Missglücktes Überholmanöver führt ins Gericht
Bei einem Unfall auf der B 2 bei Donauwörth werden vier Personen verletzt. Im Prozess geht es um die Schuldfrage
Donauwörth Vor einem Jahr wird ein Lastwagenfahrer bei Donauwörth im Baustellenbereich der Bundesstraße 2 durch das Gespräch mit seiner Beifahrerin abgelenkt und merkt nicht, dass die Fahrbahn nicht mehr wie gewohnt vier, sondern nur noch zwei Spuren hat. Er zieht zum Überholen über die gelbe Linie und irritiert dadurch den entgegenkommenden Fahrer eines Autos mit Wohnwagen, der eine Vollbremsung macht. Ein nachfolgender Pkw kracht in den Wohnwagen, dessen Deichsel sich wie ein Rammpfahl von hinten ins Auto bohrt, den Rücksitz herausstößt und einen Mitfahrer verletzt. Auch auf der Seite des Lkw muss ein Auto voll bremsen. Insgesamt werden vier Personen in den Fahrzeugen leicht verletzt – die beiden kollidierten Autos samt Wohnanhänger erleiden Totalschaden. Der ausgescherte Laster war da schon wieder zurück in seiner Spur. Der Fahrer hielt, stieg aus und entschuldigte sich bei allen Unfallbeteiligten.
Er erhielt wegen fahrlässiger Körperverletzung einen schriftlichen Strafbefehl über 90 Tagessätze à 40 Euro, also 3600 Euro, und ein zweimonatiges Fahrverbot. Gegen den Strafbefehl legte er Einspruch ein. Es kam zur Verhandlung am Amtsgericht Nördlingen unter Vorsitz von Richterin Katrin Wegele. Der Strafverteidiger Dietrich Jaser machte klar, dass er auf eine Minderung der Schuld seines 49-jährigen Mandanten hinauswollte: Erstens habe dieser nicht überholt, sondern sei angesichts des Gegenverkehrs gleich wieder eingeschert. Und zweitens habe nicht er, sondern der Fahrer des auf den Wohnwagen auffahrenden Autos den Unfall durch zu geringen Sicherheitsabstand verursacht. Der Rechtsanwalt erklärte auch, warum ihm die Schuldminderung so wichtig war: Die zweimonatige Führerscheinsperre würde für seinen Mandanten Entlassung und Arbeitslosigkeit bedeuten.
„Einen Monat ohne Führerschein kann ich mit Urlaub überbrücken, aber bei zwei Monaten entlässt mich mein Chef“, versicherte der Angeklagte. Die Beifahrerin des Pkw, der in den Wohnwagen krachte, erinnerte sich, dass man das Aufleuchten von dessen Bremslichtern als Reaktion auf die leicht abschüssige Strecke interpretierte, keinesfalls aber als Vollbremsung. Und sowohl Richterin Wegele als auch Staatsanwalt Michael Rauh machten klar, dass es für den Sorgfaltsverstoß unerheblich sei, ob das Überholmanöver durchgeführt wurde oder nicht – das Übersehen der Baustelle mitsamt Überholverbotsschildern und das Ignorieren der gelben Linie reichten völlig. Dennoch stellte der Strafverteidiger einen Beweismittelantrag auf zwei Zeugen, die den Lastwagen ohne Überholvorgang einscheren sahen. Die Richterin lehnte den Antrag ab, da das Überholmanöver an sich unerheblich für den Fahrlässigkeitsverstoß sei; der Staatsanwalt ließ sich seinerseits nicht auf eine Verständigung ein und erklärte, er werde keinesfalls eine geringere Strafe beantragen als im Strafbefehl. Also blieb der Verteidigung nichts übrig, als das Urteil abzuwarten und notfalls Rechtsmittel dagegen einzulegen. Doch das war nicht nötig: Richterin Wegele erhöhte zwar die Geldstrafe auf 120 Tagessätze à 50 Euro, also 6000 statt 3600 Euro, verhängte dazu aber nur ein Fahrverbot von einem Monat.