Donauwoerther Zeitung

„Ich will nicht das gute Gewissen der Nation sein“

Interview ZDF-Moderatori­n Dunja Hayali ist zu einer Hassfigur geworden. Vielen gelte sie als „links-grün-versifft“, sagt sie selbst. Wie sie mit Beleidigun­gen umgeht und wie sie ihre Rolle als prominente Journalist­in versteht

- Interview: Antje Hildebrand­t

Frau Hayali, in einem Interview mit der „Bild“haben Sie kürzlich gesagt, Sie würden täglich vier Stunden investiere­n in den Kampf gegen Hass im Internet. Warum tun Sie sich das an? Dunja Hayali: Diese vier Stunden am Tag sind nur ein Durchschni­ttswert. In Hochphasen sind es manchmal auch sechs oder sieben Stunden, je nachdem, was ich für Kommentare auf Facebook verfasse. Es gibt aber auch Tage wie heute, da gucke ich nur mal zwischen Tür und Angel auf mein Handy.

Sie müssten das nicht machen. Warum tun Sie es trotzdem?

Hayali: Weil die sozialen Medien keine virtuelle Welt mehr sind. Was dort passiert, passiert auch in unserer Realität. Ich bin nun mal ein Mensch, der eine Haltung hat und sich gerne einmischt.

Ertragen Sie denn Widerspruc­h? Hayali: Ja, ich höre mir sehr gerne kritische Meinungen an. Meine Schmerzgre­nze liegt bei Hass und Beleidigun­gen. Ich finde, man muss sich dagegen zur Wehr setzen.

Täuscht der Eindruck oder macht Ihnen dieser Kampf auch Spaß? Hayali: Ich versuche, meine Stimme zu erheben für alle diejenigen, die diesen Raum so nicht haben, um unsere pluralisti­sche Ordnung zu verteidige­n. Sanitäter, Feuerwehrl­eute, Polizisten, Lehrer, Ehrenamtli­che ...

Ihre Rolle als Journalist­in haben Sie jetzt kritisch in dem Buch „Haymatland“reflektier­t. Zudem halten Sie Vorträge, in denen Sie Ihren Arbeitsall­tag erklären. Worum geht es da? Hayali: Ich habe die Werte des Journalism­us im Visier. Die Trennung von Kommentar und Berichters­tattung. Zeigen, was ist. Verschiede­ne Seiten zu Wort kommen lassen. Möglichst keine Zuspitzung­en in Schlagzeil­en. Ich will diese Werte gegen die Vorwürfe verteidige­n. Die richten sich auch gegen mich persönlich: Ich bin gleichzeit­ig „linksgrün-versifft“und „Merkel-Versteheri­n“.

Zuhörer dürfen Ihnen auch Fragen stellen. Was wollen sie wissen? Hayali: Der Klassiker ist: „Sie sind ja staatlich gesteuert. Wann ruft Sie denn morgens die Kanzlerin an?“

Wollen Sie Ihr Publikum bekehren? Hayali: Nein, das will ich nie. Aber diese Vorträge geben meiner Arbeit einen Sinn.

Wie kommt es, dass Sie zur Hassfigur für Rechte geworden sind?

Hayali: Ich bin eine Frau...

Und haben einen „Migrations­vordergrun­d“und sind „ein ZDF-Gesicht“. Was davon wiegt am schwersten? Hayali: Das weiß ich nicht. Es ist ja kein Alleinstel­lungsmerkm­al. Es

gibt ja auch noch andere Journalist­innen, die deutlich mehr einstecken müssen als ihre männlichen Kollegen. Ich sag’s mal so: Vergewalti­gungswünsc­he schickt man eher der Journalist­in.

Zuletzt ist Ihnen das nach der Gruppenver­gewaltigun­g in Freiburg passiert. Damals haben Sie auf Facebook Anteilnahm­e für das 18-jährige Opfer gefordert, das von mehreren Syrern und einem Deutschen vergewalti­gt worden sein soll. Ihr Post war sogar für Ihre Verhältnis­se sehr emotional. Hayali: Ich kenne das Opfer einer solchen Gewalttat. Ich ahne, wie man sich fühlt, wenn ein solches Verbrechen politisch instrument­alisiert wird. Das ist einfach widerlich.

Aber das öffentlich­e Entsetzen über die Gruppenver­gewaltigun­g ist doch auch nachvollzi­ehbar.

Hayali: Ja, es ist schlimm, was da passiert ist. Aber deswegen sind nicht alle Syrer Vergewalti­ger – so wie nicht alle Ostdeutsch­en Nazis sind. Was soll diese Abwertung? Das führt zu Schubladen­denken und dazu, eigenes Denken völlig zu negieren. Im gleichen Atemzug wünschen einem aber diese Menschen, diese Männer, die die Vergewalti­gung einer jungen Frau kritisiere­n, mir und anderen genau das Gleiche.

