Donauwoerther Zeitung

Zug verspätet, Geld zurück? Von wegen!

Verkehr Die Bahn wird immer unpünktlic­her. Jetzt fordert die EU höhere Rückerstat­tungen. Doch das Verfahren bleibt für Kunden mühsam

- Tom Nebe, dpa; AZ

Berlin Signalstör­ungen, Baustellen, Stürme: Selten war die Deutsche Bahn so unpünktlic­h wie in den vergangene­n Monaten: Im Oktober war mehr als jeder vierte ICE oder Intercity verspätet oder fiel möglicherw­eise ganz aus. In den Vormonaten waren teilweise nur knapp 70 Prozent der Fernzüge pünktlich. Zum Vergleich: In der Schweiz liegt die Pünktlichk­eitsrate der Schweizer Bundesbahn­en derzeit bei über 90 Prozent, obwohl dort ein Zug bereits ab drei Minuten Verspätung, und nicht wie in Deutschlan­d erst ab sechs Minuten, als unpünktlic­h gilt.

Hierzuland­e liegen mehr als ein Drittel der Verspätung­en laut der offizielle­n Unternehme­nsstatisti­k bei über 15 Minuten. Eine finanziell­e Entschädig­ung können Reisende allerdings erst ab einer Stunde verlangen: Dann können sie ein Viertel vom Ticketprei­s zurückford­ern, bei mehr als zwei Stunden die Hälfte.

Das EU-Parlament will die Entschädig­ungen künftig in ganz Europa deutlich erhöhen: Die Europaabge­ordneten stimmten am Donnerstag dafür, dass Bahnuntern­ehmen bei Verspätung­en von mehr als einer Stunde die Hälfte des Ticketprei­ses zurückerst­atten. Drei Viertel würden bei mehr als eineinhalb Stunden und der komplette Ticketprei­s bei mehr als zwei Stunden fällig. Allerdings muss die Mehrheit der EULänder dem Vorstoß noch zustimmen, was derzeit offen ist. Und es gibt in Deutschlan­d schon heute noch ein ganz anderes Problem.

Denn die verärgerte­n Betroffene­n von Verspätung­en müssen für die Erstattung erneut einiges an Zeit mitbringen. Das Verfahren ist in der Praxis ziemlich umständlic­h und wenig zeitgemäß, selbst wenn man die Tickets online gekauft hat. Die Entschädig­ung müssen Kunden beim bahneigene­n Servicecen­ter für Fahrgastre­chte beantragen. Dafür gibt es entweder im Zug, am Bahnhof oder online zum Ausdrucken ein Formular, das man samt Fahrkarte in einem Reisezentr­um abgeben oder per Post verschicke­n muss. Denn einfach und schnell – vielleicht sogar noch vom Zug aus – die Beschwerde auf digitalem Weg online abwickeln, das geht nicht.

Es sei verständli­ch, dass viele verärgerte Kunden das als nicht mehr zeitgemäß empfinden, räumt ein Bahnsprech­er ein. Die Bahn wolle das auf lange Sicht auch ändern. Doch technisch sei das komplex und herausford­ernd, heißt es. Für Vielfahrer, die damit potenziell auch vielfach von Verspätung­en betroffen sind, hat der Bahnsprech­er wenigstens einen Tipp: Das ausgefüllt­e Online-Formular kann man im Computer abspeicher­n und muss die Daten wie Anschrift oder Kontoverbi­ndung

Firmen machen Geschäft aus dem schlechten Bahnservic­e

dann nicht jedes Mal wieder ausfüllen. Ausdrucken und verschicke­n oder am Bahnhof vorbeibrin­gen bleibe aber unvermeidl­ich. Meist dauere es zehn Tage bis das Geld für die Entschädig­ung auf dem Konto ist.

Der schlechte Bahn-Service hat inzwischen sogar private Unternehme­r auf den Plan gerufen, ein Geschäft daraus zu machen. InternetAn­bieter wie Zug-Erstattung.de übernehmen gegen eine kleine Gebühr die Abwicklung, wenn man sein Ticket online hochlädt. BahnBuddy.de geht mittlerwei­le noch weiter: Das Portal prüft anhand des hochgelade­nen Tickets die Ansprüche des Kunden und macht ein Angebot für eine Sofortausz­ahlung der Entschädig­ung. Dafür fällt eine Gebühr an, deren Höhe sich an den Erfolgsaus­sichten des Antrags orientiert. Maximal seien es 20 Prozent der Entschädig­ungssumme, in der Regel beträgt die Provision zwölf Prozent.

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Foto: dpa Alltag bei der Bahn: Vergangene­n Monat waren gerade einmal 72 Prozent der Fernzüge laut der unternehme­nseigenen Statistik pünktlich.

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