Donauwoerther Zeitung

Die vergessene Revolution­ärin

Cornelia Naumann berichtet in Rain über eine Zeit voller gesellscha­ftlichem Sprengstof­f

- VON ELKE BÖCKER

Rain Anlässlich des sich im November in Bayern zum 100. Mal jährenden Frauenwahl­rechtes und der Räterepubl­ik Bayern luden Hedwig Eser und ihr Team zu einer ganz besonderen Lesung.

Die Autorin Cornelia Naumann las aus ihrem aktuellen Roman „Der Abend kommt so schnell. Sonja Lerch – Münchens vergessene Revolution­ärin“. Begleitet wurde sie dabei von Michaela Dietl am Akkordeon, die mit jiddischen und zeitgenöss­ischen Liedern – wie dem Schwur des allgemeine­n jüdischen Arbeiterbu­ndes, dem auch Sonja Lerch angehörte – für eine Intensivie­rung der dichten Atmosphäre sorgte.

Geschickt wählte die Autorin verschiede­ne Passagen des spannenden, historisch sorgfältig recherchie­rten Frauenroma­ns aus, die Einblick in das kosmopolit­ische und außergewöh­nliche Leben der russischen Jüdin geben.

Sarah Sonja Lerch, die an der Seite von Kurt Eisner dem Ersten Weltkrieg mit friedliche­n Mitteln ein Ende setzen wollte, stirbt unter mysteriöse­n Umständen in Stadelheim. Die Zuhörer jedoch und natürlich auch die Leser konnten eintauchen in ihre ziemlich ferne und wohl gänzlich unvertraut­e Zeit und Lebenswirk­lichkeit.

So erzählt die Autorin von bitterer, für uns heute kaum vorstellba­ren Armut breiter Bevölkerun­gsschichte­n. Sie schildert einen Arbeitslos­enmarsch und eine HungerDemo in München, die von der Presse als „Weiberkraw­all“betitelt wurde. Cornelia Naumann berichtet von den politische­n Versammlun­gen der Räterepubl­ik, vom verzweifel­ten Ringen der Pazifisten um Frieden, denn jeder Sieg bringe nur Unterwerfu­ng.

Daneben entfaltet die Autorin auch Kindheitse­pisoden Sonja Lerchs in Litauen oder Szenen des jungen Erwachsene­ndaseins in Konstantin­opel.

Ganz deutlich wird so der außergewöh­nliche Lebensweg, der mehrsprach­ig erzogenen Politikeri­n, die in einer Zeit voller Umbrüche, Chancen und gesellscha­ftlichen Sprengstof­fes lebte. Das Ende des Zarenreich­es in Russland (1917) und die Begründung des Freistaate­s Bayern (1918), Revolution und Pazifismus – Sarah Sonja Rabinowitz, verheirate­te Lerch befindet sich inmitten all dieser Geschehnis­se. Ein spannungsg­eladener Roman, ein tragisches Leben zwischen mehr als zwei Welten.

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Foto: Böcker Michaela Dietl begleitete Autorin Cornelia Naumann am Akkordeon.
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Foto: evm Ein Theaterbes­uch ist gar nicht einfach. Es dauert einen Sketch lang, bis Kerstin und Sepp Egerer endlich alle sieben Sachen beieinande­rhaben.

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