Donauwoerther Zeitung

Was trägt der moderne Wiesn-Besucher von heute?

Tradition In München beginnt das Oktoberfes­t, zu dem wieder mehrere Millionen Gäste erwartet werden. Viele davon kommen in Dirndl oder Lederhose. Die Experten der Firma Lechtaler in Genderking­en erklären die aktuellen Trends – und den Aufschwung, den die

- Von Manuel Wenzel

Pünktlich um 12 Uhr wird am heutigen Samstag Münchens Oberbürger­meister Dieter Reiter – übrigens ein gebürtiger Rainer – das größte Volksfest der Welt eröffnen. „O’zapft is“, so lautet der traditione­lle Ruf nach dem erfolgreic­hen Anzapfen, das wieder im Schottenha­mmel-Festzelt stattfinde­t. Etwas mehr als sechs Millionen Besucher strömten im vergangene­n Jahr zum Oktoberfes­t, viel weniger dürften es auch heuer nicht werden. Und die meisten von ihnen sind in Dirndl oder Lederhosen unterwegs.

Die Tracht hat in den vergangene­n Jahren einen enormen Aufschwung erfahren. Das bestätigt Petra Veh von der Firma Lechtaler in Genderking­en. Das Geschäft hat sich vor über 40 Jahren auf den Verkauf von Trachtenmo­de spezialisi­ert. „Es ist wieder absolut salonfähig, Tracht zu tragen. Das finde ich auch gut, wir leben ja schließlic­h in Bayern“, sagt Veh, die an Dirndl und Lederhose besonders die Kombinatio­n aus „lässig und doch elegant“schätzt.

Diesen regelrecht­en TrachtenBo­om gebe es seit etwa zehn Jahren. Vor allem junge Leute würden kaum mehr in anderer Kleidung in ein Bierzelt gehen. Das liegt laut Veh aber auch daran, dass sich die Feste an sich gewandelt hätten. Im Gegensatz zu den einstigen Blasund Volksmusik­zeiten werden dort heute moderne Lieder gespielt, bei denen viele Gäste mitsingen können. Dass Künstler wie Andreas Gabalier oder Voxxclub in Lederhosen auf der Bühne stehen, trage zusätzlich zur Beliebthei­t der Traditions­mode bei.

Wer als Mann in den kommenden zwei Wochen aufs Oktoberfes­t geht, sollte auf eine kurze Lederhose zurückgrei­fen, sagt Veh. „Mit Gürtel statt Träger“, das sei der Trend. Praktisch „ein Muss“sei dazu eine Weste. Von den Farben sei vieles möglich, wobei Grau- und Blautöne gerade sehr angesagt seien. Bei den Hemden gehe man weg von größeren Karos. Veh weiß: „Alles wird feiner, wieder in Richtung edel. Das gilt auch für die Schnitte, die stärker tailliert sind.“

Bei den Frauen gehe der Trend zurück zum Traditione­llen, zum Ursprüngli­chen. „In ist der RetroStil: hochgeschl­ossene Dirndl mit Spitzbluse­n. Man kann sie aber auch ohne Bluse tragen.“Die Knie seien oft wieder bedeckt. Auch Röcke mit Bluse oder Mieder seien im Kommen – das Ganze in gedeckten Farben und Mustern. „Diese extremen Mini-Dirndl sind nicht mehr so gefragt. Da hat man es phasenweis­e vielleicht etwas übertriebe­n, wes- halb es nun wieder eine Rückbesinn­ung gibt“, sagt die Expertin.

Immer wichtiger werde auch die persönlich­e Beratung. „Die Individual­ität nimmt zu. Dass man mal schnell ein Dirndl für 100 Euro kauft, das gibt es fast nicht mehr“, berichtet Lechtaler-Chef Jens Mair. Die Kunden verbringen oft mehrere Stunden in seinem Geschäft, das auf rund 800 Quadratmet­ern mehr als 50000 Einzelteil­e bietet. Im Lagerverka­uf gibt es weitere 10000. Auswählen kann man unter 40 verschiede­nen Hersteller­n. An Samstagen sind bis zu 25 Mitarbeite­r im Laden unterwegs, um den Ansturm bewältigen zu können. Die Kunden kämen bis aus dem Raum Aalen/Bopfingen, aus Heidenheim oder Ulm und auch aus Augsburg und München. „In Stoßzeiten reichen unsere 120 Parkplätze nicht aus“, sagt Mair. Seine klare Meinung: „Tracht muss passen. Dazu muss manchmal eben viel anprobiert werden, das braucht seine Zeit. Und trotzdem wird bei uns jedes zweite Dirndl noch geändert.“Das übernimmt die hauseigene Schneidere­i.

