Gratis lesen – Lektüre für alle
Offener Bücherschrank Im Landkreis gibt es dieses Projekt mittlerweile an sieben Standorten – als kommunale Aktion, durch Vereine und auch auf Privatinitiative hin. Wie funktioniert es? Und geht das Konzept auch tatsächlich auf?
Landkreis Wer weiß, wo die vier grünen Metallspinde einmal gestanden haben. Sie erinnern irgendwie an Schränke aus Personal-Umkleideräumen großer Firmen oder Ähnliches. Wie auch immer ihre Vergangenheit ausgesehen haben mag: In jedem Fall haben sie seitdem Karriere gemacht. Denn als sie an ihrem ursprünglichen Bestimmungsort ausrangiert worden sind, sind sie nicht etwa im Sperrmüll gelandet. Sie wurden aufgehübscht, mit Blumen und Schmetterlingen bemalt und tragen die fast poetische Aufschrift: „Bücher für jeden – nehmen und geben“. Zu finden ist dieser offene Bücherschrank – inklusive Lesebank – im Rainer Stadtpark nahe dem Spielplatz.
Die Idee, sich Bücher auf diese Weise mit anderen zu teilen (booksharing) wurde um das Jahr 2000 in den USA geboren. Sie ist genial und etabliert sich zusehends weltweit: Bücher, die gelesen sind und nicht mehr gebraucht werden, verstauben nicht im heimischen Wohnzimmer oder verschwinden gar im Müll, sondern werden an andere weitergegeben. In viele Orten weltweit stehen mittlerweile an prominenten Orten solche offenen Bücherschränke, an denen sich jeder bedienen darf.
Offene Bücherschränke sind für alle da, und das an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr. Jeder ist herzlich eingeladen, durch das Angebot zu stöbern, etwas davon zu behalten und im Gegenzug selbst etwas mitzubringen. Nach dem Prinzip des Gebens und Nehmens sollte ein solcher Bücherschrank immer voll mit Lektüre sein. Wer nur nimmt, selbst aber gerade nichts hat, muss kein schlechtes Gewissen haben, andere stellen dafür umso mehr Literatur auf die Regalbretter. Hunderte von Menschen können sich auf diese Weise ein Buch teilen, ohne dass einer von ihnen es besitzen muss – das ist die Idee hinter diesen Leihbüchereien. Und jeder, der sie bestückt, darf das schöne Gefühl haben, dass sein Buch vielleicht wieder einen anderen seelenverwandten Leser finden wird. Bevorzugt werden in aller Regel eher aktuelle Romane und Sachbücher. Uralt-Schmöker stehen in der Publikumsgunst nicht ganz so hoch. Aber selbst darunter lässt sich vielleicht der eine oder andere antiquarische Schatz ergattern.
