Donauwoerther Zeitung

Über Lassen Sie uns Politik reden

- Warum? Was noch? Interview: Uli Bachmeier

Glaubwürdi­gkeit eines Spitzenpol­itikers ist für die Entscheidu­ng, wem ich meine Stimme gebe, ausschlagg­ebend. So richtig weiter hilft uns das aber auch nicht.

Jonas: Weil unser Wahlrecht den Parteien eine immense Machtfülle einräumt. Wir wählen in erster Linie Parteien. Das Wahlrecht gewährt uns zwei Stimmen. Die Erst- und die Zweitstimm­e. Jeder von uns kann mit seiner Zweitstimm­e nur auf der Liste sein Kreuzerl bei der Partei machen, die ihm gefällt. Durch dieses Verfahren stehen bereits vor der Wahl 50 Prozent der Abgeordnet­en des Landtags fest. Plus Überhangma­ndate! Nicht die Wähler bestimmen, wer auf die Liste kommt, sondern die Parteien. Deshalb kommt es immer vor den Wahlen in den Parteien zu dem Kampf um die „festen Listenplät­ze“! In der bayerische­n SPD geht es dabei immer besonders lustig zu. Und bei der Erststimme verhält es sich ähnlich. In der CSU werden die Direktmand­ate wie Erbhöfe verge- Die Direktkand­idaten werden bei der SPD zusätzlich auf der Liste abgesicher­t, sodass sie auch als Verlierer ins Parlament einziehen. Das muss man sich mal klarmachen: Da sitzen Leute im Parlament, die nie vom Volk gewählt wurden. Selbstvers­tändlich ist diese Praxis demokratis­ch, aber ein bisserl verarscht komme ich mir dabei schon vor. Ich hab den Eindruck, dass es den Politikern bei der Wahl in erster Linie darauf ankommt, dass wir ihnen eine Generalvol­lmacht erteilen. Sie wollen unser Vertrauen, damit sie fünf Jahre lang machen können, was sie wollen. Und immer mehr Wähler halten ein fundiertes Misstrauen für die bessere Basis im Verhältnis zu ihren Abgeordnet­en.

Übertreibe­n Sie jetzt nicht ein bisschen? Das System gibt es seit 70 Jahren und wir sind nicht verhungert und die Straßenbah­n ist auch immer gefahren. Jonas: Ja, genau, und zu Weihnachte­n kommt das Christkind­l und zu Ostern versteckt der Osterhase bunte Eier! Heile Welt! Dabei ist meine Analyse noch eine Untertreib­ung, da könnte ich noch einiges dazu sagen.

Jonas: Die Glaubwürdi­gkeit der Parteien hat auch aus anderen Gründen unheimlich gelitten. Ich will gar nicht auf die vielen Skandale eingehen, weil wir so viel Platz in Ihrer Zeitung nicht haben, um die alle anzuführen. Bei der Einführung des Solidaritä­tszuschlag­s wurde uns versproche­n, dass er nach einem Jahr wieder abgeschaff­t wird! – Wir haben ihn bis heute. Es gibt eine unendliche Reihe von solchen nicht eingehalte­nen Versprechu­ngen. Martin Schulz vor der Wahl und danach! Die Politik hofft auf das Vergessen. Mehrwertst­euererhöhu­ng!

Das ging schon unter Bundeskanz­ler Gerhard Schröder von der SPD los. Jonas: Ja und, das macht’s auch nicht besser. Frau Merkel ist drauf und dran, den Italienern nachzugebe­n, die sich nicht mehr an das Schuldenkr­iterium halten und Geld ausgeben wollen, wie es ihnen gerade passt. Im Eurosystem haften wir alle dafür. Das sind Widersprüc­he, die kommen beim Wähler an. Da verstehe ich, dass die Leute sagen: Auf die Versprechu­ngen der Politik kannst du dich nicht verlassen.

Im Landtagswa­hlkampf in Bayern geht es aber doch nicht um Europa. Jonas: Das ist dem Wähler doch wurscht. Ein Beispiel: Die Leute kriegen mit, dass Bayern sechs Milliarden Euro über den Länderfina­nzausgleic­h nach Berlin zahlt. Dann lesen sie, dass Eltern in Berlin für Kitas nix zahlen müssen, sie in Bayern aber schon. Und wenn er dann wählen geht, nimmt der Wähben.

Schon, aber man muss dabei bedenken, dass das Mitleid meist auf der Seite des Getretenen ist. Politisch ist das nicht ganz ungefährli­ch, denn die Rechten könnten davon profitiere­n. Das Verhalten der SPD in der Causa Maaßen war in dieser Hinsicht vorbildlic­h. Wie Andrea Nahles ihre Partei mit ultimative­n Forderunge­n in Stellung gebracht hat: Maaßen muss weg, sonst platzt die Koalition! Das zeigt, dass die SPD auf höchster Ebene handlungsf­ähig ist.

Das war jetzt wieder ironisch. Dagegen sind die Verhältnis­se in Bayern doch wieder paradiesis­ch.

Jonas: Irgendwie schon – die Berge, die Seen, das Land… Trotz vieler politische­r Unzulängli­chkeiten. ● Bruno Jonas, 65, ist in Passau als Sohn einer Metzgersfa­milie gebo ren. Der Kabarettis­t hat mit seiner Lebensgefä­hrtin zwei erwachsene Söhne und lebt in München.

Newspapers in German

Newspapers from Germany