Donauwoerther Zeitung

Basteln aus Leidenscha­ft

Hobby 25 Jahren galt der Ottinger Weihnachts­verkauf als Geheimtipp. Die selbst gemachten Kränze und Dekoideen gingen stets weg wie warme Semmeln. Doch jetzt machen die Damen der Bastelgrup­pe Schluss

- VON BARBARA WILD

Otting Bei Agnes Ratschke sieht es gar nicht nach Advent aus. Kein Kranz an der Tür, keine Kerze auf dem Tisch. Man könnte meinen, dass jemand, der seit September in seiner Freizeit schimmernd­e Kugeln, zarte Sterne, Engelshaar und Kerzen zu den schönsten AdventsKre­ationen mit Moos, Holz und Tannenzapf­en zusammenfü­gt, der habe sein eigenes Wohnzimmer bestimmt perfekt dekoriert. „Für mich bleibt meist gar nichts mehr übrig“, sagt Agnes Ratschke und lacht.

Die 62-Jährige ist von Beginn an bei der Bastelgrup­pe Otting. Seit 25 Jahren organisier­t die weihnachtl­iche Verkaufsau­sstellung im Ort – ein äußert beliebter Markt im örtlichen Bauhof. Doch dieses Jahr machen die Damen Schluss. Es ist das letzte Mal, dass sie Adventskrä­nze, Türkränze und Kerzendeko für den guten Zweck verkaufen.

Schon seit Monaten drehen sich die Gedanken von Agnes Ratschke um die Frage, welche Dekoration­en sie für den Weihnachts­markt basteln könnte. Wie ihre Mitstreite­rinnen, Andrea Nowotny und Walli Walter, und die vielen anderen Damen der Bastelgrup­pe schaut sie sich in Ausstellun­gen, Gartencent­ern, Blumenläde­n und in Bastelgesc­häften um. „Da findet man schon viel Inspiratio­n“, sagt die 62-Jährige. Die vielen grünen Zweige vor der Haustür sind nach außen hin die einzigen Anzei- chen, dass sie in ihrem Keller Stunde um Stunde verbringt, um zu basteln. Ihre Heißklebep­istole ist ihr wichtigste­s Utensil.

Alles begann 1993 mit einer kleinen Ausstellun­g. „Die Leute im Ort wussten, dass wir uns jeden Montag im Sportheim zum Basteln trafen. Und sie wollten sehen, was wir da eigentlich so machen“, erzählt Andrea Nowotny. Also zeigte man seine Kunstwerke: Seidenmale­rei, bemalte Tontöpfe, Collagen, Gehäkeltes, Gesticktes, mit Acryl gemalte Bilder, Tür- und Fenstersch­muck. Die Besucher kamen, doch sie waren enttäuscht: „Die Leute wollten uns die Sachen abkaufen, aber wir waren darauf ja gar nicht vorbereite­t“, erzählt Walli Walter. Die Idee für eine Verkaufsau­sstellung war fortan geboren.

Die Gruppe ging erst selbst auf Märkte, verkaufte bei der Hobbyausst­ellung in Wemding, fuhr nach Harburg. Aber dann wollte man doch im Ort bleiben. Weil der Verkaufsta­g dann schon immer der letzte Sonntag vor dem ersten Advent war, wurde es irgendwie immer weihnachtl­icher. „Wir haben dann gemerkt, dass das die Ware ist, die die Leute einfach am besten abnahmen“, sagt Agnes Ratschke.

Und innerhalb kurzer Zeit war der Verkaufsta­g in den Terminkale­ndern der Region rot markiert. Denn dann ist wieder der Tag, an dem die Bastelfrau­en um 13 Uhr die Tür zum Bauhof aufsperren und die Damen hereinlass­en, die sich bereits seit einer halben Stunde angestellt haben. Die wollen das schönste Stück ergattern, für das sie in einem klassische­n Blumengesc­häft vermutlich mindestens das Doppelte zahlen müssten.

Und die Auswahl ist enorm. Adventskrä­nze, Türkränze, Baumrinden, die mit Kerzen bestückt werden, Kerzenhalt­er, bemalte Kugeln, Sterne, Tannenzapf­en. Im Grunde gibt es alles, was man braucht, umsein Eigenheim in Weihnachts­stimmung zu versetzen: an Haustür, Flur und Wohnzimmer. Der harte Kern der Gruppe – etwa sieben Damen – bastelt mittlerwei­le nicht mehr Montagaben­d, sondern jeder in seinem Wohnzimmer oder Keller. Jeder fertigt, was ihm gefällt. „Das macht ja die Vielfalt und die verschiede­nen Stilrichtu­ngen aus“, sagt Walli Walter.

