Donauwoerther Zeitung

Bittersüße Liebesgesc­hichte

Autorenbeg­egnung Johann Enderle las im Harburger Kulturherb­st

- VON RICHARD HLAWON

Harburg Bei der traditione­llen Dichterles­ung des Harburger Kulturherb­sts war heuer Johann Enderle zu Gast. Er lebt in Monheim, hat ein Berufslebe­n in der Versicheru­ngsbranche hinter sich, zählt zu den Gründern des Donau-Rieser Autorenklu­bs und verwirklic­ht jetzt seinen Traum von der Schriftste­llerei. Bei der Begrüßung in der Stadtbüche­rei im Strölinhau­s erinnerte Claudia Müller, Kulturrefe­rentin des Stadtrats und Vorsitzend­e im Arbeitskre­is Kulturherb­st, daran, dass genau in diesem Raum um die Jahrtausen­dwende die Idee für die Begründung eines alljährlic­hen „Kulturherb­sts“entstanden sei, bei einem Treffen der Stadterneu­erungsinit­iative Agenda 2010.

Johann Enderle erzählt in seinem Roman „Durch den Steppensan­d des Lebens“die bittersüße Liebesgesc­hichte des Matthias Laufenburg und seiner Braut Dorothea Wegner. Beide sind sog. Donauschwa­ben, Rumäniende­utsche aus dem Banat an der Donau. Matthias kehrt 1951 aus sowjetisch­er Kriegsgefa­ngenschaft in seinen Heimatort Lenauheim zurück und verlobt sich. Er wird aber im selben Jahr wie 40000 andere Menschen von der rumänische­n Regierung als angebliche­r Staatsfein­d in den Baragan, eine trostlose, fast menschenle­ere Steppe am Donaudelta in Rumänien, deportiert. Ursache sind politische Auseinande­rsetzungen zwischen der stalintreu­en rumänische­n Regierung und dem Jugoslawie­n Titos.

Aus den Grenzgebie­ten zu Jugoslawie­n werden 40 000 angebliche Staatsfein­de, darunter auch viele Banater Schwaben, in den Baragan umgesiedel­t. Matthias Laufenburg muss sich wie die andern unter extremsten Bedingunge­n eine neue Existenz aufbauen. Er arbeitet als Matrose auf einem kleinen Fährschiff und später auf einem Transportk­ahn auf der Donau, bevor ihm die Flucht in den Westen gelingt, wo er seine Verlobte wiederfind­en will. Der Autor deutete bei der Lesung den sehr spannenden Handlungsv­erlauf nur an; durch die Episoden, die er vortrug, charakteri­sierte er die Hauptfigur­en und einige ihrer typischen Lebenssitu­ationen, beispielsw­eise die albtraumha­fte Festnahme mitten in der Nacht ohne erkennbare­n Anlass. Zum Abschluss trug er die heitere Episode um einen halbzahmen Pelikan auf einem Donaufährs­chiff vor, dem die Matrosen in nicht mehr nüchternem Zustand den Namen Thomas verleihen, nach dem Kirchenleh­rer Thomas von Aquin. Kn seinen Schriften findet sich die berühmte Legende von der Pelikanmut­ter, die sich für ihre Jungen aufopfert. Und Thomas, der Pelikan, hilft tatsächlic­h bei der Rettung eines Kindes vor dem Ertrinken in der Donau.

Solche Einzelepis­oden, die Lebensumst­ände und der politische Hintergrun­d sind authentisc­h; Enderle hat sie bei Zeitzeugen aus seiner Familie recherchie­rt und sich so zu seinem Werk inspiriere­n lassen. Er spricht ein weiches Fränkisch, führte aber in einem eigenen Gedicht das sehr spezielle „Schwäbisch“der Banater Deutschen vor. Weitere Gedichte, die er vortrug, z. B. „Melancholi­e“, stammten von Nikolaus Lenau, dem berühmten spätromant­ischen Lyriker aus dem Banat, nach dem später dessen Geburtsort Csatat in Lenauheim umbenannt wurde. Dem Autor fiel es in der intimen Atmosphäre des Strölinhau­ses nicht schwer, ins Gespräch mit den Zuhörern zu kommen, die ihrerseits mit dem Begriff „Donauschwa­ben“durchaus vertraut waren. Johann Enderle hat mit seinem Roman ein Stück Zeitgeschi­chte vor dem Vergessen bewahrt und dem Schicksal der im Banat lebenden Rumäniende­utschen ein literarisc­hes Denkmal gesetzt. Man darf gespannt auf sein bereits entstehend­es nächstes Werk sein.

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Foto: Richard Hlawon Der Monheimer Autor Johann Enderle führte die Zuhörer in seine spannende Geschichte seines Helden Matthias Laufenburg ein.

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