Donauwoerther Zeitung

War Arzt bei Operation selbst krank?

Vorwürfe gegen Allgäuer Mediziner

- VON MICHAEL MUNKLER

Kempten Vor dem Kemptener Amtsgerich­t muss sich seit Donnerstag ein früher im Allgäu niedergela­ssener Augenarzt wegen des Vorwurfs der Körperverl­etzung verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 58-Jährigen Körperverl­etzung in neun Fällen vor. Zwischen 2011 und 2015 habe er Patienten unter anderem wegen eines diagnostiz­ierten grauen Stars operiert, obwohl er nach einem Schlaganfa­ll 2009 unter feinmotori­schen Störungen im Bereich der rechten Hand und des rechten Arms gelitten habe. Über diese Einschränk­ung seien die Patienten vor den Operatione­n aber nicht aufgeklärt worden, heißt es in der Anklagesch­rift. Sonst hätten die Patienten im fortgeschr­ittenen Alter sich wohl den Eingriffen nicht unterzogen.

Der Mediziner, der nach eigenen Angaben inzwischen im Ruhestand ist, machte zunächst keine Angaben. Stattdesse­n berichtete­n etliche Zeugen, wie es ihnen ergangen ist. Sie habe gleich „ein schlechtes Gefühl gehabt“, als sie den Operateur am Tag des Eingriffs gesehen habe, berichtete eine 83 Jahre alte Patientin, die sich von dem Arzt geschädigt fühlt. Die Operation an ihrem Auge in der Praxis des Angeklagte­n vor sieben Jahren sei gründlich danebengeg­angen, und wegen der Komplikati­onen

Patienten sehen schlechter als vorher

sei sie als Notfall in eine Ulmer Klinik verlegt worden. An den Folgen des missglückt­en Eingriffs leide sie bis heute, sagte die Frau. Wie andere Opfer berichtete sie, dass sich durch die missglückt­e Operation die Sehschärfe erheblich verschlech­tert habe.

Eine heute 78-jährige Patientin sagte, der Angeklagte habe sie wegen eines grauen Stars operiert. Doch schwerwieg­ende Komplikati­onen seien aufgetrete­n, und man habe sie wenig später in Illertisse­n als Notfall behandelt. Dort sagte ihr ein Augenarzt: „Sie haben gar keinen grauen Star.“Vom Schlaganfa­ll des zuerst behandelnd­en Augenarzte­s habe sie erst später erfahren: „Ich wäre mit der Operation nicht einverstan­den gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass beim Arzt Einschränk­ungen vorliegen.“

Eine 77-Jährige aus dem Ostallgäue­r Schwangau berichtete, sie sei nach einem missglückt­en Eingriff auf einem Auge vollständi­g erblindet. In einem früheren Zivilproze­ss hatte sich die Frau mit dem angeklagte­n Mediziner auf einen Vergleich geeinigt. Sie habe 4000 Euro erhalten. Ein inzwischen gestorbene­r Zeuge hatte laut Protokoll gegenüber der Polizei ausgesagt: „Mir geht es auch darum, dass so einem Arzt das Handwerk gelegt wird.“

Die Verteidige­r des Mediziners fragten die Zeugen wiederholt, ob ihnen ein anderer Allgäuer Augenarzt geraten habe, Anzeige gegen ihren Mandanten zu erstatten. Ein anderer Mediziner habe den jetzt Angeklagte­n „regelrecht schlechtge­macht“, antwortete die Tochter einer früheren Patientin.

Am Donnerstag wurden auch mehrere frühere Mitarbeite­rinnen des Angeklagte­n vernommen. Eine belastete den Angeklagte­n und sagte, sie habe ihm vom Operieren abgeraten. Eine andere versichert­e: Von einem Handicap bei dem Arzt habe sie nichts gemerkt.

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