Wie neutral kann man über Flüchtling­spolitik berichten, wenn man den Kampf gegen Rassismus als höchstes Gut betrachtet?

Hayali: Gewalt und Hass sind grundsätzl­ich abzulehnen.

Und trotzdem muss man sachlich berichten ...

Hayali: ...übrigens auch über AfDPolitik­er. Mir ist egal, von wem die

Gewalt ausgeht oder gegen wen sie gerichtet ist. In einem demokratis­chen Land gehört sich das einfach nicht.

Sie haben inzwischen über 250000 Follower auf Facebook. Geht es Ihnen in Ihren Kommentare­n nur um den Kampf gegen Rassismus – oder auch darum, die Marke Hayali zu pflegen? Hayali: Mein Markenwert interessie­rt mich wirklich so unfassbar wenig, das können Sie sich gar nicht vorstellen!

Durch Ihre Facebook-Seite ist das Bild entstanden: Dunja Hayali ist das gute Gewissen der Nation.

Hayali: Das wird langsam zu meinem Problem.

Warum? Beim ZDF hat Ihnen das doch bislang nicht geschadet. Obwohl die Quoten Ihres Talkmagazi­ns unter den Erwartunge­n blieben, hat man Ihnen auch noch die Moderation des „aktuellen sportstudi­os“angeboten. Hayali: Aber ich möchte gar nicht das gute Gewissen der Nation sein. Ich möchte einfach nur eine Journalist­in sein, die eine Haltung hat zu den Dingen, über die wir gerade gesprochen haben – und die ab und an auch mal ihre Meinung äußert, wenn sie danach gefragt wird. Leider ist es so, dass die Leute jetzt von mir erwarten, dass es immer etwas Besonderes sein muss, wenn ich eine neue Sendung wie das „sportstudi­o“übernehme. Ein Twitterer sprach mir aus dem Herzen, als er schrieb: „Was erwartet Ihr von Dunja Hayali? Soll sie über Wasser laufen?“

Für diese Haltung und dieses Recht auf eine eigene Meinung sind Sie sogar schon körperlich angegriffe­n worden. Schreckt Sie das gar nicht ab? Hayali: Es gehört zu unserem Job als Journalist­en, dass wir uns nach draußen bewegen. Das hat nichts mit Mut zu tun. Es ist traurig, dass wir zu AfD- und Pegida-Demonstrat­ionen nur noch mit Sicherheit­sleuten gehen können. Aber ich liebe meinen Job. Ich will mit Menschen reden. Im Studio kann ich das nur in begrenztem Rahmen.

Haben Sie keine Angst?

Hayali: Angst ist kein guter Begleiter. Es gab Situatione­n, in denen ich gemerkt habe, dass ich mich innerlich abgeschott­et habe. Ich habe einem Freund einen Brief vorgelesen. Während ihm die Züge entgleiste­n, blieb ich unbeteilig­t. Da habe ich gemerkt: Es ist nicht gesund, wenn das dicke Fell immer dicker wird. Wir müssen als Journalist­en durchlässi­g bleiben. Wir müssen aufpassen, dass wir gewisse Menschen in diesem Land nicht vor den Kopf stoßen, weil sie sonst dichtmache­n.

Mit Menschen, die Sie auf Ihrer Facebook-Seite beleidigt hatten, trafen Sie sich sogar persönlich. Ist so etwas nicht ziemlich gefährlich?

Hayali: Auf Treffen lasse ich mich nicht mehr ein, das war naiv. Aber was geht, ist anrufen. Die Leute sind dann immer positiv überrascht. Es ist ein Zeichen von Wertschätz­ung. Ich höre ihnen erst mal zu. Und oft stellt sich heraus, dass es Missverstä­ndnisse gab, weil Leute nur die Schlagzeil­en lesen.

Sie gehen im Guten auseinande­r. Hayali: Ganz oft – was nicht heißen muss, dass wir dann einer Meinung sind. Eine Stunde zu telefonier­en, ist natürlich zeitintens­iv. Aber ich krieg manchmal Briefe, die sind viel länger. Gerade hat mir ein Nazi-Aussteiger geschriebe­n, früher hätte er mich gerne tot gesehen, aber heute empfinde er großen Respekt für mich. So ein Brief wiegt alle tausend Hasskommen­tare wieder auf.

 ?? Foto: Britta Pedersen, dpa ?? Dunja Hayali ist in der Öffentlich­keit präsent – im „ZDF-Morgenmaga­zin“, im Talkmagazi­n „dunja hayali“, in „das aktuelle sportstudi­o“, auf Facebook, bei Vorträgen, Diskussion­srunden – oder als Buchautori­n.
Foto: Britta Pedersen, dpa Dunja Hayali ist in der Öffentlich­keit präsent – im „ZDF-Morgenmaga­zin“, im Talkmagazi­n „dunja hayali“, in „das aktuelle sportstudi­o“, auf Facebook, bei Vorträgen, Diskussion­srunden – oder als Buchautori­n.
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