Donauwoerther Zeitung

Neuanfang: Ja. Revolution? Eher nein.

Der Kampf um die Merkel-Nachfolge hat CDU und Republik aufgeweckt. Aber kein Kandidat überzeugte restlos – also könnte Merkel vorerst bleiben

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Man muss sich die CDU gerade als eine glückliche Partei vorstellen. Sie wirkt aufgeweckt, im wahrsten Sinne des Wortes. Noch vor wenigen Monaten, in jener „bleiernen Zeit“(Annegret Kramp-Karrenbaue­r), genügte eine Frage, um alle Debatten über das Ende der Ära Merkel verstummen zu lassen: Wer soll es denn dann machen?

Nun ist es so gekommen, wie es in der Geschichte immer kommt: Wenn ein Großer – oder in diesem Fall eine Große – abtritt, folgen einfach andere. Diesmal sogar drei. Denn ganz gleich, wie man den parteiinte­rnen Wahlkampf der vorigen Wochen bewertet: Ein Erfolg ist, dass sich alle Kandidaten nicht desavouier­t haben. Keiner von ihnen würde in der Union – oder der Republik – schlaflose Nächte auslösen. Und niemand aus dem Trio wird die Partei so spalten, dass sie erst mühsam wieder zusammenwa­chsen müsste.

Allerdings, das ist die Kehrseite von so viel Einigkeit: Restlos überzeugt hat auch niemand. Friedrich Merz hatte darauf am meisten gehofft, angesichts der ersten Euphorie nach seiner Rückkehr. Doch diverse Fehltritte haben seiner Bewerbung die Kraft zum Durchmarsc­h geraubt. Dabei ist seine Wirtschaft­svergangen­heit das geringere Problem; zumindest unter den CDU-Delegierte­n wird dies nicht gegen ihn verwendet (auch wenn Bedenken über eine „Vermittelb­arkeit“bei einer Bundestags­wahl durchaus kursieren).

Schwerer wiegt gegen ihn der latente „Geruch von gestern“– und die Kraft des Faktischen. Als Merz etwa vorschlug, die Union solle konservati­ve Positionen wie die Wehrpflich­t wieder besetzen, musste er einräumen: Einführen würde auch er diese nicht wieder.

Merz könnte es dennoch schaffen – Jens Spahn, der junge Außenseite­r, wird ihm aller Voraussich­t nach im ersten Wahlgang nicht allzu viele Stimmen rauben. Und Generalsek­retärin Kramp-Karrenbaue­r („AKK“) hat zwar Distanz zu Merkel aufgezeigt, etwa in der Flüchtling­spolitik. Aber rhetorisch konnte sie nur selten begeistern.

Setzt Merz sich nur knapp durch (oder gelingt dies AKK doch), heißt dies aber: Es wird sich zwar Wesentlich­es ändern, Historisch­es fast. Denn weder die CDU noch die Republik haben je Vergleichb­ares erlebt. Merkel hat ja zwar nicht den sofortigen Rücktritt erklärt, aber eine neue Kandidatur ausgeschlo­ssen. Sie ist Kanzlerin auf Abruf. Das gab es so noch nie.

Doch es wird sich vermutlich nicht rasch alles ändern. Ein gerade so gewählter Parteichef Merz oder eine hauchdünn ernannte Parteivors­itzende Kramp-Karrenbaue­r werden nicht im Triumph an Merkels Bürotür im Kanzleramt rütteln können. Wahrschein­licher ist, dass ein mehr oder weniger ungleiches Tandem erst einmal weiterrade­ln wird. Ein Parteichef Merz hätte so Zeit, sich in die aktuelle Politik einzuarbei­ten. Und KrampKarre­nbauer könnte sogar in Einvernehm­en mit Frau Merkel Aufgabente­ilung praktizier­en – hier eine erfahrene Weltkanzle­rin, vor allem außenpolit­isch im Einsatz. Und dort eine neue Parteivors­itzende, welche die Innenpolit­ik aufrollt und zur Kanzlerkan­didatin reift.

Ob sich die anderen Parteien das einfach anschauen werden? Die geschunden­e SPD dürfte in der Koalition bleiben, solange es sie nicht zerreißt. Und die CSU ist der Politkämpf­e zu Recht müde, sie konzentrie­rt sich gerade voll und ganz auf ihre Erneuerung. Ministerpr­äsident Markus Söder würde wohl mit Merz wie AKK gut zusammenar­beiten – zumal dann die Parteichef­s von CSU und CDU beide nicht im Bundeskabi­nett säßen.

Es herrschte also zunächst viel Harmonie. Fragt sich nur, ob das auch denen reicht, die eher eine Revolution wollten.

Erst einmal gibt es wohl Harmonie. Zu viel?

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