Seehofers Machtwort: Syrer dürfen bleiben
Hintergrund Damit hatte in Berlin kaum jemand gerechnet: Der Bundesinnenminister schließt Abschiebungen in das Kriegsland aus. Auch in Deutschland straffällig gewordene Männer oder Frauen werden nicht zurückgeführt
Augsburg Es kommt nicht allzu oft vor, dass sich Bundesinnenminister Horst Seehofer und die Organisation Pro Asyl einig sind. Für viele überraschend hat der scheidende CSUChef kategorisch ausgeschlossen, dass es derzeit Abschiebungen in das Kriegsland Syrien geben kann. Damit dürfte die Diskussion, die ja nicht zuletzt aus der Union in die Öffentlichkeit getragen wurde, vorerst entschieden sein. Seehofer hat die Abschiebung auch von straffälligen Asylbewerbern abgelehnt und auf den Lagebericht des Auswärtigen Amts (AA) verwiesen. Der Bericht, in dem unmissverständlich vor Abschiebungen nach Syrien gewarnt wird, sei „plausibel“, sagte Seehofer dem Spiegel.
Unter anderem hatte Annegret Kramp-Karrenbauer, die sich derzeit im Wettstreit mit den Parteikollegen Friedrich Merz und Jens Spahn um den CDU-Vorsitz befindet, die Rückführung – zumindest von straffälligen Asylbewerbern – in das geschundene Land ins Spiel gebracht.
Als sicher kann allerdings gelten, dass der Streit um sichere Herkunftsländer weitergehen wird. Derzeit sind folgende Staaten, aus denen eine nennenswerte Anzahl von Menschen in Deutschland Asyl beantragt hat, als sicher eingestuft: alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, der Kosovo, Mazedonien, Montenegro, der Senegal und Serbien.
Es existiert eine feste gesetzliche Definition für die Eigenschaften, die ein Herkunftsland erfüllen muss, um als sicher zu gelten. Dabei handelt es sich um Länder, von denen sich „aufgrund des demokratischen Systems und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist und dass der jeweilige Staat grundsätzlich vor nicht staatlicher Verfolgung schützen kann. Schutz vor nicht staatlicher Verfolgung bedeutet zum Beispiel, dass Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Schutz der Bevölkerung existieren und diese auch zugänglich gemacht und ange- wendet werden.“Es gilt dann die sogenannte „Regelvermutung“, dass keine Verfolgungsgefahren vorliegen. Auf dieser Basis arbeitet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf).
So weit, so klar. Doch die Sache ist komplizierter. Schließlich wird seit Jahren darüber gestritten, ob die nordafrikanischen Maghreb-Staaten diese Definition erfüllen oder eben nicht. Und da wiederum sind Seehofer und Pro Asyl konträrer Auffassung. Während Seehofer und mit ihm fast alle Politiker der Union Marokko oder Algerien für sicher halten, geißelt Pro Asyl die Abschiebung in diese Länder als unverantwortlich.
Nur wenig bekannt ist, dass auch Antragsteller aus sicheren Herkunftsländern ein Recht darauf haben, von Bamf-Mitarbeitern persönlich angehört zu werden. Und zwar ergebnisoffen. Auch die Schutzgewährung ist keinesfalls ausgeschlossen. Bei diesem Termin können die Antragssteller Beweismittel vorlegen, um nachzuweisen, dass ihnen, obgleich sie aus einem als sicher klassifizierten Land stammen, in ihrer Heimat Verfolgung droht. In der Praxis allerdings werden die meisten dieser Anträge als „offensichtlich unbegründet“abgelehnt. Um diese Fälle schneller abzuwickeln, hat der Gesetzgeber die Rechtsbehelfsfristen verkürzt. So sollen die Klageverfahren bei den Verwaltungsgerichten beschleunigt werden.
Die Anzahl der Asylbewerber ist seit einigen Jahren deutlich rückläufig. 2017 haben die Mitarbeiter des Bamf 186000 Asylanträge bearbeitet – immerhin 39 Prozent weniger
Im Jahr 2017 gab es 186 000 Asylanträge
als im Jahr zuvor. 68 000 Anträge erledigten sich durch eine freiwillige Heimreise oder das Zurückziehen des offensichtlich chancenlosen Antrags, 65 000 Menschen sind verpflichtet auszureisen. 2400 Asylbewerber seien anerkannt worden, 61 000 Menschen könnten in Deutschland bleiben aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention. Im Fokus der Politik stehen die 65000 Ausreisepflichtigen. Tatsächlich abgeschoben wurden 2017 lediglich 23 966 – teils, weil die Herkunftsländer sich querstellten, teils aber auch, weil den Ländern Polizisten fehlen, die die personalintensiven Abschiebungen begleiten.
Am 31. Dezember 2017 waren 1,7 Millionen Schutzsuchende im Ausländerzentralregister registriert. Ende 2017 lebten in Deutschland 349000 Menschen, über deren Antrag noch nicht rechtskräftig entschieden war.