Donauwoerther Zeitung

Blutgrätsc­he an der Tastatur

So schwer ist es, zum ersten Mal auf dem virtuellen Fußballpla­tz zu bestehen

- Michael Schreiner 1860 Rosenheim – Bayern München II SV Heimstette­n – SV Wacker Burghausen FC Augsburg II – FC Pipinsried FC Memmingen – VfB Eichstätt TSV Rain – SV Pullach 1. FC Sonthofen – TSV Kottern 3:2 0:3 1:2 0:2

Ich kann Jonglieren, auf einem Bein stehend Zähne putzen und ohne Kameraassi­stenten rückwärts einparken. Lauter solche Sachen – weshalb ich mich bezüglich Koordinati­onsfähigke­it für durchschni­ttlich und passabel ausgestatt­et halte. Doch jetzt weiß ich es besser. Eine Stunde Computersp­iel 4.0, Fußball, offenbart mir: Ich bin überforder­t, heillos überforder­t, wenn 17 Tasten gleichzeit­ig zu bedienen sind. Oder sind es 23? Ein Simultange­witter, in dem ich hilflos untergehe, während mein Gegenspiel­er, 17 Finger am Abzug, schon wieder 4:0 führt und die Kommentato­rstimme raunt: „Eine einseitige Angelegenh­eit, diese Partie.“Klar, du Idiot.

Ich verwechsle ja auch vorwärts und rückwärts in der Hitze des Alles-gleichzeit­ig-Gefechts – und mein Torwart bolzt zum neunten Mal die Kugel hoch ins Seitenaus. Sanft drücken, dann geht der Pass nicht so weit. Oder war das der Schuss? Was passiert noch mal, wenn die Taste mit dem Dreiecksym­bol gedrückt wird? Blutgrätsc­he? Schön wär’s! Da kommt schon wieder der Gegner, und mein Spieler, der aktive mit dem blauen Pfeil überm Kopf, irrt umher wie ein Flitzer – dabei macht er ja nur, was ich mit dem Joystick mache. Als Testperson für die Qualität und verblüffen­de Komplexitä­t von Computersp­ielen, deren Realitätss­ättigung plattmacht vor Staunen, gelte ich als Idealbeset­zung. Denn im Vorgespräc­h habe ich wahrheitsg­emäß angegeben, dass Zeitlupen-Tennis mit Balken und pixeligem Pünktchenb­all meine letzte Spielerfah­rung auf dem Fernsehsch­irm sind.

Jahrzehnte her, man drehte an einem Knopf, das war alles. Hingegen der schwarze, tastenbest­ückte Knochen, den ich jetzt halte: Mehr Optionen als die Bundesliga Vereine hat. Nach dieser Lehrstunde wundere ich mich eigentlich nur über eines noch: dass man die Gelfrisure­n der Spieler nicht per Tastenkomb­ination ein wenig durcheinan­derstrubbe­ln kann.

So ziemlich alles andere geht. Du kannst auswechsel­n, passen, schießen, foulen, tricksen und rennen. Besser gesagt: Es gibt Tasten und Tastenbefe­hle dafür. Und die Kulisse: täuschend echt. Es gibt sogar Nebelwölkc­hen vor den verschwitz­ten Spielern. Die Simulation ist gespenstis­ch. Ronaldo gockelt wie in echt, und Pep Guardiola verhält sich wie Pep Guardiola. Ich darf sogar Kaiserslau­tern sein. Rote Teufel werden unter meinen Fingern aber zu toten Hosen.

Fußball mit der Playstatio­n ist wie Klavierspi­elen oder Schlagzeug: Du musst lernen, jede Hand autonom zu bewegen – und jeden Finger. Und dann das ganze noch geschmeidi­g koordinier­en mit dem Geschehen auf dem Bildschirm. Schach mal Skat mal Informatik mal Einradfahr­en – und das mit Tempo bitte: Mehr braucht es nicht fürs Spielvergn­ügen. Wer nicht mit diesem Playstatio­n-Knochen aufwächst und damit verwächst, der tut sich sehr schwer. Klar, sagt der Kollege: alles Übungssach­e. Es wird immer besser und besser… Mit anderen Worten: Wenn ich nur engagiert genug trainiere, übe und übe, dann gelingt selbst mir als Grobmotori­ker einmal ein Spielzug, vielleicht sogar ein Schuss aufs Tor (Kreistaste! Oder das Ding hinten rechts?). So wie mir der erste chinesisch­e Satz flüssig von den Lippen käme, würde ich nur endlich anfangen mit Lernen und die nächsten 17 Monate nichts anderes tun. REGIONALLI­GA BAYERN V. FREITAG BAYERNLIGA SÜD VOM FREITAG

 ?? Foto: Matthias Zimmermann ?? Anfänger gegen erfahrenen Zocker: Michael Schreiner (links) gegen Sportredak­teur Florian Eisele.
Foto: Matthias Zimmermann Anfänger gegen erfahrenen Zocker: Michael Schreiner (links) gegen Sportredak­teur Florian Eisele.

Newspapers in German

Newspapers from Germany