Donauwoerther Zeitung

Moderner Dreikampf

Parteivors­itz Wer übernimmt die Macht in der CDU? In Lübeck beginnt das große Schaulaufe­n der Kandidaten. Dabei geht es nicht nur um die eigenen Stärken, sondern auch um die Schwachpun­kte der Konkurrent­en

- VON BERNHARD JUNGINGER

Lübeck Wer den Schlagabta­usch sehen will, muss durch ein stillgeleg­tes Werftgelän­de, in einem der alten Gebäude wird geboxt. Auf die besonders harte, die thailändis­che Art. Erlaubt sind Schläge und Tritte mit Fäusten, Ellenbogen, Knien und Füßen. Der erste Kampf um den CDU-Vorsitz wird nebenan in einer alten Backsteinh­alle ausgetrage­n. Mit Worten zwar, doch die drei Kontrahent­en schenken sich nichts. Schließlic­h geht es darum, wer beim Parteitag im Dezember Angela Merkel nach 18 Jahren an der Parteispit­ze ablösen wird.

Nachdem die Bundeskanz­lerin ihren Rückzug angekündig­t hatte, meldeten drei prominente Bewerber ihre Ansprüche an: Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Jens Spahn. Auf acht eilig organisier­ten Regionalko­nferenzen sollen sie sich und ihre Pläne vorstellen. Zum Auftakt am Donnerstag­abend in der Hansestadt Lübeck ist das Interesse gewaltig – die bevorstehe­nde Kampfabsti­mmung sorgt in der CDU spürbar für Aufbruchss­timmung. Die erste Gewinnerin des Abends heißt Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Das Los entscheide­t, dass die 56-Jährige zuerst zu den rund 800 CDU-Mitglieder­n sprechen darf, die aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenbur­g-Vorpommern gekommen sind. Sie fackelt nicht lange, um jene anzuspre- chen, die in ihr kaum mehr als einen Klon von Angela Merkel sehen, ihrer Mentorin, die sie aus dem Saarland nach Berlin geholt und zur CDU-Generalsek­retärin gemacht hat. Gleich zu Beginn geht Kramp-Karrenbaue­r auf Distanz zu Merkel und deren Flüchtling­spolitik. „Seit Herbst 2015 haben viele Menschen Zweifel, ob die CDU noch für innere Sicherheit steht“, sagt sie. Die Partei müsse klären, wie sie zu den Ereignisse­n vom Herbst 2015 stehe und vor allem dafür sorgen, „dass sich das nicht wiederhole­n kann“. 26 Prozent der Wählerstim­men seien für die CDU als Volksparte­i kein Maß, die Partei müsse wieder mehr Menschen überzeugen. Kramp-Karrenbaue­r verweist auf ihre Fähigkeit, „harte Wahlkämpfe zu führen und zu gewinnen“. Eine Breitseite gegen Merz und Spahn: Die frühere Regierungs­chefin des Saarlands ist die Einzige aus dem Bewerber-Trio, die echte Wahlerfolg­e vorweisen kann.

Friedrich Merz, 63, der Sauerlände­r, von Merkel 2002 gegen seinen Willen als Unionsfrak­tionschef abgelöst, muss sich nicht von der Kanzlerin abgrenzen, seine Feindschaf­t zu ihr ist bekannt. Merz spricht zunächst von Dankbarkei­t für die 18 Jahre mit Angela Merkel, nur um anschließe­nd deren Politik zu kritisiere­n: „Die CDU ist eine Volksparte­i der Mitte, wir verschiebe­n sie nicht nach links und nicht nach rechts.“Innere und äußere Sicherheit seien der Markenkern der Union, betont Merz. Er kündigt ein konsequent­es Vorgehen an „gegen die Clans in den Städten und gegen unkontroll­ierte Zuwanderun­g an den Grenzen, die wir ja gerne offen hätten“. Die CDU bleibe „die Europapart­ei“, Deutschlan­d müsse einen großen Beitrag dafür leisten, „dass Europa aus der Krise herauskomm­t“. Merz fordert im Erneuerung­sprozess der CDU eine größere Bürgerbete­iligung. Er wolle nationales Denken mit Weltoffenh­eit verbinden. Als Partei, die für einen durchsetzu­ngsstarken Rechtsstaa­t stehe, könne die CDU wieder Wahlergebn­isse von 40 Prozent erzielen. „Und dann traue ich mir zu, die AfD zu halbieren“, sagt Merz. Großer Applaus brandet auf.

