Den Bergen Respekt erweisen
Reinhold Messners Plädoyer fürs „Clean Climbing“
Auf dem Taksim-Platz in Istanbul soll 2019 das neue Opernhaus eröffnet werden. Seit 1946 stand hier das „Atatürk Kultur Zentrum“, das nach einem Brand zwar wieder aufgebaut worden war, aber in den letzten Jahren leer stand. Architekt Murat Tabanlioglu, dessen Vater das Kulturzentrum gebaut hatte, plant ein komplett neues Haus für Ballett, Konzerte, Ausstellungen und Kunstgalerien. Der größte von drei geplanten Konzertsälen ist als gigantische Kugel in dem neuen Gebäude konzipiert, wodurch auf allen Plätzen Hörgenuss gewährleistet sein soll. Das neue Konzerthaus soll eines der architektonischen Wahrzeichen Istanbuls werden. Die Vorderseite des Gebäudes soll als riesige Projektionsfläche für TV-Übertragungen aus den Konzertsälen genutzt werden. Dazu könnte der gesamte Taksim-Platz zu einer Fußgängerzone umgewandelt werden. (li) Es war eine Zeit der Revolte, die Jungen rebellierten gegen die Alten – und der 23-jährige Südtiroler Reinhold Messner veröffentlichte seinen Appell zum Verzicht technischer Hilfsmittel beim Klettern. „Clean Climbing“wird zum Schlagwort einer neuen Generation von Kletterern, die sich dem Freiklettern verschreiben.
50 Jahre später blickt der inzwischen 74-jährige Messner zurück auf das, was er als junger Mann ausgelöst hat. Denn der Autor aus dem Villnößtal ist nicht nur einer der berühmtesten Bergsteiger der Welt, er ist für viele junge Kletterer auch Vorbild, wie das Buch „Mord am Unmöglichen“zeigt. Wobei der Südtiroler einräumt: „Jede neue Generation versuchte, möglich zu machen, was die Gestrigen als unmöglich deklariert hatten.“
Wie für Messner bedeutet der Verzicht auf technische Hilfsmittel auch für die meisten der in dem Buch versammelten Kletterer, den Bergen Respekt zu erweisen. Durch die Setzung von Bohrhaken sehen sie diesen Respekt gefährdet – und auch die Chance für künftige Kletterer, Unmögliches möglich zu machen.
Statt um mehr Sicherung gehe es um mehr Sicherheit, denn: „Kletterer wollen bis an ihre Leistungsgrenze gehen, dabei aber nicht ins Kar stürzen.“Das Risiko wird akzeptiert, weil es ermöglicht, an die eigenen Grenzen zu gehen und die Erfahrung zu intensivieren.
Einen anderen Aspekt bringt der Österreicher Hansjörg Auer ein: Er sieht durch die Technisierung des Bergsteigens und Kletterns die Bergkultur in Gefahr. Man müsse den Berg intakt lassen. Auch der Engländer Mick Fowler wendet sich gegen eine zunehmende Möblierung der Berge und fragt: „Zerstören wir gerade unwiderruflich den Felsen, indem wir die Berge auf nichts anderes als einen gesicherten und sicheren Spielplatz reduzieren?“
In eine ganz andere Richtung geht die Kritik das Italieners Matteo della Bordella. Vor allem die sozialen Medien trügen daran Schuld, moniert der Engländer Paul Pritchard: „Heute sind es jedoch nicht mehr die Bohrhaken, welche die Integrität des Kletterns gefährden. Es ist vielmehr das Geld und die Kultur des ‚Fünf-Minuten-Berühmtseins‘.“
An den Pranger stellen einige der Autoren das „Sportklettern“und die entsprechenden Wettbewerbe sowie die kommerziellen Expeditionen. Den Konflikt zwischen Alpinund Sportkletterern vergleicht der Pole Marcin Tomaszewski gar mit einem „Religionskrieg“. Allerdings macht er für die Zerstörung der Berge eher „den kommerziellen Tourismus“verantwortlich als die Aktivitäten der Kletterer.
Reinhold Messner: Mord am Unmöglichen.