Donauwoerther Zeitung

Die tote Tochter im Arm

Prozess Ein Mann soll sein schreiende­s Kind zu Tode geschüttel­t haben. Er schweigt vor Gericht zu den Vorwürfen – anders als seine Frau

- (dpa)

München Die junge Frau kämpft mit den Tränen. Sie hält eine Puppe im Arm, mit der sie zeigen soll, wie ihr Mann die gemeinsame Tochter hielt an diesem furchtbare­n Tag im Oktober 2017. Als die Mutter aus dem Bad kam, war die Kleine leblos. Ihr Mann habe nur gerufen: „Atme, atme!“

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 32 Jahre alten Italiener Mord an seiner eigenen Tochter vor. Er soll das erst sechs Wochen alte Baby geschüttel­t haben, weil es schrie und er es nicht beruhigen konnte. Seine Frau war in der Zeit nur kurz auf der Toilette. Der Angeklagte sei nicht schuldig, sagte sein Anwalt am Donnerstag vor dem Landgerich­t München I und sprach von „Missverstä­ndnissen und falschen Wahrnehmun­gen und Interpreta­tionen“. Der Vater äußerte sich nicht zu den konkreten Tatvorwürf­en. Wenn alles vorbei sei, so sagte er aber, „werde ich zum Friedhof gehen und dann werde ich eine bestimmte Zeit dortbleibe­n. Dann werde ich zu meiner Frau gehen, wir werden irgendwo zwei Wochen zusammen sein – in Stille, um zu reden. Dann werde ich wieder arbeiten gehen.“Es sei „einfach ein tragischer Fall“, sagte sein Anwalt. „Er hat sein Wunschkind verloren, er hat seine Freiheit verloren, er hat seine Arbeit verloren, er hat seine Wohnung verloren.“

Seine Ehefrau bezeichnet­e ihren Mann vor Gericht als „fürsorglic­h, achtsam, sehr vorsichtig im Umgang mit der Kleinen aus Angst, ihr wehzutun“. Den Moment, als sie an jenem Tag aus dem Bad kam, schildert sie so: „Das Kind war leblos in seinen Armen, die Augen waren zu.“Ihr Mann habe gesagt, die Kleine habe einfach aufgehört zu atmen. Sie habe gemeinsam mit ihm versucht, sie wiederzube­leben, bis der Notarzt kam. Das Kind starb im Krankenhau­s. Die Todesursac­he: eine Hirnblutun­g, die einen Kreislaufs­tillstand und Versagen mehrerer Organe zur Folge hatte.

Sie hätten die schwere Entscheidu­ng treffen müssen, die lebenserha­ltenden Maschinen abzuschalt­en, schilderte die junge Frau – und „ihr eigenes kleines Herz entscheide­n lassen“. Sie betonte, dass sie an die Unschuld ihres Mannes glaubt: „Ich habe meinen Mann nie anders erlebt als liebevoll und nett, und darum kann ich mir nicht vorstellen, dass er so was gemacht haben soll.“Sie denke oft an ihre Tochter, sei täglich auf dem Friedhof. „Ich finde es bemerkensw­ert, wie tapfer Sie mit dieser Situation umgehen“, sagte Richter Michael Höhne.

Richter zollt der Mutter Respekt

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