Donauwoerther Zeitung

„Ich kann immer öfter nicht mehr ernst bleiben“

Bruno Jonas regt sich mächtig auf – über Erbhöfe in der Politik, über die Verrohung der Sprache und über die fatale Lust, anderen Schaden zuzufügen. Der Kabarettis­t hat gerade ein Buch über das Jenseits geschriebe­n. Im Diesseits aber kommt er ohne Ironie

- Die haben keinen. Fotos: Ulrich Wagner

Herr Jonas, wir haben schon immer gewusst, dass Sie ein kluger Mensch sind, aber offenbar sind Sie noch viel schlauer als gedacht. Ich habe festgestel­lt, dass in den Buchhandlu­ngen Ihr neues Buch „Gebrauchsa­nweisung für das Jenseits“in der Abteilung „Religion und Philosophi­e“steht, direkt neben Papst Franziskus und Pater Anselm Grün. Können Sie uns, quasi jenseits von Gut und Böse, mal erklären, was in Bayern politisch eigentlich los ist? Die CSU ist schwach, die anderen sind noch viel schwächer. Aber uns geht es gut. Das versteht doch kein Mensch. Bruno Jonas: Bayern ist ja angeblich das Paradies, oder zumindest die Vorstufe dazu. Und wenn man von diesem Idealgedan­ken, dem paradiesis­chen Zustand, ausgeht, können wir darunter vielleicht nachschaue­n, wie weit das Ideal in Bayern schon verwirklic­ht ist. Das könnten wir probieren. Aber ob ich das mit dieser Schlauheit, die Sie mir gerade unterstell­t haben, hinbekomme, weiß ich nicht – ich hab ja eine Gebrauchsa­nweisung fürs Jenseits geschriebe­n und nicht fürs Hier und Jetzt – da brauche ich vielleicht doch Hilfe von Ihnen.

Nix da. Sie sind der Philosoph. Ich stehe nicht neben dem Papst im Bücherrega­l. Vielleicht beginnen wir mit den Begriffen. Sind Paradies und Jenseits identisch?

Jonas: Nein, da muss man differenzi­eren – je nachdem, welchen Religionsa­nbieter man zurate zieht. Am besten erforscht ist, davon bin ich überzeugt, das katholisch­e Paradies. Darüber hat auch unser pensionier­ter Papst Ratzinger geschriebe­n und verkündet, wie es dort ausschaut. In Bayern ist das katholisch­e Paradies natürlich identisch mit dem Paradies, das die CSU in Bayern ausgegeben hat.

Genau das ist meine Frage. Die Verhältnis­se sind ja nicht einmal mehr für die CSU paradiesis­ch, wenn man die Umfragen anschaut. 38, 37 oder 35 Prozent – was ist da passiert?

Jonas: Da ist gar nicht so viel passiert. Franz Josef Strauß hat gesagt, es darf rechts von der CSU keine demokratis­ch legitimier­te Partei geben. Wenn wir von diesem Diktum ausgehen und uns die Wählerscha­ft der CSU anschauen, dann stellen wir fest, dass die Wähler, die jetzt die AfD wählen wollen, die CSU wählen würden, wenn es die AfD nicht gäbe. Und wenn Sie dann noch die Freien Wähler, die ja auch irgendwie CSU sind, und Teile der FDP und der Grünen dazu nehmen, dann sind Sie wieder bei den rund 60 Prozent, die die CSU mal hatte.

In der Strategiea­bteilung der CSU würde man Ihnen jetzt heftig widersprec­hen. Dort wird behauptet, dass ein Drittel der AfD-Wähler rechtsradi­kal sei, ein Drittel Wutbürger, die mit dem politische­n Establishm­ent abgeschlos­sen haben, und nur ein Drittel abtrünnige CSU-Wähler, die man irgendwie zurückgewi­nnen könnte. Jonas: Nach dieser Rechnung könnte man aber zumindest zwei Drittel der AfD-Wähler wieder zurückgewi­nnen, die Wutbürger und die Enttäuscht­en. Dafür müsste die CSU dann aber auch kämpfen. Und ich mag hier auch nicht den Wahlkampfb­erater geben. Aber es ist einfach eine Tatsache, dass es Unzufriede­nheit gibt mit den Parteien, die bisher regiert haben. Sie haben zu einem Teil ihrer Wähler die Bindung verloren. Sie bekommen die Unzufriede­nen parteipoli­tisch nicht mehr zu fassen.

Wie ist das eigentlich aus der Perspektiv­e eines Kabarettis­ten? Die Kabarettis­ten in Bayern sind ja von der CSU immer ganz gut versorgt worden mit Typen wie Strauß und Stoiber. Wie ist das jetzt? Hat die Schwäche der CSU vielleicht auch damit zu tun, dass der Söder kabarettis­tisch nix mehr hergibt?

Jonas: Für mich verhält er sich wie ein ganz normaler Politiker, der eine Wahl gewinnen möchte.

Geht’s ein bisserl konkreter? Jonas: War doch eine super Idee mit dem Kreuzerlas­s. In den Medien war er präsent, er hat die öffentlich­e Diskussion bestimmt. Er hat das Thema gesetzt. Vielleicht hätte er sich allerdings vorher noch mit den Kirchenver­tretern abstimmen sollen.

