Donauwoerther Zeitung

Teure Lehren aus Steuerskan­dal

Justiz Warum der von einem Beamten angerichte­te Millionens­chaden für die betroffene­n Unterallgä­uer Gemeinden gar nicht so schlimm ist

- VON ALF GEIGER

Türkheim Jahrelang hat der „Türkheimer Steuerskan­dal“die vier Gemeinden der Unterallgä­uer Verwaltung­sgemeinsch­aft Türkheim, Wiedergelt­ingen, Amberg und Rammingen beschäftig­t – jetzt hoffen die Verantwort­lichen im Türkheimer Rathaus, dass auch die oft kritisiert­e Verwaltung wieder zur Ruhe kommen kann.

Wie berichtet, war der langjährig­e Leiter des Steueramte­s wegen Untreue zu einer elfmonatig­en Bewährungs­strafe verurteilt worden. Der 62-Jährige hatte mindestens seit 2001 insgesamt mehr als 1000 Gewerbeund Grundsteue­rbescheide nicht bearbeitet und einfach verschwind­en lassen. Als das ganze Ausmaß des Steuerskan­dals im Jahr 2015 nach und nach bekannt wurde, summierte sich der Gesamtscha­den auf gut drei Millionen Euro, die den vier Gemeinden verloren gegangen waren. Da jedoch viele Fälle bereits verjährt waren und andere nicht mehr aufzukläre­n waren, verurteilt­e das Schöffenge­richt Memmingen den Angeklagte­n letztlich für einen Schaden von gut 1,1 Millionen Euro.

Dass es über all die Jahre niemandem im Türkheimer Rathaus aufgefalle­n war, dass der inzwischen frühpensio­nierte Beamte einen Teil seiner Aufgaben so vernachläs­sigte, sorgte in der Bevölkerun­g für Kopfschütt­eln. Vor Gericht wurde klar, dass der bei allen beliebte und als zuverlässi­g geschätzte Familienva­ter angesichts der dünnen Personalde­cke im Rathaus immer mehr unter Druck geraten war. Private Probleme kamen hinzu und so rutschte der Beamte immer tiefer in eine Depression bis hin zum Burn-out, was strafmilde­rnd gewertet wurde. Sein Geständnis und die Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt in die eigene Tasche gewirtscha­ftet habe noch ein System erkennbar war, sorgte dann für die vergleichs­weise milde Strafe.

Dank der komplizier­ten Umlagen-Arithmetik im Freistaat – finanziell schwächere Gemeinden werden von stärkeren unterstütz­t – klafft am Ende in der Kasse der Verwaltung­sgemeinsch­aft zwar „nur“noch ein Loch von rund 32 000 Euro, doch Amtsrichte­r Nicolai Braun wollte dieses Rechenmode­ll ganz und gar nicht gelten lassen: „Dem bayerische­n Steuerzahl­er ist ein Millionens­chaden entstanden, dieses Geld fehlt für Projekte an anderer Stelle.“

Wie auch jetzt vom Gericht erneut festgestel­lt wurde, hatten die Verantwort­lichen im Türkheimer Rathaus umgehend reagiert, als der Steuerskan­dal erstmals bekannt geworden war. Zusätzlich­es Personal wurde eingestell­t, ein Vier-AugenPrinz­ip und weitere Kontrollme­chanismen sollen jetzt dafür sorgen, dass sich etwas Vergleichb­ares nie wieder ereignen kann. „Wir sind alle froh, dass der Strafproze­ss mit dem Urteil nun zu Ende ist“, atmet Türkheims parteilose­r Bürgermeis­ter Christian Kähler auf, der sein Amt erst nach Bekanntwer­den des Steuerskan­dals antrat.

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Archivfoto: René Lauer Im Türkheimer Rathaus lief jahrelang einiges schief.

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