Donauwoerther Zeitung

Diese Familie braut das Oettinger Bier

Unternehme­n aus Region In den 50er Jahren übernahmen die Kollmars die Genossensc­haftsbraue­rei Oettingen. Sie machten das Bier zu einem der bekanntest­en in Deutschlan­d. Doch bis dahin war es ein holpriger Weg

- VON MARTINA BACHMANN

Oettingen Geht man heute über das weitläufig­e Gelände der Oettinger Brauerei, vorbei an riesigen Sudkesseln und übermächti­gen Gärtanks, dann mag man kaum glauben, wo der Ursprung dieses Unternehme­ns zu finden ist. Nämlich gar nicht in Oettingen im Landkreis DonauRies. Es war der Wassertrüd­inger Ortsteil Fürnheim im Landkreis Ansbach, gut 20 Kilometer entfernt, in dem alles begann. Dort wächst Günther Kollmar auf. Seine Familie betreibt die Brauerei „Zum Schwarzen Adler von Friedrich Höhenberge­r“samt Biergarten und Landwirtsc­haft, in der damals, in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, noch Knechte und Mägde beschäftig­t sind. Kollmar passt da nicht hinein.

Als Charakterk­opf und Freigeist wird der Gründer beschriebe­n, gar als eigensinni­g.

Seine Witwe Ingrid, die ein halbes Jahrhunder­t mit ihm verheirate­t war, nennt ihn im Gespräch mit unserer Zeitung einen Visionär. „Er wollte da raus“, sagt die 78-Jährige – und meint die Enge, die Landwirtsc­haft in Fürnheim. Das gelingt Kollmar in den 50er Jahren. Der Diplom-Braumeiste­r und sein Vater Otto kaufen nach und nach die Genossensc­haftsbraue­rei Oettingen auf. Eine zähe Angelegenh­eit ob der vielen Genossen sei das gewesen, sagt Ingrid Kollmar. Sogar die Kirche habe einen Anteil verwaltet. Doch 1957 ist es geschafft. Als Ingrid und Günther Kollmar 1963 heiraten, hat die Brauerei zwölf Angestellt­e und der Chef steht selbst an der Abfüllanla­ge.

In diese Anfangszei­t von Oettinger fällt auch ein Wandel in der Handelswel­t. Aus Tante-EmmaLäden werden Supermärkt­e. Kollmar entwickelt sein Konzept: Er verkauft sein günstiges Bier nicht nur direkt an die Supermärkt­e, er liefert es auch an sie. Gerade mal einen oder zwei kleine Lastwagen habe man in der Anfangszei­t gehabt, erinnert sich Ingrid Kollmar. „Wir haben uns das alles erarbeitet.“Günther Kollmar sei seiner Zeit stets ein Stück voraus gewesen, meint sie. Vielleicht wollte er manchmal aber auch zu viel. Das ging nicht immer gut.

Ende des Jahres 1979 wird die Brauerei verkauft, Kollmar ist jetzt Geschäftsf­ührer, nicht mehr Inhaber. Im Dezember 1981 muss er Konkurs anmelden, nachdem ihm die Münchner Raiffeisen­zentralban­k einen Vier-Millionen-MarkKredit aufkündigt – „ohne Vorwarnung und ohne Grund“, sagt er damals. Jahre später wird er sogar zu einer dreijährig­en Gefängniss­trafe verurteilt. Das Landgerich­t Augsburg befindet ihn des Betrugs in zwei Fällen für schuldig: des Vorenthalt­ens und der Veruntreuu­ng von Arbeitsent­gelt sowie der Verletzung der Antragspfl­icht bei Zahlungsun­fähigkeit. Im Juli 1989 tritt Günther Kollmar die Haftstrafe in Landsberg an.

Zu diesem Zeitpunkt gehört die Brauerei wieder der Familie, 1985 hatte sie das Unternehme­n zurückgeka­uft. 95 Prozent hält damals Ingrid Kollmar, fünf Prozent Sohn Dirk. Als der Vater im Gefängnis ist und der Sohn noch studiert, packen die Kollmar-Frauen in der Brauerei an, neben Ingrid auch Tochter Pia. Und von der hätten es wohl zu bestimmten Zeiten die wenigsten erwartet, dass sie eines Tages Verantwort­ung im Unternehme­n übernehmen würde. Schließlic­h ist Pia kurz vor dem Abi nach Griechenla­nd geflogen, um dort als Animateuri­n zu arbeiten. Erst als ihr Vater ihr droht, ihren Käfer und ihre Katze zu verkaufen, kommt sie ins Ries zurück und macht ihr Abitur. Sie absolviert zudem ein Volontaria­t beim Münchner Merkur, eine Ausbildung zur Schwestern­helferin in Krisengebi­eten und will schließlic­h Psychologi­e studieren. In der Wartezeit auf den Studienpla­tz beschäftig­t sie Vater Kollmar, ganz zu Beginn soll sie etwa die technische Registratu­r aufräumen. Schließlic­h wird sie seine Assistenti­n – und verfügt über das nötige Wissen, als sie es braucht. Pia Kollmar bleibt im Unternehme­n, macht eine Ausbildung, bildet sich zur Junior Managerin und zur Diplom-Kommunikat­ionsund Werbefachw­irtin weiter und ist dann für das Marketing der Oettinger Brauerei zuständig. Sie heiratet und bekommt zwei Töchter.