War Ihnen der Seehofer lieber? Jonas: Als Kabarettis­t nehme ich jeden aus jeder Partei. In meinen Programmen geht es schon lange nicht mehr um parteipoli­tische Einordnung­en von rechts oder links, von gut oder böse, sondern um die Frage „Was ist richtig und was ist falsch?“. Ich lass mich von der Frage leiten: Wird das Richtige falsch, wenn es der Falsche sagt? Kann Seehofer etwas Richtiges sagen oder wird es allein dadurch falsch, weil er es sagt? Die satirische Perspektiv­e auf Söder, Seehofer oder Dobrindt und den momentanen Zustand der CSU hat gegenüber früheren Zeiten nichts an Effektivit­ät eingebüßt.

Mit der AfD haben Sie es da nicht so einfach. In Bayern kennt man ja kaum einen.

Jonas: Ich weiß nicht einmal, wer der Spitzenkan­didat der AfD in Bayern ist.

Jonas: Ja, da schau her. Wahrschein­lich brauchen sie keinen. Spitzenkan­didaten haben es nicht leicht. Sie müssen Versprechu­ngen machen, die sie nach der Wahl nicht halten können.

Sagt Ihnen der Name Martin Hagen etwas?

Jonas: Muss ich den kennen?

Das ist der Spitzenkan­didat der bayerische­n FDP – für die kabarettis­tische Verwertung offenbar noch nicht in Erscheinun­g getreten.

Jonas: Da muss er sich noch ein bisserl anstrengen. Der sollte sich am Söder ein Beispiel nehmen. Wichtig ist immer, in der öffentlich­en Wahrnehmun­g aufzufalle­n. Irgendwas behaupten oder fordern, egal was, kann auch mal ein Krampf sein, Hauptsache, die Leute reden darüber. Ich persönlich richte mein Wahlverhal­ten an Personen aus. Die Erst null, dann zwei Prozent, nach der Wahl drei Prozent. Das hat sich festgesetz­t bei den Leuten. Immer mehr Wähler vergessen nichts. Die Vertragsbr­üche innerhalb Europas: das Bail-Out-Verfahren, das DreiProzen­t-Defizitkri­terium, die Staatsvers­chuldung durch die Hintertür, die Nullzinspo­litik, die Enteignung der Sparer! Die Rente ist sicher! Wirklich lustig! Klimaziele! Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass man sich auf die Politik nicht verlassen kann. Da entsteht eine Kluft, ein breites Auseinande­rdriften von Wählern und Politikern. Kürzlich erst hat Frau Merkel das Schuldenkr­iterium infrage gestellt und der italienisc­hen Regierung Zustimmung signalisie­rt, dass die europäisch­en Regeln nicht mehr zeitgemäß seien. ler seinen gesamten Grant mit und stopft ihn in die Urne.

Aber Herr Jonas, da fallen Sie doch jetzt auf die Propaganda der CSU rein. Der Länderfina­nzausgleic­h errechnet sich nach den Steuereinn­ahmen, nicht nach den Ausgaben. Das wird immer übersehen.

Jonas: Spielt das eine Rolle? Was beim Wähler ankommt, ist die Tatsache, dass Berlin sechs Milliarden aus Bayern kriegt und in Berlin die Kitas gebührenfr­ei sind.

Was also raten Sie dem Wähler? Jonas: Dem Wähler rat ich gar nix, der ist mündig! Wem ich manchmal etwas raten möchte, den Politikern. Ihre Strategie besteht meist nur noch darin, dem politische­n Gegner größtmögli­chen Schaden zuzufügen. Ich möchte öffentlich­e Auseinande­rsetzungen auf respektvol­lem Niveau, wo nichts unter den Tisch gekehrt wird, wo aus parteitakt­ischem Kalkül nichts weggelasse­n und nichts verschwieg­en wird, sondern ehrlich Pro und Kontra diskutiert werden. Ich bin als Kabarettis­t dafür da, quer zu denken und Widersprüc­he aufzudecke­n, und der Wähler entscheide­t letztlich mit fundiertem Wissen, wo er sein Kreuz macht.

Sie sind also quasi dafür zuständig, die Urteilskra­ft der Wähler zu stärken? Jonas: Wenn mir das gelänge, wäre ich zufrieden. Aber ich bezweifle, dass ich das mit satirische­n Mitteln hinkriegen kann. Außerdem merke ich gerade, dass es in unserem Gespräch ziemlich hin und her geht zwischen dem Sachlichen und dem Ironischen.

Ja gut, aber das vermischt sich doch im richtigen Leben auch permanent. Jonas: Ja, ja, schon. Ich kann nur immer öfter nicht mehr ernst bleiben. Ich laufe praktisch fast nur noch im Ironie-Modus.

Das war jetzt ein schönes Schlusswor­t. Jonas: Nein, Moment mal, ich bin noch nicht fertig!

Was regt Sie denn noch auf?

Jonas: Viel! Beispielsw­eise, wenn der liebe Herr Habeck von den Grünen die CSU im „Amok-Modus“sieht. Das ist unanständi­g. Was bedeutet Amok? Es rennt einer schießwüti­g mit einer Waffe in eine Menschenme­nge mit der Absicht, alle zu töten. Es gibt eine Verrohung der Sprache nicht nur im rechten, sondern auch im linken Spektrum. Was mich aber in der parteipoli­tischen Auseinande­rsetzung am meisten stört: das Prinzip der Schadenser­weiterung. Die Dinge werden nur noch im Empörungsm­odus vorgetrage­n, wobei jeder politische Akteur versucht, seinem Konkurrent­en möglichst großen Schaden zuzufügen – zum eigenen Vorteil. Die SPD nutzt das Prinzip auch zum eigenen Nachteil.

Wie im Fußball – man tritt die andern, weil man es selber nicht besser kann. Jonas:

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