War Arzt bei Operation selbst krank?
Vorwürfe gegen Allgäuer Mediziner
Kempten Vor dem Kemptener Amtsgericht muss sich seit Donnerstag ein früher im Allgäu niedergelassener Augenarzt wegen des Vorwurfs der Körperverletzung verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 58-Jährigen Körperverletzung in neun Fällen vor. Zwischen 2011 und 2015 habe er Patienten unter anderem wegen eines diagnostizierten grauen Stars operiert, obwohl er nach einem Schlaganfall 2009 unter feinmotorischen Störungen im Bereich der rechten Hand und des rechten Arms gelitten habe. Über diese Einschränkung seien die Patienten vor den Operationen aber nicht aufgeklärt worden, heißt es in der Anklageschrift. Sonst hätten die Patienten im fortgeschrittenen Alter sich wohl den Eingriffen nicht unterzogen.
Der Mediziner, der nach eigenen Angaben inzwischen im Ruhestand ist, machte zunächst keine Angaben. Stattdessen berichteten etliche Zeugen, wie es ihnen ergangen ist. Sie habe gleich „ein schlechtes Gefühl gehabt“, als sie den Operateur am Tag des Eingriffs gesehen habe, berichtete eine 83 Jahre alte Patientin, die sich von dem Arzt geschädigt fühlt. Die Operation an ihrem Auge in der Praxis des Angeklagten vor sieben Jahren sei gründlich danebengegangen, und wegen der Komplikationen
Patienten sehen schlechter als vorher
sei sie als Notfall in eine Ulmer Klinik verlegt worden. An den Folgen des missglückten Eingriffs leide sie bis heute, sagte die Frau. Wie andere Opfer berichtete sie, dass sich durch die missglückte Operation die Sehschärfe erheblich verschlechtert habe.
Eine heute 78-jährige Patientin sagte, der Angeklagte habe sie wegen eines grauen Stars operiert. Doch schwerwiegende Komplikationen seien aufgetreten, und man habe sie wenig später in Illertissen als Notfall behandelt. Dort sagte ihr ein Augenarzt: „Sie haben gar keinen grauen Star.“Vom Schlaganfall des zuerst behandelnden Augenarztes habe sie erst später erfahren: „Ich wäre mit der Operation nicht einverstanden gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass beim Arzt Einschränkungen vorliegen.“
Eine 77-Jährige aus dem Ostallgäuer Schwangau berichtete, sie sei nach einem missglückten Eingriff auf einem Auge vollständig erblindet. In einem früheren Zivilprozess hatte sich die Frau mit dem angeklagten Mediziner auf einen Vergleich geeinigt. Sie habe 4000 Euro erhalten. Ein inzwischen gestorbener Zeuge hatte laut Protokoll gegenüber der Polizei ausgesagt: „Mir geht es auch darum, dass so einem Arzt das Handwerk gelegt wird.“
Die Verteidiger des Mediziners fragten die Zeugen wiederholt, ob ihnen ein anderer Allgäuer Augenarzt geraten habe, Anzeige gegen ihren Mandanten zu erstatten. Ein anderer Mediziner habe den jetzt Angeklagten „regelrecht schlechtgemacht“, antwortete die Tochter einer früheren Patientin.
Am Donnerstag wurden auch mehrere frühere Mitarbeiterinnen des Angeklagten vernommen. Eine belastete den Angeklagten und sagte, sie habe ihm vom Operieren abgeraten. Eine andere versicherte: Von einem Handicap bei dem Arzt habe sie nichts gemerkt.