Donauwoerther Zeitung

Was für ein Sängerfest!

Konzert Das Opernstudi­o brachte einmal mehr internatio­nales Flair – von China über Finnland bis Israel – nach Mertingen. Bemerkensw­ert, wie er der Kulturkrei­s schafft, die musikalisc­he Welt in die Provinz zu holen

- VON ULRIKE HAMPP-WEIGAND

Mertingen Wieder einmal war die (vokale) Welt zu Gast in Mertingen: der chinesisch­e Tenor Long Long, der britische Tenor Freddie De Tommaso, der finnische Bass Markus Suihkonen, Sopranisti­nnen aus Russland (Anna El-Kashem), Puerto Rico (Anaïs Mejías) und Estland (Mirjam Mesak), Mezzosopra­nistinnen aus Georgien (Natalia Kutateladz­e) und Israel (Noa Beinart), der türkische Bassbarito­n (Og˘ulcan Yilmaz), die Pianistin Ewa Danilewska aus Polen, der Pianist Alessandro Stefanelli aus Italien, und ein Schweizer Moderator – der Leiter des Opernstudi­os der Bayerische­n Staatsoper in München –, Tobias Truniger. Seine Einführung­en sind jeweils zauberhaft­e, kenntnisre­iche, amüsante und gleichzeit­ig leidenscha­ftliche Plädoyers für die Oper.

Alle Interprete­n brachten begeistern­den stimmliche­n Wohlklang mit, verwandelt­en die ausverkauf­te Schulaula wieder in ein Opernhaus en miniature, verzückten das hingerisse­ne Publikum, das diese „Ein- führungsga­la“daher auch mit nicht enden wollenden, stehendem Beifall goutierte.

Preziosen der Opernliter­atur standen auf dem Programm – eingängige Melodien. Etwa Wolfgang Amadeus Mozarts Märchenope­r „Die Zauberflöt­e“. Sie erfüllt die Bedingunge­n, die an eine Oper früher gestellt wurden, damit diese nicht durchfiel: Es gibt zwei musikalisc­h gleichwert­ige Hauptdarst­eller, die „sich kriegen sollten“, ein Buffopaar und einen interessan­ten „Plot“. Die Handlung der „Zauberflöt­e“ist ein wenig krude: Eine böse Mutter (Königin der Nacht) hat eine Tochter (Pamina), die vom „guten“Hohepriest­er Sarastro entführt wird. Ein schöner Prinz (Tamino) fällt beim Anblick eines Ungeheuers in Ohnmacht. Ein aufschneid­erischer Taugenicht­s (Papageno) hat nur eine Frau im Sinn (Papagena). Ein Böser (Monostatos), ein paar Prüfungen und ein paar Versuchung­en runden die Handlung ab, an deren Ende das Gute über das Böse siegt. So klar, so gut?

Aber wie das sängerisch zu erle- ben war, geriet zu einem einzigen Hochgenuss: Long Long brillierte als Tamino mit tenoralem Schmelz, reichem Klang und großartige­r Höhe. Die die drei Damen (Noa Beinart, Natalia Kutateladz­e, Mirjam Mesak) – hinreißend anzuschaue­n – bekriegten sich über dem ohnmächtig­en Prinzen, und Og˘ulcan Yilmaz (für den erkranken Boris Prgl) und Anaïs Mejías sangen schelmisch und stimmlich hochkaräti­g von ihrer Zukunft und ihren vielen Wunschkind­ern.

Im Rossini-Jahr – sein Todestag jährt sich zum 150. Mal – durfte Giacomo Rossini natürlich nicht fehlen. In seiner Oper „L’Italiana in Algeri“gaben Natalia Kutateladz­e und Og˘ ulcan Yilmaz die Hörer verzückend­e Darstellun­gen ihres überragend­en Könnens – und das stimmlich wie darsteller­isch: zum einen in der von tiefem Schmerz zur mutig-kühnen Entschloss­enheit, ihr Leben selbst zu meistern, reifenden „Italieneri­n“Isabella, die sich aufgemacht hat, ihren Liebsten Lindoro aus Gefangensc­haft des Beys Mustafa zu befreien. Zum anderen in dem sehr komischen Duett mit ihrem treuen Anbeter Taddeo – immer wieder kam Kichern im Publikum auf.

Nach der Pause gab es Auszüge aus der ersten Oper Giuseppe Verdis, „Luisa Miller“. Das Libretto ist einer der Klassiker der deutschen Literatur, nämlich Friedrich von Schillers „Kabale und Liebe“. Ein bürgerlich­es Trauerspie­l voller bissiger Gesellscha­ftskritik um die Liebe zwischen (Bürgertoch­ter) Luisa und (Grafensohn) Rudolfo. Zugleich eine musikalisc­he Charakters­tudien von großer poetischer Kraft. Als Anaïs Mejías kraftvoll-zart flehentlic­h „Tu puniscimi“sang, als sich Rudolfo und die von ihm zurückgewi­esenen Federica (Noa Beinart) auseinande­rsetzen, als Freddie De Tommaso mit seinem metallen leuchtende­n Tenor die Arie des Rudolfo „Oh! fede … Quando le sere“anstimmte, hätte man eine Stecknadel fallen hören, so still war es im Publikum.

Letzter Programmte­il war die vom französisc­hen Komponiste­n Georges Bizet stammende „spanische Volksoper“„Carmen“, mit großartige­m, das Volk darstellen­den Solistench­or und einer verführeri­schen Carmen. In dieser Rolle begeistert­e Natalia Kutateladz­e mit ihrem Auftrittsl­ied „L’amour est un oiseau“. Ebenso brillant interpreti­erte Long Long als Don Jose „La fleur que tu m’avais“. Hinreißend erklang Ogulcan Yilmaz als Escamillo mit dem „Auf in den Kampf, Torero“, und berührend war Mirjam Mesak als vergeblich hoffender Micaela.

Das entzückte Publikum erhielt für begeistern­den Beifall und Bravi eine Zugabe: aus dem dritten Akt von Giuseppe Verdis Meisterwer­k „Rigoletto“. Long Long war zu hören als gewissenlo­ser herzoglich­er Verführer, der vor der verführten und verlassene­n Gilda (Anaïs Mejías) und Vater Rigoletto (Markus Suihkonen) die Hure Maddalena umwirbt „La donna è mobile“. Ein Abschluss vom Allerfeins­ten! Und leider wirklich das Ende.

Info Das Opernstudi­o kommt nach derzeitige­m Stand voraussich­tlich am Sonntag, 30. Juni, 18 Uhr, wieder.

 ?? Foto: Ulrike Hampp-Weigand ?? Solisten aus aller Welt gaben sich ein Stelldiche­in in der Gemeinde Mertingen. Formiert als Opernstudi­o brachten sie Perlen der Klassik zu Gehör.
Foto: Ulrike Hampp-Weigand Solisten aus aller Welt gaben sich ein Stelldiche­in in der Gemeinde Mertingen. Formiert als Opernstudi­o brachten sie Perlen der Klassik zu Gehör.

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