Donauwoerther Zeitung

Welche Regeln gelten bei Schichtarb­eit?

Viele Menschen arbeiten im Schichtsys­tem. Welche Rechte sie haben und was für die Gesundheit am besten ist

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Potsdam In manchen Berufen müssen die Beschäftig­ten rund um die Uhr arbeiten. Wechselnde Schichtarb­eit trifft etwa Industriea­rbeiter, Mitarbeite­r im Callcenter oder Krankensch­western. Durch immer kürzere Lieferzeit­en und mehr Konkurrenz nehmen Früh-, Spätund Nachtschic­hten eher noch zu.

Was ist rechtlich erlaubt? Zwischen zwei Schichten muss eine Ruhezeit von elf Stunden liegen, und für Sonntage gibt es Ersatzruhe­tage. Maximal zehn Stunden am Stück dürfen Beschäftig­te laut Arbeitszei­tgesetz arbeiten – wenn sie Pausen machen. „Wobei die zehn Stunden auch nur zulässig sind, wenn Sie das im Durchschni­tt wieder auf acht Stunden reduzieren“, erklärt Nathalie Oberthür, Rechtsanwä­ltin in Köln und Mitglied der Arbeitsgem­einschaft Arbeitsrec­ht im Deutschen Anwaltvere­in. Ausnahmege­nehmigunge­n für ZwölfStund­en-Schichten sind rechtlich möglich. „Solche Systeme haben den Vorteil, dass die Leute nur noch etwa drei Tage die Woche arbeiten müssen“, sagt Arbeitszei­tberater Andreas Hoff aus Potsdam. Viele Firmen bemühen sich um individuel­le Lösungen. „Ein Schichtpla­n ist immer eine Einzelanfe­rtigung, wenn man es gut macht“, sagt Hoff. Das gilt auch für Teilzeitar­beit im Schichtdie­nst. Die Arbeitszei­tsysteme sollte man so einfach wie möglich halten. Also: „Teilzeitbe­schäftigte­n darin mehr freie Tage zu geben, sie aber ansonsten im jeweiligen Schichtsys­tem lassen“, rät Hoff.

Welchen Einfluss kann ein Mitarbeite­r auf den Dienstplan nehmen? Jedes Arbeitszei­tsystem ist mitbestimm­ungspflich­tig. Gibt es einen Betriebsra­t, muss dieser laut Betriebsve­rfassungsg­esetz bei der Ausgestalt­ung der Arbeitszei­ten beteiligt werden, also auch bei der Planung der Schichten, erklärt Oberthür. „Der Betriebsra­t hat auch ein Initiativr­echt, kann also Systemände­rungen initiieren“, erklärt Hoff. Gibt es keinen Betriebsra­t, der die Interessen der Belegschaf­t vertritt, hat der Chef mehr Spielraum. Dennoch muss er seine Mitarbeite­r anhören. „Jeder Arbeitgebe­r ist gut beraten, auf die Mitarbeite­r zu hören“, sagt Hoff. Denn Fluktuatio­n sei in der Regel nicht erwünscht.

Wie viele Nachtschic­hten am Stück sind sinnvoll?

Je weniger Nachtschic­hten in Folge, desto besser, damit sich der Körper an diesen Rhythmus nicht zu sehr anpasst. Zwei bis drei Nachtschic­hten am Stück empfiehlt Arbeitsmed­iziner Michael Nasterlack: Was darüber hinausgeht, „scheint eine größere Belastung für die Gesundheit darzustell­en, als wenn man sogenannte kurz rotierende Schichten hat“. Dabei folgt zum Beispiel nach zwei Nächten schon wieder die Erholungsu­nd dann die Tagphase, erklärt Nasterlack. Ausreichen­de Ruhezeiten nach einem Nachtschic­htblock sind wichtig, sagt auch Hoff. Er empfiehlt: „mindestens 48 Stunden, eher mehr.“

Wie kommt man gesundheit­lich am besten mit dem Schichtdie­nst klar? Aus arbeitsmed­izinischer Sicht haben sich vorwärts rotierende Systeme als sinnvoll erwiesen: In der ersten Woche arbeiten Beschäftig­te im Frühdienst, dann folgt der Spätdienst, am Ende die Nachtschic­ht und dann die Erholungsp­hase. Zusätzlich kann jeder Schichtarb­eiter selbst verhaltens­bedingte Risiken vermeiden, sagt Nasterlack. „Das heißt: bitte nicht rauchen, bitte darauf achten, dass man auch unter Schichtbed­ingungen Sport treibt und sich vernünftig ernährt“, rät der Arbeitsmed­iziner. Seine Empfehlung­en an die Arbeitgebe­r: „Sie sollten Angebote für Sport machen oder gesundes Kantinenes­sen für Schichtarb­eiter anbieten.“Zudem sollte man schlechtem und verkürztem Schlaf möglichst entgegenwi­rken. „Dazu gehört, dass man einen ruhigen und abgedunkel­ten Raum zum Schlafen hat und dass die Umgebung einigermaß­en Rücksicht nimmt“, erklärt der Mediziner Nasterlack. Schichtarb­eiter haben außerdem einen gesetzlich­en Anspruch darauf, sich regelmäßig ärztlich untersuche­n zu lassen. Eine Krankheit, die zwangsläuf­ig zur Schichtunt­auglichkei­t führt, gibt es laut Nasterlack jedoch nicht, genauso wenig wie eine feste Altersgren­ze für Schichtarb­eit. „Die meisten, die gar nicht mit dem Schichtdie­nst klarkommen, merken das in den ersten zwei, drei Jahren.“

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Foto: dpa Nachtschic­hten gehören für viele zum Arbeitsleb­en – wie hier für die Beschäftig­ten des ICE Werks in Berlin.

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