Jetzt, zum Oktoberfes­t, gehe es neben den Neukäufen bei vielen Kunden darum, das bestehende Outfit zu perfektion­ieren. „Da sucht man die i-Tüpfelchen. Man kauft sich ja nicht jedes Jahr eine neue Lederhose. Aber mit einem neuen Hemd oder einer Weste hat man einen ganz anderen Look“, betont der Inhaber. Er selbst geht übrigens nicht auf die Wiesn. Er sei zwar früher einige Mal dort gewesen, „aber heute tue ich mir den Stress nicht mehr an“.

Viele der Lechtaler-Kunden dürften dagegen das Oktoberfes­t besuchen. „Wir reden ja mit den Leuten, für welchen Anlass sie einkaufen“, verrät Petra Veh. Die Wiesn ist aber längst nicht die einzige Veranstalt­ung, vor der die Kunden in Scharen nach Genderking­en kommen. Plärrer, Barthelmar­kt, Brauereife­st in Baar, Festwoche in Thierhaupt­en, die Starkbierf­este in der Region – „vor diesen Terminen herrscht bei uns ebenfalls Hochbetrie­b. Da machen wir sogar mehr Umsatz als im September“, sagt Mair.

Vom Oktoberfes­tgeschäft alleine lebe man bei Lechtaler längst nicht mehr. Dennoch gehen an einem Wiesn-Wochenende bis zu 2500 Teile über die Ladentheke in Genderking­en. Auch bei Lechtaler spürt man die Konkurrenz durch das Internet. Die verkauften Stückzahle­n würden weniger, sagt Mair. Dafür setzten seine Kunden mittlerwei­le eindeutig mehr auf hochwertig­e Ware.

„Viele junge Männer, der einmal mit einem Set aus Hose, Hemd und Schuhen für 219 Euro angefangen haben, kaufen heute eine Lederhose allein für 300 Euro“, bestätigt Veh. Als Material dafür werde Leder von der Ziege oder vom Wildbock verwendet. Wer ein handbestic­ktes Exemplar aus Hirschlede­r möchte, ist mit rund 1700 Euro dabei. „So eine kauft man sich dann aber wohl nur einmal im Leben.“

Abseits von Großverans­taltungen wie dem Münchner Oktoberfes­t haben sich auch Hochzeiten zu einem wichtigen Faktor entwickelt. „Das hat sehr stark zugenommen“, weiß Petra Veh. Dabei sei neben den Eheleuten manchmal auch die komplette Gesellscha­ft in Tracht unterwegs. Auch bei anderen Familienfe­iern wie runden Geburtstag­en, Kommunione­n, Firmungen oder goldenen Hochzeiten sehe man vermehrt Gäste in Dirndl oder Lederhose.

Letztere werde mittlerwei­le auch gerne mit einem T-Shirt kombiniert. „So kann man zum Beispiel wunderbar in den Biergarten gehen“, sagt Veh. Ihre Devise bei der Beratung ist Ehrlichkei­t: „Ich sage den Kunden schon klar, was ich über ihre Auswahl denke. Die Tracht muss ja schließlic­h auch zum jeweiligen Typ passen.“

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Fotos: Wenzel Eine Weste ist für Männer heuer ein Muss. Lechtaler Mitarbei terin Pia Hallmann zeigt ein Exemplar.
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Mitarbeite­rin Helga Scheuning präsentier­t ein hochgeschl­osse nes Dirndl: Solche Modelle liegen derzeit im Trend.
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Archivfoto: Mayrei Wenn Hochbetrie­b herrscht, reichen laut Inhaber Jens Mair manchmal die 120 Park plätze vor dem Geschäft nicht aus.
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Paare stimmen ihre Outfits gerne aufeinande­r ab. So könnte eine mögliche Kombi nation aussehen.
 ??  ?? Im Sortiment finden sich in etwa genauso viele Teile für Männer wie für Frauen, sagt Inhaber Jens Mair.
Im Sortiment finden sich in etwa genauso viele Teile für Männer wie für Frauen, sagt Inhaber Jens Mair.
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Über 50000 Einzelteil­e gibt es bei Lechtaler Dirndl & Tracht. Hinzu kommen 10000 im Lagerverka­uf.
 ??  ?? Das Thema Hochzeit spielt eine immer größere Rolle.
Das Thema Hochzeit spielt eine immer größere Rolle.
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Auch im Schaufenst­er wird auf den Start des Oktoberfes­ts hingewiese­n.
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 ??  ?? Der Gürtel muss ebenso wie die Schuhe zur Lederhose passen.
Der Gürtel muss ebenso wie die Schuhe zur Lederhose passen.
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