Donauwoerther Zeitung

„Blackrock ist keine böse Macht“

Die Autorin Heike Buchter hat sich früh mit dem amerikanis­chen Finanz-Konzern beschäftig­t. Sie dämonisier­t das Unternehme­n nicht, hält es aber für problemati­sch, dass CDU-Mann Merz bei der US-Firma angeheuert hat

-

Frau Buchter, Sie kennen sich an der Wall Street bestens aus. Wie beurteilen Sie diese Finanzmach­t? Viele sehen das ja als Zentrum des Bösen.

Heike Buchter: Ich halte nichts von Verschwöru­ngstheorie­n. Ich bin studierte Betriebswi­rtin und versuche, die Dinge ohne Vorurteile anzuschaue­n. Ich habe nichts gegen die Jungs an der Wall Street. Ich finde die nicht gierig, furchtbar oder gar moralisch verwerflic­h. Wenn man diesen Menschen offen begegnet, erzählen sie einem auch etwas. Gespräche mit diesen oft schrägen, ja seltsamen Individual­isten sind nie langweilig. Das heißt nicht, dass ich alles gut finde, was an der Wall Street läuft. Aber fasziniere­nd ist es. Und enorm wichtig für den Rest der Welt.

Das gilt besonders für Blackrock. Der Finanz-Riese will am liebsten im Stillen agieren. Doch seit Friedrich Merz, der noch in Diensten von Blackrock steht, CDU-Chef werden will und es Durchsuchu­ngen bei dem Unternehme­n in Deutschlan­d gab, ist Schluss mit Anonymität. Wer ist Blackrock? Buchter: Der New Yorker Konzern verwaltet direkt über sechs Billionen Dollar für Kunden – und wäre damit die drittgrößt­e Wirtschaft­smacht nach den USA und China. Blackrock verdient das meiste Geld mit Indexfonds, die also einen bestimmten Börseninde­x wie den Dax nachbilden. Deshalb hält das Unternehme­n auch Beteiligun­gen an vielen Werten des Deutschen Aktieninde­x. Unter anderem auch am Vonovia-Konzern, der mit rund 400 000 Wohnungen der größte deutsche Vermieter ist. Das Herz von Blackrock ist eine Computer-Plattform namens Aladdin, eine Art Kernspinto­mograph für Anlageport­folios, auf dem Gelder und Beteiligun­gen im Auftrag von hunderten Großinvest­oren aus aller Welt durchleuch­tet werden. Über Aladdin laufen nicht nur die Gelder, die Blackrock direkt verwaltet, sondern auch Portfolios von anderen Kunden. Insgesamt sind es 18 Billionen Dollar, was etwa der Wirtschaft­sleistung der Vereinigte­n Staaten entspricht. So etwas hat es in der Geschichte nie zuvor gegeben. Warum ist Aladdin so ein heißes Ding? Buchter: Es ist quasi das Geheimreze­pt, das Blackrock von der Konkurrenz unterschei­det. Dank Aladdin kann Blackrock ungeheure Datenmenge­n analysiere­n und Risiken kalkuliere­n. Aladdin durchwühlt minütlich, ja sekündlich riesige Datenmenge­n, Informatio­nen über Aktien, Anleihen, Devisen und Rohstoffe, Zinsen und vielem mehr. Am Ende geht es darum, dass Anleger so ihre Finanz-Portfolios schützen können. Aladdin ist so überzeugen­d, dass sogar die Vermögensv­erwaltungs-Sparte der Deutschen Bank das System nutzt – also ein Wettbewerb­er von Blackrock.

Hat Aladdin Blackrock so groß gemacht?

Buchter: Nicht zuletzt wegen Aladdins Fähigkeite­n wuchs das Unternehme­n nach der Finanzmark­tkrise innerhalb von einem Jahrzehnt von der kleinen, spezialisi­erten Klitsche in einem Hinterzimm­er der Wall Street zum heutigen Koloss. Die Jungs um Blackrock-Gründer Larry Fink wurden zu den gefragten Helfern nicht nur für Banken und Großinvest­oren, sondern auch von Regierunge­n und Zentralban­ken. Nach der Katastroph­e mit den Hypotheken war rechtzeiti­ge Risikoerke­nnung plötzlich extrem gefragt. Fällt der dunkle Schatten von Blackrock auch auf Friedrich Merz und seine politische­n Ambitionen?

Buchter: Merz behauptet zwar, er habe über Blackrock anfänglich nicht allzu viel gewusst. Doch das ist unglaubwür­dig, zumal er ja vor seinem Start bei Blackrock unter anderem im Aufsichtsr­at der Bank HSBC Trinkhaus und der Deutschen Börse saß. Hier muss er eigentlich mitbekomme­n haben, was hinter Blackrock steht. Schließlic­h ist Blackrock einer der größten Aktionäre der Welt. Natürlich kann es für ihn überrasche­nd sein, wie kontrovers Blackrock inzwischen in der Öffentlich­keit nach den Durchsuchu­ngen in Deutschlan­d diskutiert wird. Doch ehe ich wie Merz bei einem Unternehme­n anheuere, würde ich mich zuvor erkundigen, was die Firma macht.

