Versuchter Totschlag: Vier Jahre Haft
Claudio E. hat nach Überzeugung des Gerichts aus Eifersucht gehandelt. Er muss die Strafe aber nicht ganz im Gefängnis absitzen
Augsburg/Nördlingen Er wirkte hilflos. Claudio E.* spielte mit seinen Händen, strich sich mit den Fingern durch das Gesicht und seine Augen wanderten immer wieder zu seiner Anwältin. Dann richtete er seinen Blick nach unten auf den Boden vor der Anklagebank, schloss die Hände zusammen und wartete auf sein Urteil am Landgericht in Augsburg im Prozess wegen versuchten Totschlags (wir berichteten).
Im Mai des vergangenen Jahres trank der 27-Jährige zusammen mit seinem Kumpel, dem späteren Opfer, eine Flasche Wodka vor einem Supermarkt in Nördlingen. Anschließend besuchten die beiden eine Bar und amüsierten sich. Eine damals 18-Jährige, auf die Claudio E. schon seit Längerem ein Auge geworfen hatte, feierte an diesem Abend in demselben Lokal. Näherungsversuche des Angeklagten wies sie allerdings zurück und tanzte stattdessen mit seinem Kumpel. Als sich die beiden vor den Augen von Claudio E. küssten, entfachte sich ein Streit zwischen den Männern. Die beiden beschimpften sich und rangelten miteinander. Dann ging Claudio E. nach einem Schubser zu Boden und der Teil des Abends begann, weshalb er vor Gericht landete. Er zog ein Taschenmesser und versuchte, es seinem Kumpel in den Hals zu rammen. Ein Barkeeper verhinderte Schlimmeres. Der Kumpel des Angeklagten kam letztlich mit zwei leichten Schnittverletzungen davon.
Nach Überzeugung des Schwurgerichts handelte der 27-Jährige aus Eifersucht, da sein Kumpel die besseren Chancen bei der jungen Frau hatte, und nahm die Tötung des Opfers billigend in Kauf. Insbesondere fiel dabei die Aussage des Barkeepers ins Gewicht, da er laut der Vorsitzenden Richterin Susanne RiedelMitterwieser keinerlei Interesse habe, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, und viele Details nannte. Dass Claudio E. zur Tatzeit erheblich betrunken war, minderte seine Schuldfähigkeit nicht. Denn er habe keine Ausfallerscheinungen gezeigt und sei noch in der Lage gewesen, das Taschenmesser zu öffnen und zuzustechen, sagte Riedel-Mitterwieser im Gerichtssaal. Gegen den Angeklagten sprach zudem, dass er eine einschlägige offene Bewährung habe. Vor wenigen Jahren wurde er wegen eines ähnlichen Vorfalls angeklagt, damals soll er mithilfe einer Glasscherbe eine Person verletzt haben.
Susanne Riedel-Mitterwieser sprach aber auch von einigen Punkten, die dem Angeklagten in der Gerichtsverhandlung zugutekamen. Zunächst zeigte er sich an den Prozesstagen geständig und räumte die Handlungen größtenteils ein. Er bestritt lediglich die Tötungsabsicht. Außerdem hatte sein Messerangriff keine schwerwiegenden Folgen und er bot seinem Kumpel Geld als Entschädigung an. Normalerweise sehe das Gesetz bei versuchtem Totschlag einen Strafrahmen zwischen fünf und 15 Jahren Haft vor, sagte die Richterin. Da einige Aspekte zugunsten des 27-Jährigen gewertet wurden, kam es zu einer Rahmenverschiebung. Letztlich wurde Claudio E. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Davon soll er zwei Jahre in einer Entziehungsanstalt absitzen, um vom Alkohol wegzukommen. Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser sagte, dass bei dem Angeklagten durchaus eine Erfolgsaussicht bestehe.
Am Ende des Verfahrens richtete sie ihre Worte direkt an Claudio E. „Das ist eine große Chance, vielleicht sogar die letzte Chance für Sie, um Ihr Leben in den Griff zu bekommen. Ich wünsche Ihnen Kraft und Erfolg, das durchzustehen.“
*Name von der Redaktion geändert