Donauwoerther Zeitung

Rückschlag für Europas Grenzschut­z-Pläne

Flüchtling­e 10 000 europäisch­e Grenzschüt­zer sollen illegale Migration eindämmen. Warum das Frontex-Projekt jetzt aber nicht vorankommt

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Monatelang hatte die EUKommissi­on unter dem Druck der Mitgliedst­aaten an einer deutlich verstärkte­n gemeinsame­n Grenzund Küstenschu­tz-Einheit gearbeitet. Am Donnerstag platzte der Traum – zumindest vorerst. Zwar war selbst Bundesinne­nminister Horst Seehofer zum ersten Mal in dieser Funktion nach Brüssel gereist, um klarzumach­en: „Die ständige Reserve der Frontex-Beamten muss so schnell wie irgend möglich aufgestock­t werden.“Doch von einem wirklich zügigen Ausbau der Grenzschut­zagentur Frontex kann keine Rede mehr sein.

„Wir sollten uns beeilen, aber bei unseren Zeitzielen realistisc­h bleiben“, sagte Seehofer bei den Beratungen mit seinen Amtskolleg­en. „2025 wäre für mich ein machbarer Zeitplan“, fügte er hinzu. Doch die EU-Kommission wollte die derzeit vorhandene Grenzschut­ztruppe von 1500 Beamten eigentlich schon bis 2020 auf 10000 Mann erweitern – rund 1200 sollten aus Deutschlan­d kommen. Doch jetzt bremsen die Mitgliedst­aaten. Österreich, das derzeit die halbjährli­ch wechselnde EU-Ratspräsid­entschaft innehat, präsentier­te einen Kompromiss­Vorschlag, der einen Einsatz der neuen Truppe erst 2027 vorsah.

Damit nicht genug. Schon am Wochenende war bekannt geworden, dass ausgerechn­et Seehofers Bundesinne­nministeri­um dem Vorhaben generell kritisch gegenübers­teht. Es sei „nicht erkennbar, durch welche neuen Aufgabenzu­weisungen für Frontex an den Außengrenz­en dieser Personalzu­wachs begründet ist“. Schon vorab war eine der zentralen Regelungen, die die EU-Kommission wollte, gekippt worden.

Die Behörde hatte geplant, dass Frontex zur Unterstütz­ung der nationalen Grenzschüt­zer auch gegen den Willen eines Mitgliedst­aates eingesetzt werden kann, wenn der nicht in der Lage ist, die Übergänge zu kontrollie­ren. Vor allem Griechenla­nd und Italien sahen darin einen Verstoß gegen ihre Souveränit­ät – zumindest begründete­n sie ihren Widerstand so. Kritiker Athens und Roms unterstell­en den beiden Regierunge­n dagegen, sie wollten verhindern, dass ihnen europäisch­e Fachbeamte auf die Finger sehen, wenn die dortigen Behörden Migranten einfach in andere Mitgliedst­aaten weiterschi­cken.

Der Frontex-Rückschlag ist nicht der einzige Punkt, der am Donnerstag scheiterte. So steht wohl nun auch fest, dass die EU bei der Abstimmung über den UNMigratio­nspakt am Montag in Marrakesch nicht mit einer Stimme sprechen wird – sechs Regierunge­n wollen das Papier ablehnen. Auch einführen

Auch einheitlic­he Asylpläne für die EU scheitern

der in dieser Legislatur­periode letzte Anlauf für eine weitgehend­e Harmonisie­rung der Asylrechts-Regeln scheiterte offenbar.

Es ging um ein Paket mit sieben Vorschläge­n der EU-Kommission. Dazu gehören eine neue EU-Datenbank für Fingerabdr­ücke von Asylbewerb­ern (Eurodac), Verordnung­en über gleiche Aufnahmekr­iterien und Standards für die Betreuung und Unterbring­ung von Flüchtling­en sowie zwei umfassende Verordnung­en über die Reform des Dublin-Systems sowie die Stärkung der Frontex-Agentur. Sie sollte künftig Anträge prüfen und bei einem positiven Bescheid die angekommen­en Flüchtling­e verteilen. Voraussetz­ung dafür wäre aber gewesen, dass sich die 28 Mitgliedst­aaten auf eine faire Aufnahme der Hilfesuche­nden geeinigt hätten. Dies wird seit Monaten von mehreren Regierunge­n vor allem östlicher EU–Länder verhindert.

Ein Durchbruch blieb am Donnerstag aus – obwohl Migrations­kommissar Dimitris Avramopoul­os angeregt hatte, wenigstens fünf seiner Vorschläge zu beschließe­n, bei denen man sich hätte einigen können. „Jedes Land entscheide­t weiterhin alleine darüber, ob ein Asylantrag genehmigt wird oder illegale Migranten zurückgesc­hickt werden“, bemühte er sich die Bedenken der Kritiker zu entschärfe­n. Es gelang ihm nicht.

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Foto: dpa-Archiv Deutscher Frontex-Beamter auf Einsatz in Griechenla­nd.

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