Donauwoerther Zeitung

„Ich bin so verdammt traurig“

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger allgemeine.de

Eine jugendfrei­e Übersetzun­g des von Erik Lesser auf Englisch verfassten Beitrags würde sich in etwa so lesen: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin so verdammt traurig über diese Entscheidu­ng. Danke, liebe Welt-Anti-DopingAgen­tur für diesen Mist.“Der Biathlet, Doppelwelt­meister und mehrfacher Olympia-Medailleng­ewinner, ist ein Mann klarer Worte. Damit hebt er sich angenehm ab von den meisten seiner Sportkolle­gen, die entweder keine Meinung haben oder diese für sich behalten.

Lesser hat schon häufiger sein Unverständ­nis über den laxen Umgang von Verbänden und Funktionär­en mit der Dopingprob­lematik geäußert. Sein jüngster Facebook-Beitrag thematisie­rt die Entscheidu­ng der Wada, die Suspendier­ung der russischen Anti-DopingAgen­tur Rusada aufzuheben. Die Emotionen sind verständli­ch und heben sich wohltuend von der weitverbre­iteten Gleichgült­igkeit ab.

Bei den Olympische­n Winterspie­len 2014 im russischen Sotschi gewann der 30-Jährige mit der deutschen Staffel Silber. Gold ging an die Gastgeber. Inzwischen steht mit Jewgeni Ustjugow mindestens einer aus dem damals siegreiche­n russischen Quartett unter Dopingverd­acht. Sollte sich dieser bestätigen, was unter Umständen noch ein paar Jahre dauern kann, würde Lesser mit großer Verzögerun­g Olympiasie­ger werden. In der Leichtathl­etik sind derartig verspätete Upgrades so häufig geworden, dass nachträgli­che Siegerehru­ngen im Rahmen großer Meistersch­aften fast schon zum Standard gehören.

Das sind gut gemeinte Aktionen, können aber die unmittelba­ren Emotionen eines Olympiasie­ges nicht annähernd ersetzen. Dazu kommt der im Profisport nicht unerheblic­he Aspekt, dass sich mit einer Jahre später verliehene­n Goldmedail­le kein Euro mehr verdienen lässt. Sie dient im Wesentlich­en dazu, in einer Vitrine zu verstauben. An ihr wird immer der Makel des Betrugs kleben, begangen von anderen.

Lessers Wut ist ein Ausdruck seiner Ohnmacht. Die Sportler, um die es doch eigentlich geht, fühlen sich als Spielball von Funktionär­en und Politikern. Deren Interessen haben sich von denen der Athleten weit entfernt. Es geht um Macht und Geld. Daran wird sich nichts ändern. Zu sehr liegt das Streben danach in der Natur des Menschen. Lesser ist klug genug, das zu wissen. Umso bewunderns­werter, dass er den Kampf nicht schon längst aufgegeben hat. Er wird noch reichlich Gelegenhei­t bekommen, seinen Unmut zu äußern.

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Foto: Screenshot/Facebook Erik Lesser hat seinem Unmut freien Lauf gelassen.
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