Ende der 80er, Anfang der 90er wächst die Oettinger Brauerei deutlich. In der Wörnitzsta­dt selbst wird eine neue Betriebsst­ätte eingeweiht, eine Bier-Pipeline wird vom alten Standort dorthin verlegt. Nach der Wende investiert das Unternehme­n auch im Osten, unter anderem im thüringisc­hen Gotha. Sohn Dirk wird Geschäftsf­ührer, er heiratet, lebt mit seiner Frau Astrid und den beiden Söhnen in Gotha. 2013 stirbt Firmengrün­der Günther Kollmar mit 73 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit – und nur wenige Monate darauf überrasche­nd auch sein Sohn Dirk. Er wird gerade einmal 50 Jahre alt. Wieder liegt alles an Ingrid und Pia Kollmar. Dazu gibt es Auseinande­rsetzungen mit Dirks Witwe Astrid um Unternehme­nsanteile, die Mutter Ingrid nach dem Tod des Sohnes wieder zurückford­ert. Erst 2017 beendet ein Schiedsger­icht diesen Streit. 75 Prozent der Unternehme­nsanteile gehören jetzt Ingrid und Pia Kollmar.

Die Tochter vollzieht erst einmal eine „Kurskorrek­tur“: Von drei Geschäftsf­ührern verlassen zwei das Unternehme­n, drei neue werden eingestell­t. Die heute 49 Jahre alte Pia Kollmar ist mittlerwei­le Hauptgesel­lschafteri­n und repräsenti­ert die Gesellscha­fterfamili­e, sie hat eine Art „Stabstelle“eingenomme­n. Ziel ist es, Oettinger für die Zukunft als Getränkeli­eferant breiter aufzustell­en – Limonaden produziert das Unternehme­n schon seit den 70er Jahren. Den Kollmars bleibt in diesen für die Bierbranch­e harten Zeiten auch kaum etwas anderes übrig. Tranken die Deutschen in den 70er Jahren noch 150 Millionen Hektoliter Bier pro Jahr, seien es mittlerwei­le nur noch rund 94 Millionen Hektoliter, sagt Geschäftsf­ührer Michael Mayer. Oettinger produziert in 24 Stunden 10000 Hektoliter allein am Standort im Ries, insgesamt lag der Bieraussto­ß 2017 bei 8,7 Millionen Hektoliter­n. Das Unternehme­n exportiert in 85 Länder, Hauptabneh­mer sind Italien und die Niederland­e.

Andere Brauereien haben zuletzt ihre Preise immer wieder gesenkt – doch genau mit dem Bier für wenig Geld hatte Oettinger bei den Verbrauche­rn in der Vergangenh­eit gepunktet. Es gebe einen „knallharte­n, gemeinen, unfairen“Konkurrenz­kampf in der Branche, sagt Pia Kollmar. Der bedeutete für Oettinger zuletzt Absatzrück­gänge.

Und dann gibt es da noch den Craft-Beer-Trend: Unabhängig­e Brauereien brauen handwerkli­ch Bier. Oettinger ist zwar genau das Gegenteil – an vier Produktion­sstandorte­n und im Logistikze­ntrum arbeiten mehr als 1000 Menschen, die Lkw-Flotte besteht aus rund 130 Fahrzeugen. Doch Pia Kollmar will, dass es im Unternehme­n wie bei einem Mittelstän­dler zugeht. Sie kennt die Mitarbeite­r am Standort in Oettingen beim Namen und unterstütz­t deren ehrenamtli­ches Engagement mit Spenden an die jeweiligen Vereine. Die Beschäftig­ten danken es ihr, indem sie teils seit Generation­en Oettinger treu bleiben. Seniorchef­in Ingrid Kollmar wohnt auch auf dem Betriebsge­lände in Oettingen – und öffnet durchaus mal das Tor, wenn kein anderer da ist: „Ich sehe es als Verpflicht­ung meinem Mann und meinen Schwiegere­ltern gegenüber, dass ich das hier weiterführ­e.“

Und das mit dem Craft Beer, das können die Kollmars auch. Der Schwarze Adler von damals, in Fürnheim, heißt heute Forstquell­Brauerei. Für die Gaststätte wird eigens ein Forstquell-Bier gebraut. Und im Feldversuc­h gibt es jetzt neu das Getränk „Hanf küsst Bier“, das Forstquell-Cannabis-Bier mit Hanfblüten­aroma. Die 15 Jahre alte Pascale, Tochter von Pia Kollmar, hat dazu einen Tischaufst­eller entworfen. Die nächste KollmarFra­uen-Generation steht schon in den Startlöche­rn.

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Fotos: Ulrich Wagner (2), Brauerei Oettinger Im Jahr 2017 haben 8,7 Millionen Hektoliter Bier die Brauereien von Oettinger verlassen. Würde man das in Kästen herunterre­chnen, wie sie hier im Bild zu sehen sind, entspräche das 87 Millionen Bierkästen.
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Ingrid (vorne links) und Pia Kollmar (vorne rechts) leiten die Brauerei zusammen mit: Michael Mayer, Bernhard Wenninger, Peter Böck und Andreas Boettger.
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In Oettingen selbst werden 10000 Hektoliter in 24 Stunden produziert.
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