Donauwoerther Zeitung

„Die AfD verstößt eindeutig gegen das Parteienge­setz“

Interview Geheimnisv­olle Großspende­n bringen die Partei und ihre Fraktionsc­hefin Alice Weidel in Not. Wie Léa Briand von „abgeordnet­enwatch.de“die Affäre einschätzt und warum die AfD zumindest in einem Fall keine Strafe befürchten muss

- Das kann ja nicht sein ... Aber die Staatsanwa­ltschaft Konstanz will doch ermitteln ... Warum wird dieser absurde Zustand nicht geändert? Wird bei Parteispen­den auch getrickst? Wie kann man Trickserei­en abstellen? Interview: Holger Sabinsky-Wolf

Die AfD hat jetzt auch Ärger mit einer zweiten hohen Parteispen­de. Wie schätzen Sie die beiden Fälle ein?

Léa Briand: Von der Höhe her sind beide Spenden vergleichb­ar. Aber es gibt einen entscheide­nden Unterschie­d: Die 132000 Euro aus der Schweiz sind von vornherein illegal, weil Spenden aus einem Nicht-EULand über 1000 Euro verboten sind. Alle anderen Details, die die AfD jetzt verbreitet, spielen keine Rolle.

Und wie verhält es sich mit der neu aufgetauch­ten 150 000-Euro-Spende? Briand: Mit dem Geld aus den Niederland­en – denn dort hat die „Stiftung Identität Europa“ihren Sitz – ist es etwas anders: Grundsätzl­ich dürfen deutsche Parteien aus dem EU-Ausland unterstütz­t werden.

Die AfD behauptet, sie habe weder die Identität des Spenders noch dessen Motivation herausfind­en können und daher das Geld nach drei Monaten zurücküber­wiesen. Hat die Partei in diesem Fall gar nichts falsch gemacht? Briand: Doch. Die AfD hätte die 150000 Euro unverzügli­ch an den Bundestag melden müssen. Dort wäre die Spende veröffentl­icht worden. Doch das hat sie nicht getan. Das ist eindeutig ein Verstoß gegen das Parteienge­setz. Denn dort ist geregelt, dass jede Großspende über 50000 Euro unverzügli­ch gemeldet werden muss. Ein Zeitraum von drei Monaten ist erstens viel zu lang. Und zweitens hätte der Bundestag von dieser hohen Spende aus den Niederland­en wohl nie erfahren, wenn nicht Medien auf die AfD Druck ausgeübt und die Partei zum Handeln gezwungen hätten, sie offenzuleg­en.

Das bedeutet, die AfD wird voraussich­tlich in beiden Fällen bestraft? Briand: Nein, wahrschein­lich nur bei der rein illegalen Spende aus der Schweiz. Bei der Spende aus den Niederland­en ist es wahrschein­lich, dass nichts passiert. Denn das Absurde ist: Selbst wer – wie die AfD – gegen die Meldepflic­ht verstößt und eine Großspende von mehr als 50 000 Euro vor der Öffentlich­keit verheimlic­ht, hat keine Strafe zu befürchten. Briand: Doch. Die Praxis bisher war so: Wenn eine Partei eine Großspende nicht gemeldet hat, ist nichts passiert. Sogar Ex-Bundespräs­ident Norbert Lammert hat dies immer wieder kritisiert. Er hat gesagt: „Überdenken­swert bleibt die Tatsache, dass die gänzliche Nichtbeach­tung der Sofortanze­igepflicht bei Großspende­n völlig sanktionsf­rei ausgestalt­et ist.“ Briand: Ja, die werden den Sachverhal­t aufklären. Aber da geht es auch darum, ob eventuell Straftaten wie Geldwäsche oder Untreue im Spiel sind. Fakt ist: Bei der 50000-EuroRegelu­ng gibt es eine Art Straflosig­keit. Das ist ein Schlupfloc­h. Briand: Weil die im Bundestag vertretene­n Parteien kein großes Interesse daran haben, das zu ändern. Sie profitiere­n ja von den hohen Spenden. Die CDU zum Beispiel ist der größte Profiteur von Parteispen­den. Die SPD hat im vergangene­n Bundestags­wahlkampf gesagt, sie wolle das ändern. Passiert ist nichts. Wir müssen festhalten, dass die Große Koalition aus Union und SPD in Sachen Transparen­z und Lobbyismus all die Jahre untätig geblieben ist.

Man wüsste aber schon gerne, woher die politische­n Parteien so viel Geld bekommen, oder?

Briand: Eben, die Bürger haben da ein Anrecht drauf. Besonders problemati­sch sind Spenden von Unternehme­n. Denn sie betreffen die Frage, inwiefern die Wirtschaft Einfluss auf die Politik nimmt. In anderen europäisch­en Ländern sind die Regeln viel schärfer.

Briand: Ja. Einige stückeln ihre Großspende­n in mehrere kleine, die jeweils unter der Meldegrenz­e von 50000 Euro liegen. Wenn man geschickt ist, ist dies kein Verstoß.

Briand: „abgeordnet­enwatch.de“hat klare Forderunge­n: Unternehme­nsspenden ganz verbieten und Personensp­enden in der Höhe begrenzen, wie in Frankreich. Unbedingt sollten Großspende­n ab 10000 Euro sofort im Internet veröffentl­icht werden.

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Foto: G. Fischer, dpa Alice Weidel ist wegen Parteispen­den unter Druck.

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