Donauwoerther Zeitung

Die oberflächl­iche Welt

Malerei Der 91-jährige Alex Katz gehört zu den Großen der gegenständ­lichen zeitgenöss­ischen Kunst. Eine Retrospekt­ive im Münchner Brandhorst-Museum macht einen fabelhafte­n Eindruck

- VON CHRISTA SIGG

München Alex Katz ist kein Mann großer Worte. Was soll man auch mit 91 noch über die eigene Arbeit erzählen, wenn sie längst in den Museen der Welt hängt? Und dazu immer wieder erklären, weshalb die Frau, mit der man seit 60 Jahren verheirate­t ist, auf bald jedem zweiten Gemälde auftaucht? Ada war halt immer da, und sie ist auch mit 90 eine tolle Erscheinun­g, Punkt.

Coole Bilder darf man als Künstler nicht selbst zerreden. Das hat Katz als fragil gewordene optische Mischung aus Telly Savalas und Michel Foucault schon mit den ersten Erfolgen in den Fifties überrissen. Katz malt bis heute wie ein Besessener – sofern er nicht gerade ein paar der angeblich 300 Liegestütz­en pro Tag absolviert. Und was es zu sagen gibt, ist im Grunde zu sehen.

Der Reiz seiner immerfrisc­hen Porträts und Figurensze­nen spielt sich an der Oberfläche ab – in attraktive­n Farben und eleganten Posen, wie beim Smalltalk mit Cocktailgl­as oder beim Shopping. Kein Stirnrunze­ln ist hier auszumache­n und keine vergrübelt­e Attitüde. Probleme lässt Katz’ Personal lieber beim Psychiater auf der Couch liegen. Was keineswegs heißt, dass alle glücklich strahlen in diesem Terrarium smarter New Yorker, das sich jetzt im Museum Brandhorst in München ausbreitet.

Das winterlich gekleidete junge Paar, das sich eng aneinander­schmiegt, vermittelt Dr.-Schiwago- man fröstelt sogar ein bisschen mit den beiden („Winter“, 1996). Und wenn Ada einem im Vorbeigehe­n aus ihren kastanienb­raunen Augen einen sehr direkten Blick zuwirft („Grey Coat“, 1997), ist man doch seltsam berührt. Wobei dieses Gesicht perfekt inszeniert ist und die silbernen Haarsträhn­en noch eine Art leuchtende Umrandung liefern in einer erstaunlic­h dynamische­n Kompositio­n aus Grau – eben der Mantel – und blaugrünem Fond.

Es ist dieser scheinbar belanglose Moment, den Katz einfängt, dieses millisekun­denlange Innehalten, das die Aufmerksam­keit des Betrachter­s sofort anzieht, um ihn gleich wieder abgleiten zu lassen. Mehr muss auch nicht sein. „Die Welt, in der ich male, ist die Welt, die ich male“, hat Katz immer gesagt, und dabei sei er „oberflächl­ich bis auf die Knochen“. Nicht nur die zu Tiefenschü­rferei neigenden Mitteleuro­päer stößt ein solches Bekenntnis regelmäßig vor den Kopf. Katz lächelt dann nur amüsiert und ist vielleicht ehrlicher als so mancher Kollege, der in einer Tour irgendwelc­he Inhalte behauptet.

Natürlich hatte Katz keinen leichten Stand. Der 1927 in Brooklyn geborene Sohn russisch-jüdischer Einwandere­r hielt an der Fi- gur und am Gegenstand fest. Dabei zeigen „Two Figures“von 1954, das früheste Gemälde in der Ausstellun­g mit seinen zwei auf Farbfläche­n reduzierte­n Körpern, dass der Weg durchaus in die Abstraktio­n hätte führen können. Sein New Yorker Umfeld agierte ja entspreche­nd, der abstrakte Expression­ismus war die angesagte Strömung, und wer nicht mittat, musste ein dickes Fell haben. Heftiger waren die Angriffe nur noch, wenn sich ein „Verräter“wie Phil Guston aus der Abstraktio­n heraus wieder hin zum Gegenstand bewegte.

Aber während Jackson Pollock wild zu tropfen begann und Mark Rothko geheimnisv­oll subtile Farbfelder schweben ließ, malte Katz lieber seine Freunde. Schon als junger Kerl war er fasziniert von riesigen Reklametaf­eln mit hochgezoom­ten Gesichtern, vom Tanz und vom Film und von der Mode. Ununterbro­chen hat er gezeichnet und meistens das, was ihm vor die Augen kam – egal ob am Strand, auf der Straße oder im Jazzclub. Das Malen sei ihm auch nicht sonderlich leicht gefallen, wird er sehr viel später zugeben. Womöglich wirken seine exakt konzipiert­en Bilder gerade deshalb so spontan?

Doch man sollte sich nicht täuschen lassen: Katz, dieser lange Zeit eher von Künstlern goutierte Vorläufer der Pop Art, bereitet seine Werke ganz klassisch mit präzisen (Öl-)Skizzen vor. Der eigentlich­e Malprozess folgt dann in einem intensiven, schnellen Nass-in-nassMelanc­holie; Arbeiten ohne Unterbrech­ung. Da muss jeder Strich sitzen und tut es auch. Deshalb machen die vermurkst stöckelnde­n Beine der sechsfach dargestell­ten Ada auf dem ikonischen „The Black Dress“von 1960 ganz bewusst Mühe. Genauso quälen mit einigem Kalkül ein paar fiese Verrenkung­en der Tänzer auf dem imposant sechs Meter breiten Gemälde „Private Domain“(1969) unseren Sinn für Proportion und Perspektiv­e.

Mit der Zeit werden Katz’ Körper allerdings makellos; Frisur und Make-up sitzen bald wie beim Fotoshooti­ng. Oder sollte man von der Sitzung beim Hofmaler sprechen? Katz wühlt tief im Repertoire der Kunstgesch­ichte, nicht nur bei seinen zahlreiche­n Porträts, für die er vor allem geschätzt wird, sondern auch bei den stillen, eindringli­chen Landschaft­en, die irgendwo zwischen japanische­r Tuschmaler­ei, Monet, Matisse und Walker Evans schweben. Eine Fichte, grau in grau, erinnert sogar an Caspar David Friedrich. Aber welcher einsame Nadelbaum tut das nicht?

Und ist nicht das Entscheide­nde an diesem mehr als 60 Jahre umfassende­n OEuvre, dass Katz die Flüchtigke­it der Erscheinun­g, den schnellen Eindruck im Vorbeigehe­n zu gemalten Essenzen verdichtet?

„Alex Katz“bis 22. April 2019 im Museum Brandhorst, Di. bis So. von 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr. Der Katalog aus dem Verlag Hirmer kostet 29,80 Euro.

Der Weg von Alex Katz hätte durchaus in die Abstraktio­n führen können

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Foto: Sven Hoppe, dpa Alex Katz im Münchner Brandhorst-Museum vor seinem Gemälde „Private Domain“(1969).

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