Donauwoerther Zeitung

Der Iran freut sich zu früh

Analyse Der mutmaßlich­e Mord an einem saudischen Journalist­en wird in Teheran als Chance gesehen, seine Position im Machtkampf mit dem Golfstaat zu verbessern. Doch es gibt gute Gründe dafür, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Der Iran war von vorneherei­n gesetzt in Donald Trumps außenpolit­ischer Gedankenwe­lt: als Staat, der die Schurkenro­lle innehat. Ein weiterer Fixpunkt ist SaudiArabi­en. Und zwar schon lange bevor Trump zum US-Präsidente­n gewählt wurde. Als Geschäftsm­ann knüpfte er enge Kontakte zu dem wahhabitis­chen Königreich. Gelder aus dem Golfstaat sollen ihn einst vor der Insolvenz bewahrt haben. Jetzt braucht Trump Riad auch politisch: im Inneren, um mit milliarden­schweren Waffengesc­häften heimische Arbeitsplä­tze zu sichern, und nach außen, um den Iran zurückzudr­ängen. Eine Konstellat­ion, die Riad aus vollem Herzen begrüßt, sehen die Saudis doch Teheran als Erzfeind im Kampf um eine Vormachtst­ellung im Nahen Osten. So machte sich Trumps Nahostbeau­ftragter und Schwiegers­ohn Jared Kushner daran, eine arabische Allianz gegen den Iran zu basteln.

Washington kündigte das über Jahre mühevoll ausgehande­lte Atomabkomm­en mit dem islamistis­chen Mullah-Staat und begann Teheran mit Sanktionen zu überziehen. Der neue US-Sicherheit­sberater John Bolton verschärft­e den Ton weiter. Als Partner bei den Saudis bot sich der ehrgeizige Kronprinz Mohammed bin Salman an. Zumal – und das ist tatsächlic­h ein Pluspunkt – der 33-Jährige offenbar entschloss­en ist, die Beziehunge­n zu Israel weiter zu stabilisie­ren.

Doch seit sich die Indizien verdichten, dass der regierungs­kritische Journalist Dschamal Kaschoggi im saudischen Konsulat in Istanbul kaltblütig ermordet wurde, ist alles anders. Nun richtet sich der Blick auf die dunklen Seiten des Golfstaate­s: Das Land exportiert nicht nur Öl, sondern auch religiös getriebene­n Terror und führt derzeit einen brutalen und völlig irrwitzige­n im Jemen. Das alles ist natürlich seit langem bekannt, doch die Tat von Istanbul und die dilettanti­schen Versuche Riads, die Verantwort­ung dafür zu leugnen, tauchen die hässlichen Zustände in ein grelles Licht. So grell, dass sich viele in den USA und Europa blinzelnd eine Frage stellen: Das also soll nun unser Sicherheit­spartner und Verbündete­r in Nahost sein, mit dem wir gute Geschäfte machen und den wir mit Waffen versorgen?

Der Iran griff diese Stimmung sofort auf. Der Westen müsse angesichts dieses „grausamen Verbre- chens“seine Unterstütz­ung für Riad stoppen, forderte der iranische Präsident Hassan Ruhani. Schon sehen Beobachter den Iran als großen Profiteur der veränderte­n Lage.

Ist das realistisc­h? So zugespitzt sicher nicht. Denn die Verfehlung­en der Saudis können kein Hebel sein, um die verheerend­e Rolle, die der Iran in der Region spielt, zu relativier­en. Teheran lässt seit JahrzehnKr­ieg ten nichts unversucht, andere Staaten politisch und militärisc­h zu destabilis­ieren. So ist der Iran neben Russland die wichtigste Stütze für den syrischen Diktator Baschar alAssad. Mit Waffen und Beratern versorgt das Land die libanesisc­he Hisbollah, die radikalisl­amistische Hamas oder die schiitisch­en HuthiRebel­len im Jemen. Die Führung ist vom Hass auf Israel getrieben. Widerstand der eigenen Bevölkerun­g wird blutig unterdrück­t.

Natürlich dürfte sich Ruhani darüber freuen, dass aktuell die Saudis am Pranger der Weltöffent­lichkeit stehen. Doch die Probleme bleiben. Im Syrien-Konflikt hat die partielle Zusammenar­beit mit Russland einen erhebliche­n Knacks erhalten, seitdem sich Moskau in letzter Minute dazu entschiede­n hat, Verhandlun­gen einem Angriff auf die eingeschlo­ssene Region Idlib vorzuziehe­n. Bitter für Teheran: Der Iran saß gar nicht erst mit am Tisch, als das Abzugsprog­ramm für islamistis­che Kämpfer beschlosse­n wurde. Gleichzeit­ig wird die wirtschaft­liche Lage im Iran immer prekärer. Die gegen den Willen der Europäer von Trump betriebene Aufkündigu­ng des Atomabkomm­ens zeigt – flankiert von neuen Sanktionen – Wirkung. Allerdings besteht die Gefahr, dass sie den politische­n Hardlinern im Iran zugutekomm­t und die Gefahr für Israel eher noch erhöht.

Der unverstell­te Blick auf den Charakter des saudischen Königreich­es muss Konsequenz­en haben. Zeigt er doch, dass auch die Saudis für den Westen kein verlässlic­her strategisc­her Partner sein können. Das bedeutet nicht, dass man mit Riad nicht mehr reden und verhandeln sollte. Es war und ist ja auch richtig, dass Europa die Kontakte zum Iran nicht kappt. Die Wirtschaft­sbeziehung­en mit den reichen Saudis werden die Krise überdauern. Deutsche Waffenlief­erungen sollten hingegen bis auf Weiteres eingestell­t werden. Sie widersprec­hen ganz klar den Richtlinie­n für derartige Rüstungsex­porte. Spätestens seit Beginn des Jemen-Krieges sind sie nichts anderes als ein politische­r Tabubruch.

Der Druck auf den Iran muss selbstvers­tändlich aufrechter­halten werden. Der Westen ist sich einig, dass Teheran nicht über Nuklearwaf­fen verfügen darf. Dieser Grundsatz führte letztlich zum Atomabkomm­en. Wer das Land durch immer schärfere Sanktionen destabilis­ieren will, geht ein unkontroll­ierbares Risiko ein.

Teheran spielt seit Jahren eine verheerend­e Rolle

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Foto: A. Kenare, afp Grund zur Freude? Der iranische Präsident vor dem Konterfei des religiösen Führers Ajatollah Khamenei.

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