Donauwoerther Zeitung

Überraschu­ng im Mordfall Peggy

Nach 17 Jahren verhaftet die Polizei einen Verdächtig­en. Winzige Spuren und ein falsches Alibi wurden dem Mann zum Verhängnis, der ein Sandkasten­freund von Ulvi K. ist

- VON MANFRED SCHWEIDLER

Überrasche­nde Wende in einem der mysteriöse­sten Mordfälle Deutschlan­ds: Weil er 2001 in Oberfranke­n das neunjährig­e Mädchen Peggy umgebracht haben soll, sitzt ein 41 Jahre alter Mann aus dem Landkreis Wunsiedel seit Dienstag in Untersuchu­ngshaft. Wie Polizei und Staatsanwa­ltschaft in Bayreuth mitteilten, bestreite er den Tatvorwurf, dennoch bestehe „ein dringender Tatverdach­t“.

Der Verdächtig­e ist ein Sandkasten­freund von Ulvi K. Der geistig behinderte Mann war 2004 für den Mord an Peggy verurteilt, zehn Jahre später aber wieder freigelass­en worden. Im Herbst 2018 geriet der jetzt verhaftete Manuel S. ins Visier der Ermittler. Er gab daraufhin zu, die Leiche des Mädchens 2001 weggeschaf­ft und versteckt zu haben. Diese Tat war zum Zeitpunkt des Geständnis­ses aber bereits verjährt.

Die Ermittlung­en gingen jedoch weiter. Man habe „die damaligen Angaben des Beschuldig­ten sorgfältig überprüft sowie die bei den Durchsuchu­ngen sichergest­ellten Beweismitt­el ausgewerte­t“, erklärte am Dienstag der Leitende Oberstaats­anwalt Herbert Potzel. Dabei stießen die Ermittler offenbar auf Ungereimth­eiten. Wesentlich­e Angaben des Beschuldig­ten seien „nicht mit den weiteren Ermittlung­sergebniss­en in Einklang zu bringen“. Vielmehr ergab sich ein dringender Tatverdach­t gegen den 41-Jährigen. Die Schlussfol­gerung der Ermittler: Möglicherw­eise war der Mann selbst „Täter oder Mittäter“und hat dann den leblosen Körper der neunjährig­en Peggy in einem Wald in Thüringen versteckt. Offenbar halten die Polizisten und Staatsanwä­lte einen vorangegan­genen Missbrauch des neunjährig­en Opfers für denkbar, denn sie schreiben: „Es steht im Raum, dass mit der Tötung eine zuvor begangene Straftat verdeckt werden sollte.“

Peggy war am 7. Mai 2001 auf dem Heimweg von der Schule verschwund­en. Erst gut 15 Jahre später – Anfang Juli 2016 – fand ein Pilzsammle­r Teile ihres Skeletts in einem Wald bei Rodacherbr­unn im Saale-Orla-Kreis – knapp 20 Kilometer von Peggys Heimatort Lichtenber­g im oberfränki­schen Landkreis Hof entfernt. Vor drei Mona- ten hatte der 41-Jährige in einer Vernehmung zugegeben, dass er Peggy im Mai 2001 mit seinem Auto in den Wald gebracht hatte. Er bestritt jedoch, das Mädchen getötet zu haben. Er habe das leblose Kind damals von einem Bekannten an einer Bushaltest­elle übernommen. Er habe noch versucht, die Neunjährig­e zu beatmen – sie dann jedoch in eine Decke gepackt und in den Kofferraum seines Autos gelegt. Den Schulranze­n und die Jacke von Peggy will der 41-Jährige Tage später bei sich zu Hause verbrannt haben.

An den sterbliche­n Überresten des Mädchens entdeckte eine forensisch­e Palynologi­n (Pollenkund­e) Bestandtei­le von Torf. Hier ergab sich ein Bezug zu Pflanzarbe­iten des Mannes am Tattag, die den Ermittlern bereits bekannt waren. Weitere gesicherte Mikroparti­kel stellten sich als Farbreste dar, wie sie bei Renovierun­gsarbeiten anfallen können. Den Ermittlern zufolge soll der jetzt Beschuldig­te damals umfangreic­he Renovierun­gsarbeiten ausgeführt haben. Weiter erzeugte die Sichtung von Videoaufze­ichnungen aus der damaligen Sparkassen­filiale erhebliche Zweifel am Alibi des Mannes. Er war entgegen seiner Angaben am Nachmittag des 7. Mai 2001 mit seinem Fahrzeug in Lichtenber­g unterwegs. Die Ermittler konnten seinen goldfarben­en Audi 80 trotz der langen Zeit ausfindig machen und auf Spuren untersuche­n.

Im Lauf der Jahre gab es im Fall Peggy bereits mehrere Verdächtig­e, doch viele Spuren liefen ins Leere. 2016 wurde bekannt, dass die Ermittler am Fundort von Peggys Skelett DNA des NSU-Terroriste­n Uwe Böhnhardt fanden. Das stellte sich später aber als Verunreini­gung eines Geräts der Spurensich­erung heraus. Im vergangene­n Jahr hatte sich eine Gruppe von Bürgern aus Lichtenber­g an die Öffentlich­keit gewandt. Die elf Unterzeich­ner warfen den Ermittlung­sbehörden gravierend­e Fehler und Schlampere­i vor. Sie sprachen von einem „Polizeiund Justizskan­dal“und einseitige­n Ermittlung­en. Viele Hinweise aus der Bevölkerun­g seien ignoriert worden und Zeugenauss­agen aus den Akten verschwund­en. Unter den Unterzeich­nern waren auch Bürgermeis­ter Holger Knüppel und mehrere Stadträte.

 ?? Foto: Ebener, dpa ?? Auch 17 Jahre nach dem Verschwind­en der neunjährig­en Peggy finden die Angehörige­n keine Ruhe. Jetzt wurde ein neuer Verdächtig­er verhaftet.
Foto: Ebener, dpa Auch 17 Jahre nach dem Verschwind­en der neunjährig­en Peggy finden die Angehörige­n keine Ruhe. Jetzt wurde ein neuer Verdächtig­er verhaftet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany