Wir müssen was tun
Eine Kleinstadt am Meer. Das traditionsreiche Café an der Ecke ist immer voll. Vormittags trifft man sich auf einen Espresso, am späten Nachmittag auf einen Aperitif. Mein Mann und ich sitzen draußen, unseren Hund zu Füßen, trinken Weißwein und beobachten die Menschen. Ein älteres Paar nimmt am Nebentisch Platz. Sie bestellen Campari. Ihre kleine französische Bulldogge beäugt uns und unseren Schäferhund, der kein Interesse zeigt. Ich lasse das fremde Hündchen an meiner Hand schnuppern. Es guckt freundlich und neugierig aus seinem zerknautschten Gesicht. Der Kellner kommt mit Campari und kleinen Snacks. Die Bulldogge ist schon mit der Nase oben. Ihr Frauchen füttert sie mit den Leckereien, die eigentlich für die Menschen auf dem Tisch stehen. Im Nu sind auch die letzten Parmesanstückchen verputzt. Der fremde Hund schaut mit herzerweichendem Blick zum Frauchen. Der Kellner kommt auf Zuruf. Die Dame bestellt einen Schinkentoast. Nach kurzer Zeit erscheint der Kellner mit dem Gewünschten auf einem zierlichen Teller samt Besteck und Stoffserviette. Die Dame schneidet den Toast in kleine Happen und verfüttert alles an ihren Hund. Das Paar zahlt und geht.
In mir schreit es! Ich liebe Hunde, aber… Wir begleichen die Rechnung, erheben uns. Wir schweigen.
Die Glocken der Kathedrale rufen zum Gottesdienst. Vor der Kirche sitzt ein hutzeliges Weib und streckt die Hand mit einem Plastikbecher aus. Ein paar Münzen sind darin. „Bitte, Signora, bitte …“, nuschelt sie. Ich greife in die Jackentasche, und lasse schnell ein paar Münzen in den Becher fallen – ohne die Frau anzusehen. „Danke, danke!“, ruft sie überschwänglich.
„Du weißt doch, dass das so eine von so einer Bettelmafia ist“, mahnt mein Mann. „Die sieht von dem Geld sowieso nichts.“Bettelmafia oder echte Not? Ich weiß es nicht. „Aber wir müssen doch was tun!“, schreie ich meinen Mann fast an. Wir müssen. Oder nicht? Oder doch …