Geschichten aus 32 Jahren Knast
Lesung Tatort-Schauspieler Joe Bausch war als Gefängnismediziner in einer JVA tätig. Er referierte in Donauwörth
Donauwörth „Es hat 32 Jahre lang gedauert, bis ich aus dem Gefängnis herausgekommen bin“, sagt Joe Bausch, nachdem er in diesem November pensioniert wurde. Der Schauspieler, der vor allem aus dem Kölner Tatort als Gerichtsmediziner Dr. Roth bekannt ist, weiß mit seinem anderen Beruf als Gefängnismediziner humorvoll umzugehen. Mit vielen Mördern, Vergewaltigern und anderen Schwerverbrechern hatte er über drei Jahrzehnte täglich zu tun. Oft ist Bausch auch bei vielen Talk-Shows im Fernsehen zu sehen, bei welchen es meist um die Gewalt in der Gesellschaft geht. Nun hat er zwölf Geschichten aus seiner Zeit mit den Häftlingen in seinem neuen Buch „Gangsterblues“veröffentlicht.
Im Donauwörther Münsterpfarrsaal ist der Schriftsteller nun zu Gast und gibt nicht nur Einblicke in sein neues Werk, sondern berichtet auch über andere Erlebnisse, die nicht in „Gangsterblues“zu finden sind.
„Ich bin in den vergangenen Jahren sehr viel in verschiedenen Talkshows zu Gast gewesen. Oft habe ich mir danach gedacht, dass ich gerne über etwas anderes geredet hätte und habe auch oft die gleichen Fragen immer wieder beantwortet“, erklärt Joe Bausch. Dass er nun ein Buch geschrieben hat, liege auch daran, dass er auch „die harten Geschichten“aus dem Gefängnisalltag erzählen möchte. Außerdem wolle er auch die Möglichkeit nutzen, die ihm so oft gestellten Fragen zu beantworten. „Ich werde oft gefragt, ob es bei mir in der Sprechstunde voll ist, wenn am Sonntag ein Tatort ausgestrahlt wird. Ich spiele diese Rolle seit 21 Jahren und die Häftlinge haben sich daran gewöhnt. Es ist bei mir lediglich mal voller in der Sprechstunde, wenn ich einen Mörder spiele“, schmunzelt Bausch.
Auch möchte er erklären, dass im Fernsehen nicht alles die Realität widerspiegelt. „Wenn sie in einer Dokumentation einen Häftling sehen, der einen Fernseher und eine Playstation im Zimmer hat, müssen sie bedenken, dass er sich das im Gefängnis selber verdienen muss. Das Geld, das sich unsere Häftlinge verdienen, dürfen sie dann für solche Gegenstände ausgeben. Wenn man so eine Zelle sieht, kann man sagen, dass er auf einem guten Weg ist. Ein Gefangener, dessen Zelle nach sieben Jahren leer ist, der ist auf keinem guten Weg“, betont der Mediziner. Seine Erzählungen sind aber an diesem Abend auch von zahlreichen Anekdoten geprägt, die er oft mit einem sehr trockenen Humor erzählt. „Zu mir kam einmal in die Sprechstunde ein Häftling, der seine Zelle nicht mit dem anderen Häftling teilen wollte, weil dieser ein Mörder ist. Ich entgegnete ihm, dass wir dachten, es würde schon passen, da er ja ein Totschläger ist“, erzählt der Mediziner, der es aber auch als seine Aufgabe sieht, den Häftlingen ihre aktuelle Situation widerzuspiegeln. „Im Gefängnis ist es sehr wichtig, immer direkt zu sein und eine gewisse Authentizität zu haben. Wenn man die Gefangenen belügt oder ihnen etwas vormacht, hat man das Vertrauen verloren“, berichtet Bausch.
Aus seinem Buch, das zwölf Geschichten beinhaltet, mit denen der Schriftsteller verschiedene Themengebiete anschneiden möchte, präsentiert er teils amüsante, aber auch ernste und nachdenkliche Anekdoten. Gelacht wird unter den Gästen über ein älteres Verbrechertrio, dass eineinhalb Jahre nach ihrer Entlassung zurück in die Anstalt kam, weil sie bei einem Bier zusammen beschlossen, ein allerletztes Mal einen gemeinsamen Überfall „mit Niveau“zu begehen. Sie sahen es als neues Ziel, etwas gemeinsam zu erreichen.
Nachdenkliche und ernste Worte richtet der Autor gegen Ende seines Vortrags an seine Zuhörer. „Es ist wichtig, dass man heutzutage hinschaut. Oft gibt es bei Personen Anzeichen dafür, dass sie in kriminelle Kreise abrutschen. Man sollte sich in seinem Umfeld bewusster umschauen und schneller Initiative ergreifen. Dadurch könnte man sehr viele Verbrechen verhindern. Wichtig ist es, schon bei den Kindern zu beginnen“, appelliert der Schauspieler.
„Auch Zivilcourage kann jeder ergreifen, selbst wenn man sich nicht traut, dazwischen zu gehen, kann jeder heutzutage zum Handy greifen und die Polizei rufen“, zeigt sich Bausch überzeugt.