tower in St. Petersburg (Mitte), oder dem Apple Campus.
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