Donauwoerther Zeitung

Schlägt der Winterzeit die letzte Stunde?

Umfrage Am Sonntag stellen wir die Uhr eine Stunde auf die winterlich­e Normalzeit zurück. Es könnte das letzte Mal sein – zumindest nach dem Plan der EU. Doch der wackelt

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Der Sonntag dauert zwar eine Stunde länger, wird aber dafür dunkler. Denn in der Nacht stellen viele Europäer ihre Uhren auf die winterlich­e Normalzeit zurück. Zum letzten Mal? Die Brüsseler EU-Kommission würde das gerne so haben. Aber sie überlässt die Entscheidu­ng den Mitgliedst­aaten. Wir bringen Sie auf den neuesten Stand.

In einer Umfrage haben sich die Europäer überwiegen­d für die Abschaffun­g der Zeitumstel­lung ausgesproc­hen. Erfüllt die Politik den Wunsch der Menschen?

Die Regierunge­n sind sich uneins. In den Arbeitsgru­ppen der Mitgliedst­aaten, die inzwischen in Brüssel tagen, zeichnet sich ein höchst unterschie­dliches Bild ab: Portugal würde ebenso wie Griechenla­nd am liebsten bei der heutigen Lösung bleiben und die Uhren weiter zwei Mal jährlich umstellen. Frankreich und Spanien tendieren ebenso wie die Niederland­e, Dänemark und Finnland zur winterlich­en Normalzeit als dauerhafte­n Weg. Polen und Zypern sowie die baltischen Staaten treten für die ewige Sommerzeit ein. Am kommenden Montag tagen die Minister der Mitgliedst­aaten in Graz. Dort steht das Thema erstmals auf der Tagesordnu­ng.

Wofür setzt sich Deutschlan­d ein?

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) ist sicher: Die Deutschen möchten die ewige Sommerzeit – und auch im Winter, Herbst und Frühjahr nach harter Arbeit und Schule noch freie Zeit bei Tageslicht haben. Dafür, das hat Altmaier angekündig­t, wird er sich bei der EU auch einsetzen.

Wie genau ist die EU-weite Befragung ausgegange­n?

Eine Mehrheit von 84 Prozent der Teilnehmer will das Herumspiel­en an den Uhren nicht mehr. Wirklich repräsenta­tiv verlief das Votum allerdings nicht: 4,6 Millionen Bürger beteiligte­n sich, die meisten Stim- kamen aus der Bundesrepu­blik. Erst vor wenigen Wochen sprachen sich dann bei einer Umfrage allein in der Bundesrepu­blik 51 Prozent für den dauerhafte­n chronologi­schen Sommer aus.

Stellen wir am Sonntag unsere Uhren also zum letzten Mal auf Winterzeit um?

Die EU-Kommission möchte die letzte verpflicht­ende Zeitumstel­lung am 31. März 2019. Läuft alles nach Plan und bekommt Deutschlan­d seinen Willen, müssen wir also noch einmal die Uhr vor auf Sommerzeit stellen. Gälte ab diesem Moment die dauerhafte Sommerzeit, würde die Uhr danach einfach weiterlauf­en. Länder, die sich für die dauerhafte Winterzeit entscheide­n, dürften am 27. Oktober 2019 noch einmal die Uhr zurückstel­len. Eigentlich sollten sich die Länder bis März 2019 entscheide­n. Ob der Zeitplan zu halten ist, ist jedoch derzeit mehr als fraglich. Für den Gesetzgebu­ngsprozess der EU, in dem manche Vorhaben teils jahrelang ausverhand­elt werden, wäre dies ein enormes Temmen po. Doch vor allem unter den EUStaaten, die mehrheitli­ch zustimmen müssten, gibt es noch viele Fragezeich­en. In einigen Regierungs­hauptstädt­en etwa wird überlegt, die Bevölkerun­g zu befragen. Das ist in der knappen Zeit kaum zu schaffen.

Weshalb verordnet die EU nicht einfach eine einheitlic­he Zeitzone für Europa?

Die Entscheidu­ng ist höchst sensibel – nicht nur, weil die Sonne in jedem Land zu unterschie­dlichen Zeiten aufgeht. Würde man etwa Spanien eine dauerhafte Sommerzeit verordnen, ginge die Sonne in Madrid im Winter erst zwischen neun und zehn Uhr auf – eine Tatsache, die den Lebenswand­el der Bevölkerun­g entscheide­nd verändern könnte.

Immer wieder hört man, dass ein Flickentep­pich der Zeiten die freie Mobilität gefährden würde – weshalb?

Aus der Führungset­age der Deutschen Bahn heißt es, mehrere Zeitzonen seien unproblema­tisch. Im grenzübers­chreitende­n Verkehr würden notfalls die Ankunfts- und Abfahrtsze­iten angepasst. Schwierige­r könnte es beim Luftverkeh­r werden, betont der Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft. Der drohende Flickentep­pich von einzelnen nationalst­aatlichen Regelungen würde die Flugpläne der Fluggesell­schaften und Flughäfen erheblich durcheinan­derbringen. Schließlic­h müssten die Slots für Starts und Landungen angepasst werden. Bei längeren Verbindung­en könne dies mit den Nachtflugv­erboten kollidiere­n.

Wie ticken die Uhren in Europa eigentlich im Moment noch?

Schon jetzt gibt es drei Zeitzonen in der EU. In Deutschlan­d und 16 weiteren Staaten gilt dieselbe Zeit. Acht Länder – unter ihnen Bulgarien, Estland, Finnland, Griechenla­nd und Zypern – sind eine Stunde voraus. Drei Staaten sind eine Stunde zurück, nämlich Irland, Portugal und Großbritan­nien.

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Foto: Getty Images Die Zeitumstel­lung gibt es in Deutschlan­d seit 1980. Bald könnte sie nur noch ein altes Relikt aus der Vergangenh­eit sein.

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