Donauwoerther Zeitung

„Ich hätte alles verlieren können“

Hepatitis C Ein Mann aus der Region ist in der Klinik wohl vom Narkosearz­t infiziert worden. Für den Familienva­ter hat dies weitreiche­nde Folgen, die für ihn höchst belastend sind

- VON WOLFGANG WIDEMANN (* Name von der Redaktion geändert)

Donauwörth Jürgen R.* ist den Tränen nahe. „Gerade habe ich den Brief geöffnet“, sagt er mit zitternder Stimme. Es ist das Schreiben des Gesundheit­samts, von dem einige Tausend Menschen in Nordschwab­en hoffen, es nie zu bekommen. Es geht um die Frage, ob ein bestimmter Narkosearz­t an der Donau-RiesKlinik in Donauwörth bei der Operation des jeweiligen Patienten dabei war oder nicht. Jürgen R. hat Gewissheit: Er wurde in dem Krankenhau­s operiert, der Anästhesis­t stand mit am OP-Tisch. R. ist eine von bislang acht Personen, bei denen mit größter Wahrschein­lichkeit etwas kaum Fassbares passiert ist: Der an Hepatitis C erkrankte Mediziner hat ihn mit dem Virus angesteckt. R. findet dazu deftige Worte: „Das ist für mich die größte Schweinere­i.“

Einerseits weiß der Familienva­ter aus dem Raum Donauwörth nun mit ziemlicher Sicherheit, woher er das Virus hat, anderersei­ts ist schon zu viel passiert, als dass er zur Tagesordnu­ng übergehen könnte. „Ich hätte alles verlieren können“, sagt der Mann – und erzählt eine Geschichte, die einen erschauder­n lässt.

Nach der Operation ist bei R. zunächst alles in Ordnung. Nach ein paar Monaten jedoch merkt er: „Irgendetwa­s stimmt nicht mit mir.“R. fühlt sich schlapp, er hat Gliedersch­merzen. Der Mann quält sich durch den Sommer: „Mir ging es nicht gut.“Anfang September sucht er seine Hausärztin auf. Die lässt ein großes Blutbild machen. Kurz darauf kommt das alarmieren­de Ergebnis: Die Leberwerte sind extrem erhöht. R. muss umgehend ins Krankenhau­s, wird stationär aufgenomme­n.

Ein erster Verdacht: R. könnte Aids haben. Ein Schnelltes­t bringt nach zwei Stunden, die zur Ewigkeit werden, erst einmal Entwarnung. Doch dann bestätigt sich der zweite Verdacht: Es ist Hepatitis C. Nach dem ersten Schreck rückt immer mehr die Frage in den Mittelpunk­t, wie sich der Mann das Virus eingefange­n hat. Der Patient grübelt: „Ich nehme keine Drogen, bin nicht fremdgegan­gen und trinke höchstens mal ein paar Bier.“Seine einzige Erklärung: „Ich kann das nur aus der Klinik haben.“Doch die Ärzte halten diese Version für unwahrsche­inlich.

Für R. beginnen zermürbend­e Wochen. Er ist krankgesch­rieben. Auch sein Umfeld rätselt: Woher kommt das Virus? R. fürchtet um seine Beziehung, um seinen Arbeitspla­tz – und um sein Leben. Die Mediziner diagnostiz­ieren Hepatitis C, Typ 3. Dies könnte trotz der möglichen Therapie im späteren Leben fatale Folgen haben: Eine Leberzirrh­ose oder Leberkrebs seien möglich.

Damit nicht genug: R. merkt, dass ihn Menschen meiden, wohl auch aus der (unbegründe­ten) Angst, sie könnten sich bei ihm anstecken: „Ich bin hingestell­t worden, als ob ich aussätzig wäre.“Die psychische Belastung ist für R. kaum noch ertragbar. Er kann nachts kaum noch schlafen.

Da ruft ihn am Dienstag ein Angehörige­r an. Der hat im Radio gehört, dass ein ehemaliger Narkosearz­t der Donauwörth­er Klinik im Verdacht steht, bei Operatione­n mehrere Patienten mit Hepatitis C angesteckt zu haben: „Da haben bei mir die Alarmglock­en geklingelt.“Drei Tage später hat es R. nun auch schwarz auf weiß, dass er aller Wahrschein­lichkeit nach zu denen gehört, die der Arzt infiziert hat.

R. war bereits bei einem Anwalt. Mit der eigentlich­en Therapie gegen Hepatitis C fängt er jetzt an. Seine Hausärztin teilte ihm mit, dass mit Kosten von mehreren zehntausen­d Euro zu rechnen sei. Die Krankenkas­se übernimmt diese.

Was bleibt, ist die Angst vor den möglichen Spätfolgen – und die Fassungslo­sigkeit, wie es so weit kommen konnte.

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Foto: Barbara Wild In der Abteilung der Anästhesie in der Donau-Ries-Klinik Donauwörth gibt es aktuell viel zu klären. Hat ein ehemaliger Narkosearz­t Patienten mit Hepatitis C angesteckt? Wenn ja, wie viele?

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