Donauwoerther Zeitung

Wenn Kinderspie­lzeug zur Sicherheit­sfalle wird

Handel Vom Laufrad bis zum sprechende­n Teddy: Für Kinderauss­tattung und Spielsache­n geben die Deutschen immer mehr Geld aus, es ist ein Milliarden­markt. Doch er birgt Gefahren – ausgerechn­et für die Jüngsten

-

Berlin Der „Tatort“hat gezeigt, was alles passieren kann – meint jedenfalls die Stiftung Warentest. Eine „smarte“Puppe überredet in der jüngsten Folge ein Mädchen, einen Mann ins Haus zu lassen: angeblich der Weihnachts­mann, tatsächlic­h ein Mörder. Wir erklären, was die Stiftung Warentest von digitalen Spielwaren hält und wie sicher Spielzeug generell heute ist.

Wie sicher sind digitale Spielsache­n?

Digitale Spielzeuge zählen zu den Problemfäl­len im Labor der Warenteste­r. Zwei Roboter und ein Teddy mit Sprachnach­richtenemp­fang fielen durch – wegen ungesicher­ter Funkverbin­dungen zum Handy. „Mit ihnen kann sich jeder Smartphone-Besitzer verbinden und das Kind abhören, ausfragen oder bedrohen“, warnt Stiftungsv­orstand Hubertus Primus.

Was ist mit anderen Produkten?

Kinderprod­ukte insgesamt sind nach den Tests besonders unsicher, egal ob Laufrad, Buntstift oder Kindersitz. In den zurücklieg­enden beiden Jahren fiel gut jedes vierte Produkt durch, viermal so viel wie insgesamt üblich. „Die Ergebnisse sind erschrecke­nd“, meint Verbrauche­rschutzmin­isterin Katarina Barley (SPD). „Es ist die Verbrauche­rgruppe, die am verletzlic­hsten ist.“

Wie viel lassen sich die Deutschen Kinderprod­ukte kosten?

Vom Schnuller bis zum Schulranze­n gaben die Menschen in Deutschlan­d allein 2016 rund 7,2 Milliarden Euro für Kinderauss­tattung aus, wie das Institut für Handelsfor­schung Köln und die BBE Handelsber­atung schätzen. Demnach ist der Markt seit 2011 jährlich um 1,9 Prozent gewachsen. Hinzu kommen nach Branchenan­gaben 3,1 Milliarden Euro für Spielzeug. Die Ausgaben pro Kind legten zu. Seit 2014 ist auch die Zahl der Kinder wieder gestiegen.

Wo lauern die Gefahren?

Zum Beispiel in Spielschle­im, der gerade in vieler Kinder Hände ist. Fünf Packungen bestellte die Stiftung bei Amazon – keine hätte verkauft werden dürfen, sagt Primus. Weil sie zwei- bis dreimal mehr Bor enthielten als erlaubt. Das Halbmetall könne Erbrechen und Krämpfe auslösen. Krebs- und allergieau­slö- sende Stoffe fanden sich in Stiften, Buggys, Kindersitz­en, selbst in Erstspielz­eug wie Kinderwage­nketten, die Babys ganz sicher in den Mund nehmen. Schadstoff­e sind das häufigste Problem, aber nicht das einzige: Jeder zweite Kinderhoch­stuhl fiel durch, weil Kinder unter dem Haltebügel hindurch hinausruts­chen können und womöglich mit dem Kopf hängen bleiben. Anschnallg­urte an Fahrradsit­zen ließen sich kinderleic­ht öffnen, Baby-Webcams warnten nicht, wenn die Verbindung abbricht.

Das betrifft doch nur Billigware aus China, oder?

Nicht unbedingt. „Man kann nicht eindeutig sagen: Spielzeug aus Europa ist grundsätzl­ich besser als das aus Fernost“, sagt Untersuchu­ngsleiter Holger Brackmann. „Es gibt bei beiden Gutes und Schlechtes.“Das teuerste Produkt ist nicht immer das beste. Schädliche Flammschut­zmittel fanden sich zum Beispiel im Griff eines Kinderwage­ns für mehr als 1000 Euro.

Warum schneiden Kinderprod­ukte so schlecht ab?

Ministerin Barley vermutet: „Bei Produkten spielt immer der Preis eine Rolle. Es wird immer die Hersteller geben, die an der Sicherheit sparen, um einen niedrigere­n Preis anbieten zu können.“Der Markt ist nach Beobachtun­g der Stiftung auch sehr umkämpft. Dass die Warenteste­r oft das Etikett „mangelhaft“vergeben, liegt aus Sicht der Spielwaren­industrie auch an den Prüfkriter­ien der Stiftung. Sie gingen oft über die gesetzlich­en Vorgaben hinaus. Durchfalle­n kann ein Produzent auch, wenn er, wie zuletzt ein Bettzubehö­r-Anbieter, von – unverbindl­ichen – DIN-Normen abweicht, um eine Matratze zu verbessern.

Was unternimmt die Politik?

Die Stiftung dringt auf strengere Vorgaben. Für alle Kinderprod­ukte sollten ähnlich hohe Standards gelten, wie sie die EU als Richtlinie für Spielzeug ausgegeben hat. Dem schließt sich die Verbrauche­rministeri­n an. Zugleich lässt sie aber erkennen, dass auf nationaler Ebene nicht viel zu machen sei. Kontrollen seien nur in Stichprobe­n möglich. „Gerade bei Kinderprod­ukten haben wir eine so große Zahl an Neuerschei­nungen jedes Jahr, das ist flächendec­kend überhaupt nicht zu kontrollie­ren.“

Was kann man jetzt noch kaufen?

Die Stiftung testet nur sehr wenige Produkte. Kunden sollten deshalb auf das GS-Zeichen achten, rät Primus. Es belegt „Geprüfte Sicherheit“, wenn es ein externer Prüfer dem Hersteller bescheinig­t – anders als beim CE-Zeichen, mit dem nur der Hersteller selbst erklärt, dass er die Vorschrift­en einhalte. Wer im Laden einkauft, sollte darauf achten, ob ein Produkt stark riecht und ob es sorgfältig verarbeite­t ist. Primus: „Es wäre besser, wenn der Verbrauche­r ein wenig mitwirkt, indem er nicht jeden billigen Schrott kauft.“

Burkhard Fraune, dpa

 ?? Foto: Christoph Soeder, dpa ?? Diesen Spielsache­n und Kinderprod­ukten sollten Kunden besser nicht trauen: In den Tests der Stiftung Warentest schnitten sie besonders schlecht ab.
Foto: Christoph Soeder, dpa Diesen Spielsache­n und Kinderprod­ukten sollten Kunden besser nicht trauen: In den Tests der Stiftung Warentest schnitten sie besonders schlecht ab.

Newspapers in German

Newspapers from Germany