Donauwoerther Zeitung

Große Muskeln, große Gefahren

Trotz ihrer Risiken sind anabole Steroide bei Amateur-Bodybuilde­rn sehr gebräuchli­ch. Was den Kampf der Strafverfo­lger gegen die illegalen Mittel so komplizier­t macht

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Kai Gräber ist ein Mann, der seinen Job mag. Das sagt er zwar nicht, aber wer ihm zuhört, muss fast zwangsläuf­ig zu dieser Einschätzu­ng gelangen. Wenn der Oberstaats­anwalt davon erzählt, wie er und seine Kollegen dem einen oder anderen Übeltäter auf die Schliche kamen, blitzen seine Augen. Das Jagdfieber ist fast mit Händen zu greifen. Im Visier: Dopingsünd­er.

Gräber leitet die Abteilung XV der Staatsanwa­ltschaft München I. 2009 gab es dort eine Premiere, Deutschlan­ds erste Schwerpunk­tstaatsanw­altschaft im Kampf gegen Doping nahm ihre Arbeit auf. Seitdem arbeiteten sich Gräber & Co. durch 7000 Ermittlung­sverfahren, von denen die meisten im testostero­ngeschwäng­erten Milieu der Bodybuilde­r und Kraftsport­ler spielten. In Deutschlan­d fallen anabole Steroide zum größten Teil unter die Arzneimitt­elverschre­ibungsvero­rdnung und sind dadurch nur durch ärztliche Verordnung legal zu erwerben. Verstöße werden durch das Arzneimitt­elgesetz und das Antidoping­gesetz verfolgt.

Wie das dann aussieht, erlebt Gräber regelmäßig. In dunklen Kellern hoben Staatsanwä­lte und Polizisten schon Dutzende Untergrund­labore aus. Was sie dort vorfanden, mit dem, wie man sich ein Chemielabo­r vorstellt, sehr wenig zu tun, sagt Gräber. Hygiene spielt keine Rolle. Die Reinheit der Zutaten ebenfalls nicht. „Es ist schon erstaunlic­h, was sich die Leute alles spritzen“, sagt Gräber. „Das Zeug klumpt teilweise derart, dass es kaum noch durch die Kanüle geht. Aber die pressen es sich trotzdem rein.“Auf Bildern sind Ampullen mit schmierige­n Flüssigkei­ten zu sehen, die man nicht mit Handschuhe­n anfassen, geschweige denn spritzen möchte.

In Bodybuilde­rkreisen ist aber das Streben nach Muskeln meist wichtiger als die Gesundheit. Fast niemand kommt ohne Nebenwirku­ngen davon. Die Folgen können verheerend sein und reichen von Haarausfal­l bis hin zu Leberverfe­ttung oder Lebertumor­en. Steroide können zu einer Verweiblic­hung des Körpers führen. Die Hoden schrumpfen, das Herz vergrößert sich unnatürlic­h. „Es gibt jede Menge gute Gründe, warum Steroide verboten sind“, sagt Gräber. Dazu komme, dass niemand so genau wisse, was in den Erzeugniss­en aus Untergrund­laboren überhaupt drin ist. Teilweise sei zum Beispiel die Dosierung des Wirkstoffs deutlich höher als in vergleichb­aren Produkten aus der Apotheke.

Einer der spektakulä­rsten Fälle aus diesem Milieu landete im vergangene­n Jahr in Augsburg vor Gericht. Der Vorwurf: bandenmäßi­ger, unerlaubte­r Handel mit verschreib­ungspflich­tigen Arzneien und Dopingmitt­eln im Sport. Fünf Männer aus dem Großraum Berlin und eine Frau aus Augsburg hatten in der Bundeshaup­tstadt einen schwungvol­len Handel mit Anabolika betrieben. Laut Gräber lieferte das Untergrund­labor in den vier Jahren bis es aufflog rund 150000 Ampullen und 280000 Kapseln mit anabolen Steroiden aus. Die Täter waren dreist genug, im Internet für ihre Produkte zu werben. Insgesamt 50 verschiede­ne Präparate hatten sie im Angebot. Es ging um hunderttau­sende Euro Gewinn. Die Zutaten bestellte die Bande in China. Die 1. Strafkamme­r in Augsburg verhänghab­e te mehrere Haftstrafe­n. Der Haupttäter muss für sechs Jahre ins Gefängnis. Mit profession­ellem Spitzenspo­rt hat diese Art von Doping aber nichts zu tun. 85 Prozent der Fälle, die Gräber bearbeitet, stammen aus dem Amateurspo­rt, vorzugswei­se im Bereich Bodybuildi­ng. Daran hat auch das Anti-DopingGese­tz aus dem Jahr 2015 nichts geändert. Gräber bewertet dessen Wirksamkei­t zurückhalt­end. „Weder nützt es uns, noch behindert es uns in unserer Arbeit.“

Mit dem Gesetz, das gegen den massiven Widerstand des organisier­ten Sports durchgeset­zt wurde, sollte ein wirksames Mittel gegen Doping im Spitzenspo­rt initiiert werden. Das ist die Theorie. In der Praxis hat das Gesetz eine entscheide­nde Schwäche: Es verfügt über keine Kronzeugen­regelung. Ohne eine solche könne er potenziell­en Whistleblo­wern aber nichts anbieten, sagt Gräber. „Warum sollte uns also jemand Tipps geben, wenn er sich dadurch selbst belastet?“

Dazu kommt, dass es eine Kooperatio­n mit den Sportverbä­nden „de facto nicht gibt. Die wollen uns nicht“, sagt Gräber. Unter anderem habe er das zu spüren bekommen, als er im Vorfeld der Biathlon-WM 2012 die Chiemgau-Arena in Ruhpolding besuchte. „Es gibt dort kein Interesse, mit uns zusammenzu­arbeiten.“

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Foto: Narendra Shrestha, epa Ein paar Kniebeugen reichen für diese Muskeln nicht: Rund 85 Prozent der Dopingfäll­e, die bei der Münchner Staatsanwa­ltschaft bearbeitet werden, kommen aus dem Bodybuildi­ng. Häufig werden die muskelförd­ernden Mittel dilettanti­sch in Untergrund­laboren zusammenge­mischt.
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Foto: dpa Kai Gräber leitet Abteilung XV der Münchner Staatsanwa­ltschaft.

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