Solche Tauschplätze sehen überall anders aus. Meist handelt es sich um wetterfeste Vitrinen. Mitunter sind es ausrangierte Telefonzellen, die originell umfunktioniert wurden. Auch in Baumstämme gesägte Fächer gibt es, bunt bemalte Holzhäuschen, Kunstobjekte mit geschützten Nischen und, und, und. Die Idee hat auch den Landkreis Donau-Ries ergriffen. Dort sind aktuell sieben Standorte sind aktuell bekannt: ● Donauwörth: Eine großräumige Vitrine – mehrsprachig beschriftet – steht auf dem Museumsplatz im Ried. Der Verein Engagierte Bürger Donauwörth (EBD) hat sie initiiert und betreut sie zusammen mit der Stadtbibliothek. Deren Leiterin Evelyn Leippert-Kutzner ist von dem System überzeugt. „Solche offenen Bücherschränke ersetzen natürlich weder Büchereien noch den Buchhandel. Aber sie sind eine gute Ergänzung und ein nettes Zusatzangebot. Die Leute mögen so etwas und Bücher erfahren dadurch Wertschätzung.“In Donauwörth funktioniert die offene Vitrine gut. Regelmäßig wird überprüft, ob die Bestände so weit in Ordnung sind und ob kein Müll dort entsorgt wird. Allzu unansehnliche Exemplare kommen raus. Rain: Die Spinde im Stadtpark Rain sind auf eine reine Privatinitiative und auf Privatgrund hin entstanden. Eine Anwohnerin, der dort ein Schrebergarten gehört, ist eine begeisterte Leseratte und wusste eines Tages nicht wohin mit ihren Büchern. Von ihren früheren Wohnorten Karlsruhe und Hamburg kannte sie die offenen Bücherschränke und übernahm die Idee für Rain. Und auch dort darf sie als Erfolg gelten. „Ich höre mehrfach am Tag die Blechtüren auf- und zugehen“, freut sich die Initiatorin über reges Interesse. „Der Bücherschrank wird sehr, sehr gut angenommen – auf jeden Fall! Und er wird gut behandelt, denn noch nie war Müll darin.“
● Nördlingen: Die rote Vitrine aus Metall und Sicherheitsglas ist ein Blickfang am Rand der Fußgängerzone/Löpsinger Straße. Karl Schaffer betreut sie ehrenamtlich und gerät ins Schwärmen darüber, wie groß die Nachfrage ist: „Manchmal wechselt ein Drittel des Bestands am Tag den Besitzer. Ich weiß das, weil ich mindestens einmal täglich dort vorbeischaue, zerfledderte Exemplare entferne und dafür sorge, dass es ständig ein attraktives Angebot gibt.“Da Schaffer nur zehn Meter vom offenen Bücherschrank ent- fernt wohnt, hat er die Betreuung in seinen Alltag integriert. „Um den Erfolg zu beschreiben, kann ich auch ergänzen: Die Vitrine ist abschließbar. Ich hatte aber noch nie in dreieinhalb Jahren einen Grund, sie zuzusperren.“
● Wemding: Nahe dem Karmelittinnenkloster steht in der Kapuzineranlage ein Metallschrank mit Fronten aus Sicherheitsglas. Lesebänke laden darüber hinaus zum Verweilen und Schmökern ein. Als Erfolgsgeschichte beschreibt Judith Strohhofer, die Leiterin der Tourist-Information, diese Einrichtung. „Da gibt es weder Vandalismus, noch sonstige grenzwertigen Vorfälle“, freut sie sich. „Wir erfahren immer wieder aus der Bevölkerung, wie beliebt der offene Bücherschrank ist und sehen auch immer wieder Interessierte dort stehen.“
● Buchdorf: Gleich zwei öffentliche Anlaufstellen für Bücherfreunde gibt es in Buchdorf – zusammengefasst unter dem Slogan „Buchdorfer Dorfmehr, bücher“. Offenbar gilt dort die lateinische Redenswart: „nomen est omen“(Der Name ist ein Zeichen). Der eine offene Bücherschrank ist in einer umfunktionierten Telefonzelle (Johannes-Kraus-Straße 2) am Feuerwehrhaus untergebracht. Ein Team um Ursula Kneißl-Eder kümmert sich, dass er in einem ordentlichen Zustand ist. „Das Projekt läuft richtig gut“, sagt sie, „es wird gut angenommen, und wir bekommen öfter mal Spenden.“Der zweite „Schrank“ist eine Privatinitiative in der Bürgermeister-Rößner-Straße und ist eigentlich ein Gartenhaus – ein Bücherhaus. Dort gibt es bestimmte Öffnungszeiten, zu denen sich Leseratten treffen können.
● Oettingen: Eine reine Sommeraktion ist das offene Bücherregal in Oettingen, denn es steht dort im Info-Pavillon des Freibads. Während der Öffnungszeiten tummeln sich oft viele Badegäste dort. „Es wird reger Gebrauch davon gemacht“, weiß man im Rathaus.