4,5 Millionen Euro für bessere Inklusion
Projekt St. Johannes eröffnet Wohnanlage für Menschen mit Behinderung im Lerchenweg in Rain. Warum die Stiftung damit Neuland betritt
Rain Menschen mit Behinderung und ohne Behinderung Seite an Seite beim Einkaufen oder beim Spazierengehen in der Stadt ist, trotz vieler Bemühungen sozialer Träger, für viele noch ein ungewohntes Bild. Zwar entstehen immer mehr Wohnhäuser für Menschen mit Behinderung abseits von den großen Wohnheimen, allerdings handelt es sich hierbei meistens um Personengruppen, die einen gewissen Grad an Selbstständigkeit und Anpassungsfähigkeit vorweisen.
Die Stiftung St. Johannes aus Schweinspoint hat diesbezüglich nun Neuland betreten und im Lerchenweg 26 in Rain eine Wohnanlage für Menschen mit erhöhtem Hilfebedarf eröffnet. Dabei handelt es sich um Menschen mit Mehrfachbehinderungen und teils „herausfordernden Verhaltensweisen“, heißt es seitens der Stiftung. Auch Autisten können dort betreut werden. Insgesamt 24 Bewohner werden in die neuen Räumlichkeiten auf dem ehemaligen Gelände der Firma Dehner einziehen. „Wir wollen das Thema Inklusion bewusst in die Innenstädte tragen“, erklärte Robert Freiberger, Geschäftsführer der Stiftung St. Johannes, bei der offi- ziellen Einweihungsfeier den geladenen Gästen.
Vier Wohngruppen mit jeweils fünf Bewohnern im ersten und zweiten Obergeschoss sowie eine Wohngruppe mit vier Bewohnern im Erdgeschoss werden künftig, betreut von den Mitarbeitern der Stiftung St. Johannes, hier leben. Die Stiftung strebt hierbei eine geregelte Tagesstruktur an, wodurch Menschen mit schwerer Behinderung Beschäftigung erfahren sollen. Deshalb befindet sich im Erdgeschoss ein Begegnungsbereich mit Mehrzweck-, Hobby- und Therapieraum. Hingucker des Neubaus ist si- cherlich der zweistöckige, bepflanzte Balkon, der den Bewohnern erlaubt, zu Hause die Natur zu genießen. Ein Steg führt sogar in die Krone eines Baums. Ziel ist es, dass die Bewohner mit der Zeit dahin zu bringen, dass sie in Wohnformen ziehen, die weniger Betreuung benötigen.
Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich auf rund 4,5 Millionen Euro. Davon zahlt der Freistaat gut 2,6 Millionen Euro, der Bezirk Schwaben über 400000 Euro, und die Stiftung St. Johannes investiert Eigenmittel in Höhe von mehr als 1,2 Millionen Euro. Ein Zuschuss über 110 000 Euro kommt zudem von der Aktion Mensch.
Rains Bürgermeister Gerhard Martin lobte das Projekt, mahnte aber auch: „Integration und Inklusion bedeutet gegenseitiges Aufeinanderzugehen und nicht nur ein Gebäude hinstellen.“Auch Landrat Stefan Rößle, Bezirksrat Peter Schiele und der Landtagsabgeordnete Wolfgang Fackler freuten sich in ihren Grußworten über das Pilotprojekt in der Tillystadt. Nach der offiziellen Schlüsselübergabe durch Architektin Sigrid Müller-Welt an den Einrichtungsleiter Siegfried Meier segnete Monsignore Harald Heinrich das Gebäude. „Es ist wunderbar, dass hier Menschen Raum und eine Stimme gegeben wurde, die eigentlich keine Stimme haben“, sagte der Generalvikar des Bistums Augsburg. Nach zwei Jahren Bauzeit werden ab heute die ersten Bewohner in die Wohnanlage einziehen.
Die Gäste des Empfangs staunten angesichts der hellen und modernen Räumlichkeiten. Architektin Sigrid Müller-Welt, von Uta Architekten und Stadtplaner aus Stuttgart, berichtete, dass bei den Planungen bewusst auf „wohnlich warme, aber zeitgleich funktionale Materialien“gesetzt worden sei.