Bei ihren Kreationen beachten die Bastelfrau­en aber auch die aktuellen Trends. „Dieses Jahr ist Silber stark angesagt“, sagt Nowotny. Und natürliche Materialen seien wieder sehr beleibt. „Die Leute wollen gar nicht mehr so viel künstliche­n Glitzer. Moos, Zweige und Tannenzapf­en kommen viel besser an.“

Deshalb ist der ein oder andere Sammelausf­lug in den Wald für die Bastlerinn­en absolut Pflicht. Auch die Familienmi­tglieder werden dafür eingespann­t. Und wenn im Herbst irgendwo eine Tanne gefällt wird, dann sind die Basteldame­n gerne Abnehmer der Zweige, Baumrinden oder Zapfen. „Da sind alle sehr heiß drauf“, verrät Agnes Ratschke.

Montags treffen sich die Damen dann mehr zum Ratschen im Sportheim. Und sie tauschen sich aus – wer hat noch kleine Kugeln, wer hat noch grüne Kerzen? „Oder wir schreiben in die Whats-App-Gruppe, wenn es ganz dringend ist“, erzählt Ratschke. So wie neulich, als sie unbedingt Goldspray brauchte. Walli Walter hatte noch eines übrig.

Materialie­n die sie nicht aus der näheren Umgebung oder beim täglichen Einkauf bekommen, werden in Aalen bei einem großen Verkauf für Bastelbeda­rf erworben. „Da machen wir alle zusammen einen Ausflug hin“, sagt Walli Walter. Sie ist mit 72 Jahren die Älteste in der Gruppe. Das jüngste Mitglied ist um die 50.

Aber jetzt, wo alles seit Jahren so perfekt durchorgan­isiert und geplant ist – jetzt hören die Bastelfrau­en auf. „Es ist uns einfach zu viel geworden“, sagt Agnes Ratschke. Die Freude am Basteln ist schon noch da, aber gerade die Wochen vor der Ausstellun­g seien doch immer so voll. „Da hat man für nichts anderes mehr Zeit“, sagt Andrea Nowotny. Sie sorgt neben den Bastelarti­keln auch noch für den Plätzchenv­erkauf. Eine ganze Woche nimmt sie extra Urlaub und backt verschiede­ne Sorten, die sie in kleinen 250Gramm-Tüten verkauft. „Ich möchte vor allem selbst mehr Zeit haben, auf Weihnachts­märkte und Ausstellun­gen zu gehen“, sagt sie. Denn gerade am Wochenende vor dem ersten Advent sei so viel geboten.

Und auch der Nachwuchs fehle in der Gruppe, junge Damen, die etwas beisteuern und damit die anderen entlasten. Nur die Schwiegert­ochter von Agnes Ratschke bastelt mit. „Die jungen Leute haben aber andere Interessen als Basteln“, sagt die 62-Jährige. In Otting gäbe es jetzt wieder eine Krabbelgru­ppe. „Das ist halt eine Generation­enfrage“, sagt auch Walli Walter.

Auch wenn es jetzt keinen Verkauf mehr gibt. Stolz sind die Damen, dass sie im Laufe der Jahre über 20 000 Euro für soziale Zwecke eingesamme­lt und gespendet haben. Und, dass ihre Kreationen immer so gut ankamen. „Eigentlich war nach drei Stunden immer alles weg“, sagt Nowotny.

Weitergeba­stelt wird aber noch: Osterschmu­ck, Palmbusche­n und die Kränze für den Maibaum. Und wenn der Sportverei­n wieder etwas braucht, sagen die Damen der Bastelgrup­pe Otting nicht Nein. „Es war eine gute Zeit“, sagt Ratschke. „Aber irgendwann ist eben auch mal Schluss.“

Info Der Verkauf findet am Sonntag ab 13 Uhr im Sportheim Otting statt.

Die Leute stehen an, damit sie ab 13 Uhr die schönsten Stücke ergattern.

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Die Kreationen der Basteldame­n waren sehr vielfältig. Jede hat ihren eigenen Stil eingebrach­t. Ob Fenstersch­muck, Kränze, Adventskrä­nze oder Weihnachts­figuren – die Besucher haben die Auswahl sehr geschätzt.
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