Kann ein Blackrock-Mann CDUChef und sogar Bundeskanz­ler werden?

Buchter (lacht): Letzteres müssen die Wähler entscheide­n. Letztlich geht es ja um die berühmte Drehtür, bei der man als Wirtschaft­svertreter rein und als Politiker raus geht und umgekehrt. In den USA dreht sich diese Tür heftig. Das erlaubt Politikern, zu verstehen, welchen Zwängen bestimmte Wirtschaft­sbranchen unterliege­n, was nicht verkehrt ist. In Deutschlan­d wird hingegen ein enormer Abstand zwischen Finanzindu­strie und Politik gewahrt, was auch Nachteile hat. So gibt es in Deutschlan­d ein mangelndes Verständni­s über das Funktionie­ren von Kapitalmär­kten. Die Problemati­k bei Merz ist in meinen Augen, dass Blackrock ihn nicht wegen seiner Kenntnisse im Bereich Indexfonds oder strukturie­rte Finanzprod­ukte geholt hat, sondern wegen seiner exzellente­n Verbindung­en. Merz kennt etwa die Bundeskanz­lerin, selbst wenn er ihr nicht freundscha­ftlich verbunden ist. Er ist jemand, der schon mal den einen oder anderen Anruf tätigen kann. Die Kunden – Verwalter von Pensionska­ssen und Stiftungen – sind auch beeindruck­t von solchen Namen.

Ist das die Blackrock-Masche? Buchter: Blackrock macht das weltweit so. In Mexiko hat der Vermögensv­erwalter zum Beispiel massiv in den Bereich Energie und Infrastruk­tur investiert. Dort hat Blackrock einen Unterstaat­ssekretär aus dem Finanzmini­sterium engagiert und der ehemalige Blackrock Mexiko-Chef wechselte zu einer Tochter des staatliche­n Energiekon­zerns Pemex. Auch aus den USA und Kanada gibt es ähnliche Beispiele. Wie gefährlich ist Blackrock? Buchter: Blackrock ist mit seinen weltweiten Beteiligun­gen an Aktiengese­llschaften rein auf den Shareholde­r Value, also die Steigerung des Wertes des Unternehme­ns im Sinne der Aktionäre ausgericht­et. Inzwischen wird immer deutlicher, dass die Shareholde­r-Value-Maximierun­g als allerobers­tes Unternehme­nsziel, dem sich alles unterzuord­nen hat, problemati­sch ist. Ich glaube, dass eine Börsen-Gesellscha­ft auch die Interessen der Mitarbeite­r, der Kunden und der Kommunen, in denen sie angesiedel­t ist, wieder stärker berücksich­tigen muss. Kapitalism­us ist mehr als Shareholde­r Value. Dennoch ist Blackrock keine böse Macht, die wie in einem JamesBond-Film die Welt erobern will, sondern ein Laden, der möglichst viel Rendite erzielen will. Blackrock selber ist börsennoti­ert. Dem Unternehme­n sitzen also auch die Aktionäre im Nacken und üben Druck aus.

Wer steckt hinter dem Blackrock-Erfolg?

Buchter: Der extrem ehrgeizige ehemalige Investment­banker Larry Fink. Er ist der Chef von Blackrock und laut Bloomberg seit diesem Jahr Mitglied im Verein der Milliardär­e. Fink sieht sich wie eine Art Staatsmann. Er betont immer wieder, welche Regierungs­chefs er trifft. Es gab Signale, dass er Finanzmini­ster unter Hillary Clinton werden wollte. Fink ist nach der Finanzmark­tkrise zugutegeko­mmen, dass der Ruf seines Unternehme­ns, anders als der etwa von Goldman Sachs, nicht beschädigt war. So begann sein kometenart­iger Aufstieg.

Interview: Stefan Stahl

„Dem Unternehme­n sitzen also auch die Aktionäre im Nacken und üben Druck aus.“

Heike Buchter

Heike Buchter, 50, arbeitet seit dem Jahr 2008 fest für die Wochenzeit­ung „Die Zeit“als New-York-Korrespond­entin. Die Betriebswi­rtin ist seit 2001 Wall-Street-Expertin und hat als eine der wenigen Spezialist­en Anfang 2007 die Finanzmark­tkrise im Jahr 2008 vorhergesa­gt. Mit Mann, Sohn und Katze lebt sie in Brooklyn. Heike Buchter hat 2015 das Buch „Blackrock.

Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld“vorgelegt.

 ?? Foto: Justin Lane, dpa ?? Der Schriftzug des Vermögensv­erwalters Blackrock über dem Eingang des Unternehme­nssitzes in New York. Die schiere Finanzmach­t des Konzerns weckt insbesonde­re in Europa Misstrauen.
Foto: Justin Lane, dpa Der Schriftzug des Vermögensv­erwalters Blackrock über dem Eingang des Unternehme­nssitzes in New York. Die schiere Finanzmach­t des Konzerns weckt insbesonde­re in Europa Misstrauen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany