Die Reichen stärker zur Kasse bitten
Wahl Linken-Bundesvorsitzender Bernd Riexinger sieht gute Chancen, den Sprung in den Landtag zu schaffen. Warum ihn Söder und Seehofer nerven
Tapfheim Kitzingen, Aschaffenburg, Hambacher Forst und dazwischen Tapfheim. Bernd Riexinger ist in diesen Tagen omnipräsent. Der Bundesvorsitzende der Partei Die Linke will es jetzt wissen, denn nie zuvor sei man so nahe dran gewesen, in den bayerischen Landtag einzuziehen, sagt er. Entsprechend kämpferisch gibt er sich vor den Genossen an der Seite des Kreisvorsitzenden Manfred Seel, der den Parteichef von früheren gemeinsamen Veranstaltungen gut kennt.
In 50 Minuten wagt Riexinger im Gasthof Zur Grenz in Tapfheim den Spagat: Die Palette der Themen reicht von Bildung, Reichensteuer und soziale Verantwortung bis hin zu Flüchtlingen (auf Nachfrage). Unaufgeregt erleben die Besucher den Parteivorsitzenden, der sich ärgert: „Über die CSU, die mit ihren Parolen die Rechten erst hoffähig macht.“Was Seehofer in Berlin veranstalte, spotte jeder Beschreibung, sei ein Putsch gegen die Bundeskanzlerin gewesen. Riexinger: „Schade, dass so jemand, der gerade in sozialer Hinsicht auch einiges Gute vollbracht hat, so eine üble Entwicklung genommen hat.“
Mit dem Blick aus seiner Heimat Baden-Württemberg beleuchtet der Linken-Politiker den Nachbarn Bayern. Er wundert sich, wie es der CSU immer wieder gelinge, Bayern als ein Land mit „paradiesischen Zuständen“darzustellen. „Der Wohlstand in Bayern ist aber der Verdienst der Menschen in diesem Bundesland.“Und nicht alles sei paradiesisch. Bei der Versorgung von Pflegebedürftigen sei Deutschland mittlerweile europäisches Schlusslicht. Riexinger rechnet vor: „Allein in Bayern fehlen 12000 Pflegekräfte.“In der Automobilindustrie seien in Deutschland 2,7 Millionen Menschen, im Gesundheitswesen sechs Millionen Menschen beschäftigt. Man sehe, welche Bedeutung dieser Bereich habe. Es werde deshalb höchste Zeit, dass soziale Arbeit „in diesem reichen Land“besser bezahlt werde.
Dann die Bildung: Arbeiterkinder würden gegenüber Kindern von Akademikern benachteiligt. Die Schulen vernachlässigten ihren Auftrag, die Nachteile auszugleichen. In Finnland gelinge dies bestens. Dort seien Bildung und Erziehung auch kostenfrei.
Nicht nur nach Finnland lenkt Riexinger die Aufmerksamkeit, mehrmals auch ins Nachbarland Österreich: Das dortige System garantiere den Rentnern im Durchschnitt 800 Euro mehr Rente monatlich. Zwischendurch wird der Württemberger kernig: „Der Söder geht mir auf den Wecker“, sagt er. Er jedenfalls sei stolz darauf, dass er Vorsitzender einer Partei sei, „der es nicht egal ist, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken“.
Bessere Verdienste für Beschäftige in der Pflege, in der Altenversorgung, für Lehrer, generell mehr Geld für das Soziale – wie will die Linke das finanzieren? Riexinger sagt, er kenne diese Frage, und er schmunzelt. Die „wirklich Reichen“müssten stärker zur Kasse gebeten werden. Wer jährlich mehr als eine Million Euro verdiene, „kann doch problemlos mehr abgeben“. Als er dann noch auflistet, wie die Großvermögen in Deutschland verteilt sind und demnach nur wenige über 80 Prozent des Geldvermögens hätten, bekommt Riexinger Beifall. Das ist die Gelegenheit für ihn, auf die Parteienfinanzierung zu sprechen zu kommen. Die Linke sei die einzige Partei, die von Unternehmen und Konzernen keine Spenden annehme.
Am Ende hat Riexinger, Zufall oder Absicht, eine Genossin zweimal namentlich angesprochen: Sahra Wagenknecht. Einmal anerkennend, einmal differenziert. Kreisvorsitzender Seel grinst, kommt die LinkeVorzeigepolitikerin doch am Mittwoch nach Mertingen. Wird sie zur von ihr initiierten Sammlungsbewegung etwas sagen – Riexinger wollte es in Tapfheim nicht.