Donauwoerther Zeitung

„Delling, sind Sie jetzt völlig wahnsinnig?“

Porträt Der ARD-Moderator hat gekündigt und will etwas Neues ausprobier­en. Bekannt wurde der 59-Jährige durch seine legendären Auftritte mit Günter Netzer

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Fußball-Reporter, die aufgrund ihrer Fernsehtät­igkeit in der Öffentlich­keit stehen, sind beim Fan in der Regel so beliebt wie Fußpilz und Haarausfal­l. Béla Réthy, Fritz von Thurn und Taxis oder Claudia Neumann können sicher ein Lied davon singen. Ganz ungeschore­n ist auch Gerhard Delling nie davongekom­men. Erst vor ein paar Monaten pfiff die Kritik Delling nur so um die Ohren. Vor allem der meist anonyme Mob in den Kelleretag­en des Internets geigte ihm mal so richtig seine Meinung.

Der Grund war ein etwas „wirres“Interview, das Delling mit Toni Kroos nach der WM-Partie gegen Schweden geführt hat. Nach Kroos’ sensatione­llem Tor in den Schlussmin­uten wollte Delling ernsthaft wissen, ob jetzt bei ihm (Kroos) pure Freude oder Leere herrsche. Nun, in Zeiten wie diesen ist es halt normal, dass man für blöde Fragen abgewatsch­t wird. Auch das hat der 59-Jährige, der in Schleswig-Holstein geboren wurde, überlebt. Zumal der Sportjourn­alist sonst ja einer von denen war, die vom Publikum positiv beurteilt wurden.

Der Vater von drei Töchtern hatte sich vor allem in den Jahren zwischen 1998 und 2010 einen guten Namen gemacht. Bekannt wurde der ARD-Moderator durch seine Zusammenar­beit mit dem ehemaligen deutschen Nationalsp­ieler Günter Netzer. Ihre launigen Analysen zu Länderspie­len gelten mittlerwei­le als Kult. Es hatte schon etwas von Waldorf und

Statler aus der Muppet Show, wenn sich die beiden siezten und dabei einer den anderen gerne mal ironisch bloßstellt­e. Allerdings meist auf die lustige Art. So zum Beispiel, wenn Delling sagte: „Man sieht das schon am Anlauf, nicht wahr, Herr Netzer, dass dieser Elfmeter lieblos geschossen wurde.“Dann antwortete Netzer trocken: „Da sehen Sie’s mal wieder, Herr Delling, Sie sind der wahre Fachmann. Ich sehe an diesem Anlauf gar nichts.“Oder: „Delling, sind Sie jetzt völlig wahnsinnig geworden?“

Der große Teil des Publikums hat die Art der Fernsehunt­erhaltung genossen. Delling und Netzer standen für eine erfrischen­de und etwas andere Berichters­tattung.

Gerhard Delling war ab 1977 freier Mitarbeite­r bei der SchleswigH­olsteinisc­hen Landeszeit­ung in Rendsburg. Nach seinem Studium der Volkswirts­chaftslehr­e erhielt er 1984 eine Festanstel­lung beim

NDR. Bereits drei Jahre später stand er als Sportschau-Reporter auch schon vor der Kamera. Die

ARD setzte ihn als Berichters­tatter bei Olympia oder Grand-Slam-Turnieren ein.

Jetzt hat Gerhard Delling seinen Vertrag bei der ARD gekündigt. So richtig ausgeplaud­ert hat er bisher noch nicht, was er mit seiner freien Zeit künftig anstellen wird. Delling will „was Neues ausprobier­en und noch viel lernen“. Außerdem möchte er gern ein Buch schreiben. Ganz ohne Günter Netzer.

Wolfgang Langner

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FotoF: oXtXo:XWX itters

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