Die Frage der Woche Zimmerpflanzen haben?
Angeblich ist es inzwischen wieder sehr angesagt, sich Pflanzen in Töpfen in die Wohnung zu stellen. Hipster gießen Zimmerlinden, in den Altbauwohnungen und Lofts in Großstadt-Szenevierteln recken sich Monstera zum Licht. Die Zeiten, in denen das Zyperngras in WGs verdurstete, weil das mit dem Wässern ähnlich schlecht funktionierte wie mit dem Küchenputzen, sind vorbei.
Bei mir stehen seit Jahren Zimmerpflanzen. Schon in Zeiten, als man deshalb von DesignPuristen als schrulliger Warmduscher belächelt wurde, waren die Fensterbänke belegt. Manche in Doppelreihen, ähnlich wie die Bücherregale. Anderes Thema. Also: Warum Zimmerpflanzen, wenn man weder Orchideenzüchter noch Experte für südasiatische Dschungelgewächse noch Balkonkräutertyp ist? Es ist dieser Zugewinn an Achtsamkeit, der etwas beiläufig-meditatives hat. Alles reine Intuition. Morgens die Töpfe ablaufen, zerstreut zupfen, prüfen, wo Wasser nötig ist, schauen, was wächst und was nicht und dabei zwischen den Blättern oder Stacheln einen Blick runter auf die Straße werfen. Sich freuen, wenn etwas das Umtopfen überlebt hat oder richtig wuchert.
Andererseits: Es schimmelt mal Erde, man rammt sich leicht Kakteennadeln in den Handrücken beim Kippen des Fensters. Und vor allem: Abwesenheit ist ein Problem. Wen beknien, dass er gießen kommt? Und wer hat die Nerven, sich das anzutun: der Topf braucht viel Wasser, der weniger, jene Pflanze fast nichts … Trotz allem: Der Gewohnheitszimmerpflanzenmensch ist emotional abhängiger von seinen Plantagen, als er wahrhaben will. Irgendwann fliegen alle raus. Frei sein. Alle Fenster öffnen können! Wehe, es bringt jemand einen Ableger mit!
Zimmerpflanzen sind die pure Verheißung. Blüten über Blüten, sattes Grün, stramm vor Dünger: eine Augenweide. Aber nur im Gartencenter! Nach dem Kauf geht es geht dann noch so ungefähr zwei Wochen gut, dann beginnt ihr beinahe unendlicher Leidensweg. Denn so eine Pflanze stirbt sehr, sehr langsam. Erst muss sie vom besten Platz im Wohnzimmer ins Arbeitszimmer und schließlich fristet sie bis zu ihrem trockenen Ende ein tristes Schattendasein im Treppenhaus. Damit klar: Nein, keine Zimmerpflanzen haben, sondern Mitleid mit ihnen haben. Denn in den meisten Fällen klappt das nicht mit dem grünen Daumen.
Es ist das traurige Schicksal von Zimmerpflanzen, dass sie das perfekte Geschenk sind, wenn man nicht weiß, was man schenken soll. Klassische Beispiele: all die zum Tode verurteilten Alpenveilchen, Azaleen oder Orchideen. Die Erde zu trocken, zu feucht, wer weiß das schon? Oder die armen Weihnachtssterne. Wer je auf den Kanaren die riesigen prächtigen Bäume in der Natur gesehen hat, kann den Anblick der armen Kümmerlinge im Abseits jeglicher Aufmerksamkeit (sowie sie ihren Job als Weihnachtsdeko erfüllt haben) kaum ertragen. Schlimm dran ist meist auch der Benjaminus Ficus, die Büropflanze schlechthin. Zu trocken verliert er seine Blätter in Massen und steht bald als dürres Gerippe da, zu nass bekommt er eklige Schildläuse – und steht bald als dürres Gerippe da.
Wenn Zimmerpflanzen für Zimmer geeignet wären und es ihnen darin prächtig gehen würde, warum gibt es dann in den USA den „Houseplant Appreciation Day“, den Tag der Zimmerpflanzen, an dem ihnen wenigsten einmal im Jahr Aufmerksamkeit geschenkt werden soll? Ich bin mir sicher: Zimmerpflanzen hassen Zimmer.