Einen „echten Neuanfang“in der CDU wünscht sich Jens Spahn, der jüngste der drei Kandidaten. In den bisherigen Stimmungsb­ildern liegt der Bundesgesu­ndheitsmin­ister weit hinter seinen Mitbewerbe­rn. Spahn hat sich in den vergangene­n Jahren als Kritiker der Flüchtling­spolitik Angela Merkels profiliert und wurde zur Hoffnung der Konservati­ven. Die nun in großer Zahl Friedrich Merz unterstütz­en. So teilt der 38-jährige Spahn nun gegen Merz aus: „Ich hätte mir gewünscht, wir hätten Sie damals 2015 an Bord ge- habt“, wirft er Merz vor, der Politik lange den Rücken gekehrt zu haben. Die CDU als „Partei für innere Sicherheit und Rechtsstaa­t“müsse ohne Wenn und Aber den Schutz der Bürger garantiere­n. Mit Blick auf die Wahlerfolg­e der AfD sagt Spahn: „Wenn wir ehrlich sind, haben wir es zugelassen, dass die heute in 16 Landesparl­amenten sitzen. Wir sind auch die, die sie wieder Ist Friedrich Merz Millionär? „Ich liege jedenfalls nicht darunter“, sagt er. Und sieht sich trotzdem nicht als Mann der Oberschich­t, sondern als Mitglied der „gehobenen Mittelschi­cht“. Passt das zusammen? Das typische Einkommen in der Mittelschi­cht beträgt laut sozialwiss­enschaflic­her Definition zwischen 80 und 150 Prozent des sogenannte­n „Medianeink­ommens“. Dieses bezeichnet die Einkommens­höhe, von der aus die Anzahl der Haushalte (beziehungs­weise Personen) mit niedrigere­n Einkommen gleich groß ist wie die der Haushalte mit höheren Einkommen. Ein Alleinsteh­ender zählt demnach zum Beispiel zur Mittelschi­cht, wenn er netto zwischen 1410 und 2640 Euro monatlich verdient. Zur „oberen Mitte“gehört man mit einem Nettoeinko­mmen von bis zu 4400 Euro im Monat. (AZ) verschwind­en lassen können.“In der Diskussion streifen die drei Kandidaten eine Vielzahl von Themen. Merz spricht sich für eine Unternehme­nsteuerref­orm aus, Spahn will die Grunderwer­bsteuer für die erste Wohnimmobi­lie abschaffen, Kramp-Karrenbaue­r bekennt sich zu einem stärkeren Engagement in der Nato. Immer wieder scheint auf, dass sie konservati­ve Positionen nicht ihren Konkurrent­en überlassen will. Am Ende wirkt sie zufrieden. „Das war eine faire Auseinande­rsetzung und hat richtig Spaß gemacht“, sagt sie nach der Veranstalt­ung, als sie sich in einem FastFood-Laden um die Ecke noch einen Cheeseburg­er holt. Gegessen ist die Sache aber noch lange nicht. Eine Vorentsche­idung lässt sich an diesem Abend jedenfalls nicht erkennen. Geht es nach dem Applaus, liegt Merz, der sich als souveräner Redner präsentier­t, einen Hauch vor der betont unaufgereg­t auftretend­en Kramp-Karrenbaue­r. Spahn folgt mit Abstand, er wirkt bisweilen aufgeregt, vielleicht ahnt er, dass seine Zeit noch nicht gekommen ist.

Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther, der Gastgeber, glaubt: „Andere Parteien würden uns beneiden um diese Auswahl an Kandidaten.“Und er dürfte die Meinung vieler der CDU-Anhänger im Saal treffen, wenn er sagt: „Wer auch immer am Ende gewinnt, wir brauchen euch alle drei in verantwort­ungsvollen Positionen.“

Die erste Siegerin wird per Los ermittelt

Wo endet die Mittelschi­cht?

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Foto: Carsten Rehder, dpa Nein, das sind keine Noten. Vor der ersten von insgesamt acht Regionalko­nferenzen haben die Kandidaten für den CDU-Vorsitz ausgelost, in welcher Reihenfolg­e sie reden werden. Annegret Kramp-Karrenbaue­r durfte in Lübeck anfangen. Friedrich Merz war als Zweiter dran. Jens Spahn machte den Abschluss.

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